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Markus Zachbauer

Bildung und Einbildung, die Herrscher der Welt. Lifelong Learning in der FM4 Internet-Redaktion.

23. 10. 2009 - 22:44

Audimax-Besetzung: Die Basis und die Demokratie

Es ist nicht das erste Mal, dass an der Uni Wien der Audimax von Studierenden besetzt wird. Das ist sozusagen gute alte Studierendenprotesttradition. Diesmal ist es aber irgendwie anders, die Stimmung zwischen Wut und Euphorie.

Die Uniproteste auf FM4

Nach der überraschend mächtig ausgefallenen Schülerdemo im April ist das heuer schon die zweite große Protestwelle im Bildungsbereich. Was sich früher an Unmut auf die damalige Ministerin Elisabeth Gehrer konzentrierte, kriegen jetzt ihre beiden NachfolgerInnen Claudia Schmied und Johannes Hahn ab. Dass letzterer kolportierterweise demnächst als EU-Kommisar nach Brüssel wechseln soll, bringt die Protestbewegung nicht nur um den von ihr ausgemachten Verantwortlichen, sondern auch um ihren Lieblingsslogen, "Der Hahn gehört gerupft".

Der besetzte Audimax der Uni Wien

Radio FM4 / Markus Zachbauer

Gewaltig aufgezeigt

Egal wie es das Wochenende über im Audimax der Uni Wien weitergeht, schon jetzt haben die Studierenden massiv auf sich aufmerksam gemacht. Dass ihre Aktionen heute Vormittag vom Wissenschaftsminister als "lokaler Protest" abgetan wurde, mit dem sich in erster Linie die Uni Wien beschäftigen müsse, hat ihm wohl auch keine weiteren Sympathiepunkte eingebracht.

Es war am Ende seine - vielleicht schon vom Blick nach Brüssel geblendete - etwas passive Reaktion auf die akuten Probleme der Universitäten, die das Fass zum Überlaufen brachte. Grundtenor: das kommt halt davon, wenn man Studiengebühren abschafft und die Unis könnten ja Zugangsbeschränkungen einführen, wenn sie wollten. Mehr rote Tücher kann man den Studierenden nun wirklich nicht vor die Nase halten.

Wandbeschriftung im Audimax: Unis den Studis!

Radio FM4 / Markus Zachbauer

Basisdemokratie zu tausend

Das hat gereicht, um die Studierenden auf die Straße zu treiben. Das und dass sie am eigenen Leib erfahren haben, dass Hörsäle und Seminare wirklich überfüllt sind und was es bedeutet, im Bachelor-Studium de facto nach einem fixen Stundenplan studieren zu müssen.

Jetzt sind sie auf den Beinen. Und wissen noch nicht so recht, wohin sie sie tragen sollen. Es gibt eine Reihe von Forderungen, im Grunde geht es aber vor allem um eine breite Bildungs-Diskussion. Der fehlt es, was Chancengleichheit und Wertigschätzung betrifft, nämlich im Moment klar an Perspektive. Die Schulen und Unis wurschteln dahin. Und damit soll Schluss sein.

Es ist eine schon lange nicht mehr gespürte Energie in diesem Protest, das zeigt sich auch darin, dass er auch an anderen Unis außerhalb Wiens spürbar ist. In einem ähnelt diese Audimax-Besetzung den vergangenen allerdings spätestens seit heute frappant: Alles ist ein bisschen mühsam. Wo gestern Party herrschte, ging es heute abend zum Beispiel darum, in welchem Modus man über Entscheidungen abstimmen sollte. Und wie man darüber abstimmen sollte, wie man abstimmen sollte.

"Das ist nicht face to face, das ist nicht gut, dass hier wieder wie in einer Vorlesung welche auf der Bühne den anderen gegenüber stehen und ihnen was erzählen", meint da einer auf der Bühne.

Aus dem Hörsaal wird nach wie vor fleißig getwittert und zur Audimax-Besetzung gibt es auch eine Facebook-Gruppe.

Und nachdem ein paar klatschen: "Und bitte nicht Klatschen, das soll eine Diskussion sein und kein Konzert." - "Das war selbstbestimmtes Klatschen", schreit jemand von oben. Es folgt lautes Klatschen.

Unzufriedenheit ist ein guter gemeinsamer Start, aber daraus entsteht noch lange kein gemeinsames Ziel. Ein solches im vollen Audimax auszuverhandeln ist ein hehrer und hoher Anspruch. Aber einfach ist das nicht.

Die Forderungen der Studierenden:

  • Re-Demokratisierung und Stärkung der Mit- und Selbstverwaltung in allen Bildungseinrichtungen
  • Ausfinanzierung der Unis
  • selbstbestimmtes Lernen und Leben ohne Konkurrenz- und Leistungsdruck
  • freie Masterzugänge
  • keine verpflichtende Studieneingangsprüfung
  • Abschaffung aller Bildungs- und Studiengebühren auch für MigrantInnen
  • keine Zulassungs-beschränkungen EU-weit
  • unabhängige Forschung und Lehre
  • Schluss mit prekären Dienstverhältnissen für Lehrende, Angestellte und ArbeiterInnen
  • mehr weibliche Lehrende
  • genug Studienplätze für alle
  • flexible und selbstbestimmte Studienpläne
  • Schluss mit dem Bologna-Prozess
  • eine Frauenquote in der Uni-Verwaltung

Es ist nicht nur der zu solchen Anlässen übliche Auflauf verschiedenster politischer Splitter-Gruppierungen (und damit ist ausdrücklich nicht die ÖH gemeint), die sich das Jahr über in von außen völlig undurchschaubaren Grabenkämpfen ergehen und jetzt vor allem durch perfekte Kampf-Reden und Agitationen auf sich aufmerksam machen. Nein, es sind tatsächlich viele "Normalos", denen die Zustände an der Uni nicht gefallen, und die die Politik von sich aus keine großen Anstalten machen sehen, das zu ändern. Es wäre ratsam, die nicht zu vergraulen. Dann kann das durchaus noch eine gute Zeit lang weitergehen mit dem Feuer auf den Unis.

Der besetzte Audimax an der Uni Wien

Radio FM4 / Markus Zachbauer

Wie geht's weiter?

Der normale Lehrbetrieb soll - wenn es nach den Studierenden im Audimax geht - auch am Dienstag, nach dem langen Wochenende, nicht weitergehen. Ob der Audimax bis dahin durchgehend besetzt bleibt ist noch nicht klar und wird ab morgen von Tag zu Tag entschieden. Heute will man jedenfalls wieder dort übernachten.