Erstellt am: 27. 10. 2009 - 20:31 Uhr
Protest in Selbstorgansiation
Die Uniproteste auf FM4
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- Malen nach Zahlen (21.10.2009)
- und alles im Überblick auf fm4.orf.at/uni
Seit sechs Tagen ist das Wiener Audimax nun schon besetzt. Wie es dort aussieht und was die Studierenden so treiben ist ja dank Livestream, , Twitter und Co. hinreichend bekannt. Mich hat aber interessiert, wie die Aufrechterhaltung und Organisation des Protests hinter den Kulissen funktioniert. Wo die Freiwilligen herkommen, was es alles zu tun gibt, was in den Töpfen und Vorratskammer der Volksküche so zu finden ist und wie man es schafft, dass hinterher auch alles wieder sauber ist. Deswegen war ich Dienstag Nachmittag auf der Wiener Hauptuni und habe mich umgesehen, wie die studentische Selbstorganisation funktioniert.
Das Orga-Team
In einem Nebenraum des Audimax hat das Organisationsteam sein Lager aufgeschlagen. Mehrere Arbeitsgruppen teilen sich den kleinen Raum: An einem Tisch werden Videos produziert, die später auf die Website unsereuni.at gestellt werden. In einem sichtgeschützen Eck schieben MedizinstudentInnen freiwillig Sanitätsdienst und betreuen allfällige Verletzte. Auch das Presseteam und die Koordination haben sich hier ein Büro aufgebaut.
FM4/Irmi Wutscher
Hier ein bewegter Blick hinter die Kulissen der Presseabteilung:
"Es gibt verschiedene Gruppen, in denen immer ungefähr zehn Leute mitarbeiten" erzählt Manon vom Presseteam "Wir haben eigentlich immer genügend Freiwillige, das funktioniert sehr gut." Auf die Frage, ob man abschätzen kann, wieviele Leute insgesamt mitmachen, meint Philip: "Wir haben knappe 60 Arbeitsgruppen, wenn man sich überlegt, dass zu jeder AG mindestens zwei Leute gehören, plus die ganze Presseorganisation plus die Leute, dies ich im Orgateam engagieren, würde ich sagen, dass bestimmt 400 - 500 Leute regelmäßig hier sind."
Die Vernetzung dieser Leute erfolgt über den Infopoint, einen Stand im Gang hinter dem Audimax. "Dort wird immer eine zuständige Person angegeben und so kann jede/r mit jedem/r kommunizieren." Es hängen auch Treffpunkte und Aufgabenbereiche der verschiedenen AGs aus "Das ist allerdings immer ein bisschen schwierig" meint Johannes, der gerade Dienst am Infopoint hat "Denn man weiß nie genau, gibt’s die AG wirklich noch. Aber wir versuchen, das so gut wie möglich zu koordinieren und für Leute, die neu kommen, Infos bereit zu stellen und deren Fragen zu beantworten."
FM4/Irmi Wutscher
Welche AGs und wieviele es wirklich gibt, ist eben schwer zu sagen ergänzt seine Kollegin Marlies. Die Palette reicht jedenfalls von Buttons basteln, Transparente malen, die Demos und Aktionen organisieren oder eben die inhaltlichen Gruppen. "Jetzt hat sich gerade eine gebildet, die finde ich sehr interessant, das ist die AG zur Umsetzung der Forderungen." Die hat anscheinend heute schon getagt.
Kamera & Schnitt: Alexandra Augustin (& Veronika Weidinger)
Die Volksküche
Eine der wohl beständigsten AGs ist die Volksküche, sie sorgt seit letzten Donnerstag für die Verpflegung der UnibesetzerInnen "Angefangen haben wir mit einem Einkaufswagen voll Popcorn, Mittlerweile haben wir vier Gaskocher, eine ziemlich gute Infrastruktur und ein eigenes Café," erklärt Steffi, die von Anfang an dabei ist. Zu Essen gibt es meist Eintöpfe oder Nudeln, es wird auf vegetarische bzw. vegane Zubereitung geachtet. "Das Essen ist großteils gespendet, es bringen eigentlich permanent Leute etwas vorbei, das kann sein Kuchen, Reis oder Gemüse. Außerdem wird gedumpstert, d.h. wir klappern die Hinterhöfe der Supermärkte nach brauchbaren Lebensmitteln ab, die sonst weggeworfen werden. Durch freiwillige Spenden haben wir uns jetzt eine eigene Kassa aufgebaut und gehen die nötigsten Sachen, die so nicht hereinkommen, auch einkaufen"
FM4/Irmi Wutscher
Als ich dort bin, werden gerade die letzten Reste von Gemüsespaghetti an eine hungrige Meute verteilt. Die Essenden geben durchwegs an, dass ihnen das von der Volksküche gekochte Mahl ausgezeichnet schmeckt. Und bis jetzt hat es auch immer für alle gereicht, meint Steffi, sie habe noch nie jemanden hungrig wegschicken müssen.
Auch beim klassischen WG-Streitfall Abwasch gibt es angeblich keine Probleme: "Jeder räumt seinen Mist selbst weg" meint Steffi "Eigenverantwortung ist das Credo."
Die IT
Was bei diesem Uniprotest besonders auffällt: die gute Kommunikation nach Außen. So haben zum Beispiel gestern an die 2.500 Menschen via Livestream den Vortrag von Christian Felber von ATTAC verfolgt. Ein Umstand, den die Damen und Herren von der IT-Arbeitsgruppe selbst eigentlich als gar nicht so weltbewegend einschätzen: "Im Großen und Ganzen war es keine große Hexerei" meint Thomas. "Es gibt eine Plattform, eine Kamera, einen Laptop und eine Internetverbindung. Man legt einen Account an und kann schon streamen."
FM4/Irmi Wutscher
Auch Leute zu finden, die freiwillig und unbezahlt - auch über Nacht - den Stream und die Website betreuen war bisher kein Problem, meint er: "Das hat sich bis jetzt ergeben, es waren immer genug Leute da die mithelfen wollen. Das hat an sich gepasst, wir hoffen, dass es so weitergeht." Grundsätzlich, muss man nicht IT-Experte sein, um in der Arbeitsgruppe mitzuhelfen "Es macht immer jeder, was er grad kann. So funktioniert das."
Vorbildwirkung?
Ein Umstand, der wohl für alle AGs gilt, die sich dieser Tage auf der Hauptuni vernetzen, etwas auf die Beine stellen und so ihren Beitrag zur Unibesetzung leisten. "Innerhalb jeder Gruppe kann jeder herkommen und sagen: ich kann was, ich hab was, ich möchte mitarbeiten." erzählt ein begeisterter Schüler, der schon von Anfang an dabei ist und gerade im Orga-Zimmer Tee trinkt. "Es funktioniert auf freiwilliger Basis, weil die Leute ein Ziel haben, weil sie eingebunden sind. Das ist etwas, was die Politik von dieser Sache lernen könnte."
FM4/Irmi Wutscher
Ob die Uni-Besetzung ein Vorbild für die Politik ist oder sein kann, sei jetzt einmal dahingestellt. Sie funktioniert jedenfalls bestens, auf Basis freiwilliger Selbstorganisation. Und es sieht auch nicht so aus, als würden die Freiwilligen wegbrechen. "Ich glaube nicht, dass die Unterstützung abflaut" meint Manon aus der Pressestelle "Müde sind wir alle, weil wir wirklich hart arbeiten, aber das würde ich nicht als generelle Ermüdung bezeichnen. Im Moment ist ein Ende der Besetzung nicht absehbar. Wir wollen sie auch auf alle Fälle noch weiterführen. Seit gestern spürt man noch mehr Motivation, weil jetzt langsam die Aktionen anstehen. Morgen ist die Großdemo, um 17 Uhr vor der Uni, und weitere Aktionen sind auch noch in Planung."