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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

24. 4. 2009 - 17:08

Nehmt uns ernst

Die Streichung von freien Tagen war der Auslöser für die heutigen Schülerdemos - ihr Grundtenor war ein anderer.

Warum eine Verweigerung der PISA-Studie durch SchülerInnenorganisationen kontraproduktiv ist. Artikel von Rafael Reisenhofer

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Es ist ein Tag voller Überraschungen. Zuerst ist die U-Bahn-Station Stephansplatz um 9 Uhr Früh so voll, dass ich zehn Minuten brauche, um mich nach draußen zu quetschen. Dort geht es aber auch nicht schneller: Nicht nur der Stephansplatz, auch die Seitengassen sind voll wie sonst nur am Silvesterabend. Tausende sind gekommen. Passanten und Touristen zeigen sich überrascht, teils amüsiert, die SchülerInnen selbst haben mit dem Andrang gerechnet. Mobilisiert haben nicht nur die Aktion Kritischer SchülerInnen (AKS) und die SJ, sondern vor allem die SchülerInnen einander: per SMS, E-Mail und Web.

Christoph Weiss

Überraschung Nummer zwei: Der Ernst, mit dem demonstriert wird. Nicht "Hurra es ist schulfrei, let's party", - die Teenager sind informiert, auch die 13jährigen und es geht nicht nur um die fünf freien Tage: "Es geht darum, dass die schulautonomen Tage für die Fortbildung der Lehrer da waren", erklärt mir ein Unterstufenschüler, "und jetzt streichen sie die erst. Jetzt werden erst wieder so viele Lehrer fehlen an den Tagen, und es werden erst wieder so viele Supplierstunden sein."

Radio FM4/Christoph Weiss

Mitspracherecht

Auf einem Transparent steht: "Ab 16 wählen - und trotzdem nicht dazuzählen", auf einem anderen: "Wer fragt uns?".
Die paar Idioten, die Knallkörper in die Menge werfen und Mistkübel anzünden, sehen vergleichsweise traurig aus. Just in dem Moment sehe ich einen etwa fünfzehnjährigen Jungen mit einem Schild, auf dem steht: "Sehen wir etwa unzurechnungsfähig aus?". Ich frage nach der Bedeutung. Er sagt: "Ich meine damit, dass wir in der Politik nie gefragt werden, so als wären wir unzurechnungsfähig und so, als hätten wir nichts zu tun. Aber wir sind die, die in Schule gehen - und haben zu Entscheidungen nie etwas zu sagen." Nicht "mehr freie Tage", sondern "mehr Mitsprache" ist der Grundtenor bei fast allen Gesprächen.

Und noch eine

Ich kämpfe mich zurück zur U-Bahn-Station, denn beim Parlament ist für 10 Uhr eine zweite Demo angesagt - auch hier Tausende, aufgerufen hat die ÖVP-nahe Schülerunion, die gerade den Bundesschulsprecher stellt, Nico Marchetti: "Der Zuspruch der Schülerinnen und Schüler ist ein Wahnsinn, ich bin einfach nur beeindruckt." - Ich frage nach dem Grund für die getrennten Demonstrationen von AKS und Schülerunion. "Die Bundeschülervertretung hat beschlossen, dass die Demo vor dem Parlament stattfindet, sie ist überfraktionell. Es tut uns leid, dass nicht alle hier sind, aber es gibt später eine gemeinsame Kundgebung vor dem Bildungsministerium." Auch Marchetti fordert im Interview mehr Mitspracherecht: "Wir haben in der ganzen Diskussion jetzt gemerkt, dass wir andauernd ignoriert werden."

Radio FM4/Christoph Weiss

Konkret wünscht sich der Bundesschulsprecher eine Stärkung des bereits bestehenden Schulgemeinschaftsausschusses, in dem Lehrer-, Schüler- und Elternvertreter gemeinsam den Alltag in den Schulen mitbestimmen können. "So etwas wollen wir auch auf Landes- und Bundesebene. Es steht auch im Regierungsübereinkommen, dass die Schulpartnerschaft auf Landes- und Bundesebene gestärkt werden soll."

Christoph Weiss

Unity

Überraschung drei: Die erste Demo vom Stephansplatz stößt schon früher zu der vor dem Parlament – jetzt ziehen 25.000 Schüler vereint los, viele sind glücklich über die Gemeinsamkeit, und die Lautstärke gleicht der in einem Fußballstadion. Es ist anzunehmen, dass ein Streik zigtausender SchülerInnen den politischen Entscheidungsträgern weniger Kopfzerbrechen bereitet, als ein Lehrerstreik. Aber die heutigen Demos zeigen, wie wenig SchülerInnen sich in Entscheidungsprozesse eingebunden fühlen, und wie nachdrücklich das heute sogar die unter-14jährigen einfordern.

Christoph Weiss

Falls da jemand behauptet, "die Jugend" würde weniger lesen und nur fernschauen oder in Videospielen herumballern, falls jemand mit diesen oder ähnlichen Vorurteilen die angebliche "Politikverdrossenheit" von Jugendlichen erklären will: Ich glaub das ja überhaupt nicht. Ich glaube, diese Generation liest mehr, vernetzt mehr und lässt sich weniger gefallen. Weiter so.

Heute im Jugendzimmer (19-20.15)

Die Schule von morgen
Claus Pirschner diskutiert angesichts des aktuellen Reformstreits mit SchülerInnnen im Studio und mit AnruferInnen über die Zukunft der Schule. Welche Änderungen erwarten sich SchülerInnen - Welche Reform erwarten sie sich, die beklagen, am wenigsten gehört zu werden, obwohl es sie am meisten betrifft?