Erstellt am: 2. 12. 2015 - 11:18 Uhr
Männer, die auf Busen starren
Dieses luxuriöse Sanatorium in den Schweizer Alpen in "Youth"/"Ewige Jugend" könnte in all seiner pittoresken Aufgeräumtheit auch aus einem Wes-Anderson-Film stammen. Dann aber würden wohl nicht Michael Caine und Harvey Keitel sich über ihre kargen täglichen Urinmengen unterhalten und weniger Nacktheit vorherrschen. Schlammpackungen, Whirlpool, Massagen, gesunde Mahlzeiten: Der Hollywood-Regisseur, der seinen nächsten Film vorbereitet (Keitel) und der Komponist (Caine) erleben die gepflegte Langeweile, die in derartigen Institutionen (und in der Schweiz im Speziellen) nun mal vorherrscht.
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Vielleicht nur konsequent, dass sich auch "Youth" den Vorwurf der Langeweile gefallen lassen muss. Kann etwas aufgeblasen und doch luftleer sein? "Youth" sagt Ja. Regisseur Paolo Sorrentino liebt die großen Themen und die großen Bilder: Unzählige Male rückt er im Pool treibende Pensionistenkörper ins Bild, malerisch umrahmt der Saunadampf die reichen Schwitzenden, mit melancholischen Blick lehnt der ältere nackte Mann sich an die opulente Stofftapete und sieht dem jungen Mädchen nach, das sein Hotelzimmer verlässt. In den vielleicht nachhallendsten Szenen gibt es keinen Dialog und der Film erzählt von den unentrinnbaren Tücken, die Körper an sich und das Alter im Speziellen mit sich bringen: Die makellose, blutjunge Masseurin des Hotels mit der fast überlebensgroßen Zahnspange, Miss Universe mit der Fieberblase, der kugelrunde Ex-Fußballer mit dem Marx-Tattoo am Rücken (Roly Serrano ähnelt Diego Maradona mehr als Maradona selbst).
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Sorrentino malt opulent mit Öl auf Kinoleinwand und bemüht sich um das, was mangels schönerer Worte oder mangelndem Einfallsreichtum oft Poesie oder Magie genannt wird. Bei "Youth" will allerdings kein Zauber vom Zauberbergartigen-Idyll auf der Leinwand überspringen. Die schwer symbolischen Kopfgeburten ersticken in Manierismus und Bemühtheit. Als eine weiß geschminkte Frau auf einer sich drehenden Bühne steht und Riesenseifenblasen formt, da reden wohl dann auch hartgesottenen Cirque-du-Soleil-Fans vom krampfhaften Bemühen um einen Moment Magie. Ja und irgendwann schwebt auch noch ein tibetischer Mönch über Schweizer Weideland.
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Narzisstische testosteronige Nabelbeschau gehört zum Kino von Paolo Sorrentino; in "Youth" gesellt sich die Frage dazu, wie sehr man sich als Künstler von seinem Werk definieren lässt. Der Komponist wird von allen für etwas geschätzt, was Jahrzehnte her ist, der Regisseur arbeitet verbissen an einem angemessenen Alterswerk und wird von Jane Fonda - die wirkt wie aus einem Almodovar-Film ausgeliehen - die Leviten gelesen bekommen. Paul Dano - mit süffisantem Oberlippenbart - gibt einen Schauspieler, der wohl einen Hauch Johnny Depp in sich trägt - der sich mit allerlei Ringen und Hüten über seine weitere Rollenwahl den Kopf zerbricht und die Entscheidung bereut, einmal in einer großen TschingBumm-Produktion mitgespielt zu haben. Einmal Mr Robot, immer Mr Robot. Seine wertvollen Arthouse-Filme hat niemand gesehen.
Und so redet man in "Youth" über das schwindende Gedächtnis, die Flüchtigkeit der Jugend, die Frauen, mit denen man leider nie geschlafen hat und die Stoffwechsel-Wehwehchen. Eventuell hat Sorrentino, der auch das Drehbuch geschrieben hat, eine Glückskeksfabrik überfallen und die kleinen Binsenweisheiten alle in "Youth" untergebracht, so hört sich das zumindest die meiste Zeit an. Wenn der in sich ruhende Komponist und der im Inneren wuselige Schauspieler über Schweizer Wiesen spazieren und großsuprig und klugscheißerisch Novalis zitieren, dann wird auch dem letzten Bildungsbürger im Kino ein bisschen blümerant.
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"Ewige Jugend" läuft seit 27. November 2015 in den österreichischen Kinos
Frauen sind in diesem dezenten Fiebertraum von Macho-Rentnern hauptsächlich Ideen, Traumgestalten, Musen. Filme bloß über ihre Darstellung von Frauen zu verorten ist weder interessant noch zielführend, wenn aber Caine und Keitel im Außenpool sitzen und geifernd auf den Busen der Miss Universe starren, die nackt in den Pool steigt, dann ist das fast eine zu plakative Sichtbarmachung von dem, was Laura Mulvey als den "male gaze" definiert hat, der im Kino vorherrscht.
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Michael Caine hat noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er auch mal in mieseren Filmen mitgespielt hat: Die Rechtfertigung für seine Rolle in "Jaws 4" war, dass ihm die Gage ein wunderschönes Haus eingebracht hat. Hoffentlich hat ihm Sorrentinos Feelgood-Arthouse Film "Youth" auch irgendetwas Herrliches finanziert.