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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

31. 10. 2009 - 13:00

Was bringt der Bachelor?

Den Bachelor gibt es an einigen österreichischen Fakultäten bereits seit 2001. Trotzdem weiß niemand so genau, was der Abschluss eigentlich bedeutet und was man damit kann.

Die Uniproteste auf FM4

Ein Auslöser der derzeitigen Studentenproteste war unter anderem die Weigerung der Akademie der Bildenden Künste, auf das Bologna-System umzustellen. Ein Umstand, der eigentlich EU-weit beschlossene Sache und auf den meisten Universitäten Österreichs bereits Alltag ist.

Der dieser Tage viel diskutierte Bologna-Prozess ist ein Bildungsabkommen der EU-Mitgliedsstaaten, das vorsieht, bis zum Jahr 2010 in Europa ein einheitliches Hochschulwesen zu schaffen. Ein wesentliches Ziel ist, zweistufige Uni-Abschlüsse einzuführen, ähnlich dem Graduate/Undergraduate-System in den USA. In Europa besteht dieses System aus den Bachelor- und Master-Abschlüssen. 2001 wurden in Österreich die ersten Bachelor-Studiengänge eingeführt, begonnen wurde an der Uni Wien mit dem Sinologie-Studium, danach folgen die Publizistik, Übersetzen und Dolmetschen und die Soziologie.

Obwohl das System jetzt doch schon ein paar Jahre läuft und es eigentlich schon einige Bachelor-AbsolventInnen gibt, weiß man relativ wenig darüber, was ein Bachelor-Abschluss eigentlich ist und was man damit alles machen kann (bzw. können sollte). Interessant, wo doch eine der Forderungen der UnibesetzerInnen ist, über das neue Bologna-System erneut zu diskutieren. Kritikpunkte sind hier, dass der Bachelor zu verschult sei, und zu wenig Freiheiten in der Auswahl der Fächer biete.

AbbrecherInnen-Diplom?

Die Studierenden, die ich rund ums Audimax treffe wollen mir bezeichnenderweise zum Großteil keine Interviews zum Thema Bachelor geben. "Da kenn ich mich nicht aus, ich bin im Diplomstudium" ist die häufigste Antwort, die ich bekomme. Die wenigen, die selbst in einem Bachelorstudiengang sind, sind unzufrieden. "Zuwenig Freifächer" heißt es da, "zu verschult", aber auch "für den internationalen Austausch interessant, aber in Wien schlecht umgesetzt".

David Loibl, der die Erstesemestrigenberatung für den Bachelor Soziologie macht und auch selbst im Studium ist, kann dem Bachelor durchaus etwas Positives abgewinnen: "Leute, die Studieren, aber dann feststellen, eine große Arbeit zu schreiben und eine wissenschaftliche Karriere ist nicht das, was sie anstreben, haben dann für die investierte Zeit immerhin einen Bachelor." Das würde also bedeuten, dass der Bachelor für StudienabrecherInnen immerhin eine Art "Zwischenabschluss" ist. Ansonsten ist auch David Loibl eher skeptisch, was den Bachelor betrifft: "Durch die Aufteilung in Bachelor und Master kann einen Kontinuität im Aufbau von wissenschaftlichen Fähigkeiten nicht erreicht werden. Gleichzeitig ist der Bachelor auch keine Vorbereitung auf ein gewisses Berufsfeld. Es ist so eine Art Zwischenstufe und funktioniert nur so halb."

Die offizielle Seite

Was sagt also die offizielle Seite über den Bachelor Abschluss? "Die Bachelor-Studien haben im Grunde eine Doppelfunktion" sagt Arthur Mettinger, Vizerektor der Universität Wien und dort verantwortlich für die Einführung des Bachelor-Master-Systems. "Weil sie einerseits die Grundlage für weiterführende Studien sind, also Master und PhD, andererseits sollen sie auch die AbsolventInnen dazu befähigen, grundsätzlich am Arbeitsmarkt Chancen zu haben. Das heißt aber nicht, dass wir die Studien danach ausrichten, was der Arbeitsmarkt zu einem gewissen Zeitpunkt erfordert. Wir sehen das so, dass wir die AbsolventInnen befähigen, selbstständig ihren weiteren Bildungs- und Karriereweg zu gestalten." Neben Fachwissen und der Aneignung von wissenschaftlichen Methoden sind es also vor allem Organisationsfähigkeit und Selbstverantwortung, die Bachelors nach ihrem Abschluss mitbringen sollen. Bei der Konzeption der Bachelor-Studien wurde daher darauf geachtet, dass die Eingangsphase neu konzipiert wurde, sprich dass die alten Diplomstudiengänge nicht einfach zweigeteilt wurden.

Vorteile des internationalisierten Systems sieht Mettinger vor allem in der europaweiten Vergleichbarkeit der Abschlüsse. "Nach unseren Erfahrungen ist es tatsächlich so, dass es durch den ähnlichen Studienaufbau möglich ist, dass man hier in Wien ein Bachelor-Studium macht und sich dann ansieht: Wo in Europa gibt es interessante Masterprogramme, die da dazu passen? Und wenn ich mir die Situation ansehe, wie viele Studierende kommen für ein Master- oder PhD-Studium nach Wien, dann ist das eine laufend steigende Zahl, das heißt diese vertikale Mobilität ist ständig am Wachsen."
Auf die Frage, ob der Bachelor denn eine dezidierte Ausbildung für das Berufsleben sei, meint der Vizerektor: "Man darf nie vergessen, dass die Universitäten die Aufgabe haben wissenschaftliche Berufsvorbildung zu machen, und nicht Berufsausbildung. Das machen andere Bildungseinrichtungen in Österreich." Dennoch, meint Arthur Mettinger, hält das neue System die Möglichkeit bereit, nach dem Bachelor erst einmal ins Berufsleben einzusteigen und später dann den Master fortzusetzen.

Berufsleben

Aber wird der Bachelor im Berufsleben überhaupt anerkannt, als Qualifizierung oder als akademischer Abschluss? Wilfried Keck, Berufsberater der Wirtschaftskammer Wien meint: "Solche Dinge brauchen einfach Zeit, bis sie sich im Arbeitsmarkt integrieren. Die Debatte 'Was ist der Bachelor eigentlich wert?' ist berechtigt. Ernsthaftes Zahlenmaterial gibt es dazu noch überhaupt nicht" Diese Unsicherheit begegnet ihm auch immer wieder in seinem Beratungsalltag, so erzählt er, dass MaturantInnen mit dem Bachelor eigentlich gar nichts anfangen können und sehr viel Wert darauf legen einen "richtigen", sprich Magister- oder Diplomingenieurs-Abschluss zu haben.

Auf die Frage ob sich dieser neue akademische Abschluss auch auf Gehaltsstrukturen auswirken wird, meint er: "Was die Leute in Zukunft verdienen werden, wie der öffentliche Dienst reagiert, der bis jetzt ja sehr zurückhaltend ist, das wird man sehen. Ich glaube schon, dass die Anerkennung im öffentlichen Dienst ein wichtiges Signal wäre, wenn man den Bachelor wirklich haben will. Und offenbar wollen wir ihn, weil wir ja diese Bologna-Erklärung unterschrieben haben."
Auch Wilfried Keck meint, dass der Bachelor-Titel mit einem FH-Abschluss nicht zu vergleichen ist, und diese nicht ersetzen kann oder soll. Denn während die FHs gezielt Arbeitskräfte mit Praxisausbildung hervorbringen soll, hat eine Universität immer noch ganz andere Aufgaben: "Sie hat den Auftrag Wissen zu vermitteln und zu vermehren, und das sollte sich auch in den Studienplänen widerspiegeln. Man sollte also die Uni und die FH nicht in einen Topf werfen, vielmehr haben in einem ordentlich entwickelten Bildungssystem beide Platz."

Was der Bachelor im Berufsleben, aber auch im europäischen Unisystem wirklich bringen wird, das wird sich also erst in den nächsten Jahren zeigen. Die UnibesetzerInnen fordern jedenfalls weiterhin, dass das System - oder zumindest seine Art der Umsetzung - erneut diskutiert wird.