Erstellt am: 17. 12. 2015 - 14:44 Uhr
Star was? Star Wars!
Als ich unlängst mehr zufällig denn geplant Fifty Shades of Grey gesehen habe, hat sich in meinem Hirn nichts getan - wie auch! -, mein Bauchgefühl dem gegenwärtigen Kino gegenüber wurde hingegen beeinflusst. Im durchaus positiven Sinn. Denn dass die Twilight-Fan-Fiction einer Amateur-Schreiberin mittleren Alters, die der Stephenie Meyer-Schnulze einen kinky Keller hinzufügt, in dem dann eben Edward Cullen seine Bella Swan nicht streichelt, sondern auspeitscht, zu einem solchen Welterfolg wird, ist einfach zu schön, um wahr zu sein.
Die Popkultur befindet sich seit mehr als einem Jahrzehnt in einem gewaltigen Echoraum voller Feedback-Kammern, in denen sich der vormals lediglich abgefütterte Fan in einem konstanten Dialog mit den Mächtigen der Kulturindustrie befindet und letztere eben streckenweise gar kapern kann.
Reboots are made for walkin'!
Ich möchte jetzt den biederen und ausgesprochen langweiligen Softerotikfilm um Himmels Willen nicht mit dem popkulturellen Schlüssel-Mythos Star Wars in Verbindung bringen. Dennoch hatte ich während Star Wars Episode VII - The Force Awakens das Gefühl, dass da vergleichbare Kräfte am Werk sind. Jene Fan-Choräle nämlich, die George Lucas’ beherzte, kolossal gescheiterte Vorgeschichten-Trilogie dermaßen hasserfüllt in Grund und Boden verdammt und damit den Schöpfer ihres Sakrosanktums gleich mit abgeschafft haben, einer Meuterei gleich. An seiner Stelle - und bei allen Vorwürfen hat Lucas immer sehr persönlich, fast schon intim funktioniert als Künstler - hat der Disney-Konzern jetzt einen Pantheon der neuen Spektakelfilm-Götter installiert. Neo-Spielberg J.J. Abrams gehört ebenso dazu wie Gareth Edwards, der mit seinem Godzilla unlängst bewiesen hat, dass man mit der Geschichte eines Riesenmonsters tatsächlich auch gewaltig langweilen kann.
Abrams ist einer der talentiertesten Reboot-Künstler Hollywoods. Er hat Mission: Impossible ebenso neu aufgesetzt wie, ungleich spektakulärer, den Star Trek-Mythos. Es spricht Bände, dass er vom einen Science-Fiction-Franchise mühelos ins nächste springen kann und jetzt also auch den ersten Post-Lucas Star Wars-Film inszenieren durfte. Das Erwachen der Macht ist Kino nach der Feedback-Schleife und das ist eine insgesamt ziemlich feiste Sache.
Disney
Rey, Finn & Poe
Dreißig Jahre nach der Vernichtung des Imperiums in Die Rückkehr der Jedi-Ritter liegen die Sternenzerstörer und AT-ATs wie riesenhaftes Kinderspielzeug in den unendlichen Wüstendünen von Jakka. Ein neuer Planet, der damit ins Star Wars-Universum eingespeist wird, aber eben auch einer, der aussieht wie Tatooine aka die Heimat von Anakin und Luke Skywalker aka der Ort, an dem alles begonnen hat.
In den ausgeschlachteten Trümmern der vom Himmel gefallenen Maschinen sucht die junge Rey (Daisy Ridley) nach verwertbarem Schrott. Eine Figur, die, ganz grob gesprochen, wie ein Zusammenzug aus Luke Skywalker und Han Solo angelegt ist. Nach außen eine goscherte, selbstbewusste Einzelkämpferin, nach innen zutiefst spirituell, ohne es zu erahnen.
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Andernorts reißt sich ein Storm Trooper seinen Helm von Kopf und Gesicht, nachdem ein Kamerad bei einem Angriff auf Jakka tödlich verwundet wurde und ihm mit drei Fingern eine Blutspur auf den glänzend-weißen, ikonischen Helm malt. Darunter das Gesicht eines jungen Mannes (John Boyega), voller Angst, da er jetzt, wo er mitten im Wahnsinn steht, bemerkt hat, dass er nicht töten kann, nicht kämpfen will. Er ist, wie alle Strom Trooper vor ihm, nur eine kleine Nummer in der Kriegsmaschine: FN 2187. Als er gemeinsam mit dem halsbrecherischen Piloten Poe Dameron (Oscar Isaac) - Carrie Fisher nennt ihn in diesem großartigen Video von der Star Wars-Premiere Poe Decameron! - fliehen kann, gibt der ihm den Namen Finn.
Han, Leia & Luke
Alles in diesen ersten dreißig Minuten kitzelt das Nostalgie-Zentrum: Abrams hat Das Erwachen der Macht ästhetisch, inhaltlich und vom dramaturgischen Flow her so nah an die verehrte Original-Trilogie heran inszeniert, dass man bisweilen meint, in einem Remake von Eine neue Hoffnung zu hocken. Dutzende Elemente daraus spiegeln sich in Das Erwachen der Macht: der Droid, der eine geheime Karte mit den Koordinaten von Luke Skywalkers Versteck in sich trägt und damit ein Wissen, das entweder dem "First Order" - wie das Imperium, nur ohne Imperator - oder aber den Rebellen den entscheidenden Vorteil bringen kann. Die Todesstern-artige Starkiller Base (Luke Starkiller war Skywalkers Name in frühen Drehbuchfassungen von „Eine neue Hoffnung“), die mit getankter Sonnenenergie ganze Planeten vernichtet.
Und dann natürlich die Figuren selbst, die modelliert sind auf jener Charakter-Konstellation, die diese Filmreihe erst zu so einem Erfolg gemacht hat. Im Besonderen die frischen Gesichter schlagen sich famos durch diesen schon Monate zuvor komplett überhitzten Franchise-Bomber: Daisy Ridley und John Boyega spielen so, als wäre das der erste Star Wars-Film überhaupt, komplett unbelastet von der Legende und dem Vermächtnis. Die Chemie zwischen den beiden mit unter anderem vom großen Lawrence Kasdan mitgeschriebenen Schlagabtäuschen erinnert nicht zuletzt an die lakonischen, lässigen Ping Pong-Dialoge zwischen Prinzessin Leia und Han Solo.
Apropos: Von der klassischen Besetzung greift Harrison Ford die größte Rolle ab. Sein Schmuggler-Strizzi hat nichts vom Schmäh verloren, wirkt allerdings altersentsprechend verlangsamt, was man von Chewbacca nicht behaupten kann. Überhaupt muss man sich an neue Stimmfärbungen gewöhnen: Fords männliches Timbre ist einem großväterlichen Brummen gewichen, bei Carrie Fisher ist die dunkle Frauenstimme einem vermutlich nicht zuletzt vom diversen Substanz-Missbrauch rauchigen Ton gewichen: very soulful!
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Von Menschen und Monstern
Zu sagen, Abrams habe nur Altes ins Neue geschleppt greift aber zu kurz: Denn Das Erwachen der Macht hat einen bemerkenswert post-klassischen Schubantrieb, eine Lust darauf, Konstanten aufzuweichen und neu auszulegen, der George Lucas ferner nicht sein könnte, weshalb dessen Filme auch ausgesehen haben wie in Aspik eingelegt. Das schlagendste Beispiel dafür ist sicherlich die thematische Idee der Demaskierung, die eben nicht nur ein kleines Anekdötchen in diesem Universum ist, sondern eigentlich ungeheuerlich. Die gesamte klassische Trilogie über war das Böse etwas Verstecktes, etwas ohne jedwede menschliche Komponente. Der Imperator als basslastig Befehle ausstoßende Kreatur in schwarzem Umhang, Darth Vader als mechanisch schnaufende Mensch-Maschine, dessen verbliebene Körperlichkeit immer nur kurz zu sehen ist.
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In Das Erwachen der Macht gehört das Ablegen der Masken zum Konzept. Schon am Beginn, als einer von hunderten uniformierten Storm Troopers dazu ansetzt, sich den Helm vom Kopf zu nehmen, bekommt man Gänsehaut. Und dann wahrlich: ein Gesicht. Ein Mensch.
Beim Schurken Kylo Ren (Adam Driver) fällt es noch gewaltiger ins Gewicht, als er seine Maske vom Gesicht nimmt. Das Böse ist in der klassischen Star Wars-Trilogie vielleicht immer menschen-ähnlicher geworden (mit dem Kampf zwischen Luke, Vader und dem Imperator in Die Rückkehr der Jedi-Ritter als Höhepunkt), Abrams aber lässt seine Fascho-Monster gleich im ersten Film einer neuen Trilogie nahbar werden. Vielleicht liegt es auch daran, dass das einzige, was an Das Erwachen der Macht nicht so gut funktioniert, eben die dunkle Seite ist. Die Schurken sind nicht schlecht, aber meilenweit entfernt von einem Vader oder einem Darth Maul.
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Insgesamt tut Star Wars die Abrams-Kur sehr gut. Es ist schön zu sehen, wie selbstverständlich er mit all den Teilstücken dieses Universums umgeht, wie unverschämt er streckenweise ist, bei gleichzeitiger, omnipräsenter Huldigung von Lucas’ künstlerischem Erbe. The Force is strong with this one. Und ja, ich bin bereit für die Episode VIII!