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Markus Zachbauer

Bildung und Einbildung, die Herrscher der Welt. Lifelong Learning in der FM4 Internet-Redaktion.

30. 10. 2009 - 15:45

Wenn das schon utopisch ist...

Eigentlich stapeln die StudentInnen mit ihren Forderungen ganz schön tief.

Die Uniproteste auf FM4

"Ein gemeinsames Ziel im vollen Audimax auszuverhandeln ist ein hehrer und hoher Anspruch. Aber einfach ist das nicht." Das hab ich geschrieben, vor sechs Tagen. Eine Woche später kann man sagen: Das hat tatsächlich funktioniert. Und so unglaublich utopisch wie mancherorts getan wird, sind diese Forderungen nicht. Bei einigen davon könnten sich mit universitärem Alltag weniger vertraute Zeitgenossen sogar die Augen reiben und sich darüber wundern, dass das überhaupt gefordert werden muss.

Zum Beispiel?

  • Punkt 5: "Das Behindertengleichstellungsgesetz muss an allen österreichischen Universitäten umgesetzt werden, um ein barrierefreies Studieren zu ermöglichen."

Ein Gesetz soll umgesetzt werden? Unvorstellbar!

  • Punkt 7: "50% Frauenquote in allen Bereichen des universitären Personals."

Was die Chancengleichheit von Frauen betrifft ist Österreich ein Entwicklungsland. Das gilt auch für die Unis. Von den Studienabschlüssen entfallen über 55% auf Frauen. Bei den DissertantInnen sind es noch etwas über 40%, bei den Universitäts- und VertragsassistentInnen 33%, bei den Habilitierten mit Dienstverhältnis zur Universität 19%, Bei den ProfessorInnen 15% und bei den RektorInnen dann tatsächlich bemerkenswerte 0%. Die Zahlen stammen übrigens aus dem vom Wissenschaftsministerium herausgegebenen "Universitätsbericht 2008". Dort heißt es auch mit Verweis auf das Gleichstellungsgesetz: "Die Gleichstellung der Geschlechter an den Universitäten muss daher ein wesentliches Ziel der Reform der Universitäten bleiben." Noch so ein Gesetz also, das offensichtlich nicht ganz so perfekt umgesetzt wird. Ganz abgesehen von jedem Fairness-Gedanken und den handfesten negativen Auswirkungen die das auf die Biographien von tausenden Frauen hat: Dass fachlich qualifizierte Menschen bei der Bestellung in wichtige Funktionen aufgrund ihres Geschlechtes übergangen werden ist nichts anderes als unglaubliche Verschwendung. Das soll sich ändern? Undenkbar!

Die Großdemo der Studierenden am 28. Oktober in Wien

Radio FM4

  • Punkt 3: "Demokratisierung der Universitäten"

Was hier gefordert wird ist nicht mehr und nicht weniger (vor allem aber nicht mehr) als eine Umorganisation inneruniversitärer Entscheidungsstrukturen. Und nicht, dass es das noch nie gegeben hätte. Die meisten der geforderten Veränderungen entsprechen eigentlich nur dem Stand von 2002. Seitdem sind Studierende und der sogenannte "Mittelbau" in ihren Einflussmöglichkeiten dadurch stark eingeschränkt, dass die wichtigen Gremien der Universitäten zu 50% mit ProfessorInnen besetzt werden. Die Forderung nach Demokratisierung der Universitäten ist eine organisationsentwicklerische Maßnahme. Fast schon Science-Fiktion.

  • Punkt 2: "Freier Hochschulzugang"

Die Überschrift täuscht, denn die eigentliche Forderung versteckt sich hier im ersten Satz: "Freie Studienplätze für Alle und Abschaffung der Studiengebühren, auch für nicht-EU-BürgerInnen und Langzeitstudierende."
Im Moment zahlen gerade einmal etwa 20% der Studierenden Gebühren. Alle anderen sind entweder davon befreit oder fallen unter eine der vielen Ausnahmeregelungen. Abgesehen von den administrativen Kosten (dass man unter eine Ausnahmeregel fällt muss man natürlich nachweisen) ergibt das über den Daumen und großzügig gerechnet an allen österreichischen Universitäten in Summe 30 Millionen Euro an Einnahmen aus Studiengebühren. Das ist zweifelslos viel Geld, entspricht aber gerade einmal 1% der Summe, die das Wissenschaftsministerium jährlich an die Universitäten überweist. Also: Die Forderung nach dem Verzicht von 1% der Einnahmen. Unbezahlbar?

Scheinbar nicht ganz. Am Freitag gab der Wissenschaftsminister bekannt, dass er den Unis 34 Millionen aus einer "Notfall-Reserve" zur Verfügung stellen wird. Sofern diese "in den Hörsälen ankommen", wofür wiederum die Rektoren zuständig wären.

Wenn das schon utopisch ist...

Die Forderungen im Detail

Das Spiel könnte man weiterspielen. Das sei hiermit auch jedem und jeder ans Herz gelegt. Tatsache ist: Die Probleme in den allermeisten Forderungen liegen nicht darin, dass sie utopisch wären. Einige davon sind tatsächlich teuer. Manche von ihnen kosten schlicht und einfach nichts. Im Grunde geht es aber um nichts anderes als um die Frage, wozu Universitäten eigentlich da sind. Sind es Bildungs- oder Ausbildungsstätten? Und sind sie (nicht nur auf dem Papier) für alle zugänglich oder nur für eine limitierte Zahl von Interessierten? Auf politischer Ebene sind das durchaus ungeklärte Fragen.

Die Studierenden im besetzten Wiener Audimax und an den anderen Unis haben sich entschieden. Sie wollen eine Universität, die für alle offen ist, an der alle bei guten Bedingungen studieren können was sie wollen und die ihren Angestellten faire Aufstiegschancen und vernünftige Arbeitsbedingungen bietet. Dass das schon als Utopie daherkommt, sagt mehr über den wahren Zustand der österreichischen Unis als jede Meldung über überfüllte Hörsäle, Drop-Out-Quoten und Unirankings.