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23. 12. 2015 - 14:35

#rewind2015: Film- und Serienmomente

Was vom Kino- und Serienjahr 2015 übrig blieb: Die 5 persönlichen Highlights der FM4 FilmredakteurInnen.

Rewind 2015

Der FM4 Jahresrückblick

Petra Erdmann

"Foxcatcher"
Bennett Millers düsterste Dekonstruktion der US-Leistungsgesellschaft mit viel psychopathologischen Leibesübungen. Die unterkühlteste Szene in meinem Kinojahr 2015 zeigt das versteinerte Gesicht der dominanten Mutter des Milliardenerben John E. du Pont in der Tür zur Trainingshalle. Sie wendet sich angewidert von ihrem Sohn ab, als der verkappte Homosexuelle und Sponsor mit dem eigenen olympischen US-Wrestling-Team im Clinch liegt.

Foxcatcher

Festival de Cannes

"Mad Max: Fury Road"
Ein anderer Miller hat es mir 2015 auch angetan. Diesmal ist es der Australier George Miller. In einer minimalistischen Raserei erhebt sich eine Wüsten-Armada mit ihren eskapistischen Fratzen aus dem überfrachteten Action-Schema-F.

"Über die Jahre"
10 Jahre, die in drei Stunden, in der berührenden Langzeitbeobachtung des österreichischen Dokumentarfilmemachers Nikolaus Geyrhalter vorüberziehen. Ein sehr klares Manifest über den Verlust von Arbeit und die Unberechenbarkeit des post-industriellen Lebens im niederösterreichischen Waldviertel.

"The Look of Silence"
Und noch ein gewichtiger und aufwühlender Wirklichkeit-Transfer: Nach "The Act of Killing" lässt US-Regisseur Joshua Oppenheimer in seiner erschreckend intelligenten Geschichtsaufarbeitung den indonesischen Genozid der 60er bis ins Jetzt nachhallen.

"Carol"
Ja Mei: Melodram, Melancholie, Mode, Mara – ein Meisterwerk von Todd Haynes.

PS: Der US-Hipster-Serien-Markt hat mir auch heuer weiter nichts Weltoriginelles geliefert. Ich warte also weiter auf Season 3 der BBC-Dramaserie "The Fall" mit Gillian Andersons 50 Shades of Femininity.

Christian Fuchs

"Sicario"
Das Kinojahr 2015 gehört eigentlich den Kameramännern, betörenden Bildpoeten wie in diesem Fall der große Roger Deakins. Aber das schleichende Grenzkriegs-Drama war auch der einzige Film, der mich mit pochendem Herzen in den Kinosessel gedrückt hat.

Sicario

Constantin Film

"Ex Machina"
Die unglaubliche Berechenbarkeit männlicher Sexualität, verpackt in ein hypnotisches Science-Fiction-Kammerspiel, das von der nahen Zukunft träumt und die beklemmende Gegenwart auf den Punkt bringt.

"Mad Max: Fury Road"
So geht Spektakelkino hier und jetzt: Weg mit aufgesetzter Narration, die längst ins Serien-TV gehört. Dafür maximale Oberfläche. Und ein Subtext, der von starken Frauen erzählt, die sich mit starken Männern verbünden.

"Knight of Cups"
Der Film, den alle hassten und der mich am Persönlichsten berührte heuer. Existentielles Krisenkino als Bilderrausch, Lebensschmerz in pure Schönheit transformiert.

"Youth"
Es geht sich aus: Tragik und Humor, Pop und Poesie, Europa und Hollywood verschmelzen in einem herrlich größenwahnsinnigen Film. In diesem Sanatorium, wo die westliche Welt dekadent untergeht, träume ich auch, meine Pension zu verbringen.

Extra-Bonus-Serien-Moment: True Detective, 2. Staffel, Folge 8 "Omega Station"
Auch wenn einige Folgen davor schwächelten: Was dieses Finale in Kinolänge bietet, ist nichts weniger als die gesamte blutrot gefärbte Geschichte des Film Noir, komprimiert und kondensiert.

Pia Reiser

Der Soundtrack von "Birdman"
Der Film, der so tut, als würde Michael Keaton ohne Schnitt leicht manisch durch die Gänge eines Theaters laufen, lässt mich Anfang des Jahres begeistert aus den Latschen kippen. Vor allem wegen Antonio Sanchez' exzellentem Soundtrack. Ich kann seiter Michael Keaton in keinem Film mehr gehen sehen, ohne auf den Einsatz eines Schlagzeugs zu warten.

Die Grenzübertrittszene aus "Sicario"
Ich sitz am Rand des Kinosessels und auf Nadeln, hab auf das Kipferl in meiner Hand vergessen und starre gebannt auf die Leinwand. "Sicario" muss man schon alleine wegen dieser Szene gesehen haben. Emily Blunt begleitet Josh Brolin und den maulfaulen Benicio del Toro bei einem Einsatz in Mexiko. Legal ist der Einsatz nicht. Wie Denis Villeneuve hier Spannung inszeniert ist auch nicht mehr ganz legal.

Rooney Maras Gesicht in "Carol"
Ja, natürlich ist Cate Blanchett großartig. Aber Rooney Mara brilliert hier ebenso als Therese Bellivet, die schüchtern und furchtlos zugleich ist. Die Wandlung vom mädchenhaften Elfenwesen zur selbstbestimmten Frau (eine Wandlung, die sich auch herrlich in den Stirnfransen ablesen lässt), macht ihr so schnell keiner nach.

Rooney Mara in "Carol"

filmladen

Kirsten Dunst in "Fargo" (Season 2)
Ich hatte ein bisschen auf Kirsten Dunst vergessen, bis sie in der zweiten Staffel "Fargo" wöchentlich in meinem Wohnzimmer auftauchte. Als Midwestern-Friseurin mit großen Locken und noch größeren Träumen. Die werden natürlich zermalmt, wir sind schließlich im Coen-Brüder-Land, aber wie Dunst diese Peggy spielt, lässt mich hoffen, sie wieder viel öfter auf der Leinwand zu sehen.

"Mad Men" Serienfinale
Meine ewige Lieblingsserie ist zu Ende. Und hat selbst das, grandios gemeistert. Don Draper hat sich ins Auto gesetzt und ist losgefahren, dass man alles hinter sich lassen kann, erweist sich zwar als Illusion, aber doch findet sich zum ersten Mal ein ernst gemeintes Lächeln auf Drapers Gesicht. Und nur "Mad Men" kann völlig unzynisch Erleuchtung und einen Coca Cola Werbespot in einen hingelächelten Kausalzusammenhang bringen. Draper, Olsen, Menken, Ginsberg, Rizzo, Romano, Harris, ich vermiss eich jeden Tag.

Bonus: Phoenix in "A Very Murray Christmas"
Sofia Coppola führt ein Familienunternehmen, besetzt ihren Cousin Jason Schwartzman in dem Netflix Weihnachtsspecial und lässt die Band ihres Mannes Tomas Mars - Phoenix - ein vergessenes Beach Boys-Lied covern, das seither bei mir auf Repeat läuft.

Markus Keuschnigg

"Mad Max - Fury Road"
Kino als reine Kinetik, ein rhythmisch gnadenloser Peitschenritt durch das orangene Ödland. Exploitation und Avantgarde, zusammengeschweißt zum laut röhrenden existenzialistischen Meisterstück und letztgültiger Beweis, dass man es bei George Miller mit einem großen Meister des Gegenwartskinos zu tun hat.

"Crimson Peak"
Hier wird die “gothic romance” dermaßen überbordend mit neuem Lebenssaft versorgt, dass sich die Balken biegen. Guillermo del Toro’s beseelter Ausstattungsporno ist eines der großen Luststücke des heurigen Kinojahres. Weniger Horror als feistes historisches Melodram, bis ins hinterste Winkerl hinein angeräumt mit den schönsten Schaustücken aus del Toros schier unendlichem Gedächtnispalast. So geht Sinnenfest!

"Fast & Furious 7"
Noch einmal Hyperkinetik: Horror-Spezi James Wan treibt die tiefer gelegte, Testosteron-schwere Autoraser-Actionreihe über ihre eigenen Geschwindigkeitsgrenzen hinaus. Die mitunter besten Action-Sequenzen des Jahres treffen auf ein lustvoll aufspielendes, perfekt aufeinander eingespieltes Ensemble, das trotz allgegenwärtiger Vergnügungsgeilheit dem Kino-Jahr 2015 seinen bewegendsten Moment schenkt: Als am Ende der Flitzer des verstorbenen Paul Walker eine andere Abzweigung nimmt, dann kullern selbst dem härtesten Kerl ein paar Tränen über die Wangen. Ganz großes Drama!

"Alles steht Kopf"
Der mit Abstand beste Pixar-Film seit “Toy Story 3”: Fünf niedliche Grundemotionen kämpfen im Kopf einer Teenagerin um die Vormachtstellung. Atem beraubendes Coming of Age-Kino!

"It follows"
Noch einmal Coming of Age, aber anders: Indie-Regisseur David Robert Mitchell liefert den besten Horrorfilm des Jahres. Carpenter’scher Minimalismus für eine neue Generation.

Christoph Sepin

"Mülheim Texas, Helge Schneider hier und dort"
Eine Dokumentation über die Welt zwischen Genie und Clown und einen der größten deutschen Komiker, der uns aus der Badewanne heraus über sein Leben erzählt.

"Master of None"
Aziz Ansari betrachtet in der Serie mit staunenden Augen das Universum der Erwachsenen, zu dem er eigentlich gehören sollte. Eine Coming-of-Age-Story eines Zuspätkommenden.

"Star Wars Episode VII - The Force Awakens"
J.J. Abrams hat es geschafft: The Force Awakens kombiniert klassische Weltraumoper mit aktueller Lens-Flare-Düsterheit. Ein Star Wars-Film für Star Wars-Fans und Nostalgiker.

Vermummter Kämpfer mit Laserschwert

Disney

"Mistress America"
Eine herrliche Farce über die verlorene Generation, gefangen zwischen multimedialen Wettbewerbsgedanken und großstädtischem Fatalismus.

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"Undateable"
Adam Sztykiel führt das angestaubte Sitcom-Genre ad absurdum und inszeniert mit Undateable eine live ausgestrahlte und halb-improvisierte Klamauk-Comedy-Show mit liebenswerten Abziehbildcharakteren.