Erstellt am: 22. 4. 2015 - 10:19 Uhr
Der Geist in der Maschine
Etwas pathetisch gesprochen könnte man den Mann als Visionär bezeichnen, als Genre-Erneuerer und Entertainment-Innovator. Oder einfach als cleveren Trendsetter, der ein Gespür für den Puls der Zeit besitzt. Wahrscheinlich ist der britische Schriftsteller und Regisseur Alex Garland eine Mischung aus alledem.
Gleich sein Debütroman „The Beach“ trifft 1996 den Nerv einer Generation. Garland, der in jungen Jahren grelle Filmeinfüsse ebenso aufsaugt wie den Postpunk der Achtziger, die Raveolution der Neunziger oder die frühe Videogame-Kultur, packt alle seine Einflüsse in eine Travellergeschichte über eine geheimnisvolle Insel in Thailand. Danny Boyle verwandelt den düsteren Rucksacktouristen-Thriller, der letztlich vom Zerfall subkuktureller Idyllen erzählt, in einen erfolgreichen, aber aalglatten Mainstreamfilm.
Dafür haben es die weiteren Zusammenarbeiten von Autor und Regisseur in sich. Mit dem Zombieschocker „28 Days Later“ und dem Weltraum-Epos „Sunshine“ gelingen Garland und Boyle meisterliche Genrebeiträge, in denen das pessimistische Weltbild der Drehbücher ungefiltert seinen Weg auf die Leinwand findet, stilistisch epochal verpackt.
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Science-Fiction-Kino der ganz anderen Art
Alex Garland vernachlässigt in Folge seine literarische Karriere etwas und entwickelt sich zum gefragten Skriptschreiber für dräuende Apokalypsen. Den von erdrückender Melancholie beherrschten Bestseller „Never Let Me Go“ adaptiert er kongenial für das Kino, mit dem dystopischen Actionkracher „Dredd“, der leider an den Kassen floppt, setzt er der britischen Hardboiled-Comic-Tradition ein Denkmal, daneben kreiert er auch für Computerspiel-Firmen dunkle Szenarien der Vernichtung.
Mit knapp 45 Jahren legt das Multitalent Garland jetzt sein Regiedebüt vor und toppt damit sein bisheriges Schaffen. „Ex Machina“ zeigt, dass es immer auch ein von bohrenden Fragen gequältes Science-Fiction-Kino abseits herumflitzender Raumschiffe und Lasergefechte gab. Vor allem an Klassiker aus den siebziger Jahren knüpft der Brite an, in denen der Blick auf utopische Verheißungen zerrissen und zweifelhaft wirkte. Gleichzeitig präsentiert sich „Ex Machina“ formal bestechend gegenwärtig, inklusive brillanten Spezialeffekten, deren Eleganz atemberaubend anmutet.
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Der Computer als Supermodel
Bluebook nennt sich die größte Suchmaschine der Welt in einer unbestimmten, aber sehr nahen Zukunft. Als der nerdige Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) einen firmeninternen Wettbewerb gewinnt, könnte seine Aufregung nicht größer sein. Eine Woche wird er nämlich auf das abgeschirmte Anwesen des Konzerngründers mitten in den Bergen eingeladen und darf dort mit dem großen Boss persönlich Zeit verbringen.
Aber der Bluebook-Chef Nathan (Oscar Isaac) hat mit Caleb mehr als nur belanglose Plaudereien vor. Der äußerst selbstbewusste Internet-Milliardär stellt dem kleinen Angestellten sein größtes Projekt vor, eine Maschine, die auf dem Weg zum selbstständigen Denken ist. In sieben Tagen soll Caleb herausfinden, ob der Roboter tatsächlich künstliche Intelligenz besitzt. „Ex Machina“ entpuppt sich aber nicht bloß als verbales Duell zwischen Menschen und Maschinen. Der Android Ava (Alicia Vikander) hat das Gesicht und die Körperformen eines Supermodels.
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Futuristisches Kammerspiel
Caleb ist irritiert und betört von den täglichen Begegnungen mit dem schönsten Computer des Planeten. Während er dem artifiziellem Charme seines geisterhaften Gegenübers schnell verfällt, versucht der gerissene Manipulator Nathan aus der Versuchsanordnung ganz eigenes Kapital zu schlagen. Sehr bald wird klar, dass Alex Garland noch mehr als Maschinen der menschlichen Interaktion misstraut, das sich zuspitzende Szenario erinnert an die Eskalation am Traumstrand in „The Beach“ oder an Bord des Rettungsraumschiffs in „Sunshine“.
Drei Schlüsselcharaktere, ein Schauplatz, lange und ausgefeilte Dialoge: „Ex Machina“ ist tatsächlich die Antithese zu lautstark krachenden Sci-Fi-Blockbustern. Wer aber einen spröden wissenschaftlichen Exkurs befürchtet oder gar eine Art verfilmtes Theaterstück, darf sich beruhigt in den Kinosessel zurücklehnen. Garland legt seinen Einstieg als Regisseur als fesselnden Psychothriller an, als Gesamtkunstwerk aus hypnotischen Bildern, umwerfendem Design und einem pulsierenden Postrock-Electro-Soundtrack, komponiert von Portishead-Mastermind Geoff Barrow.
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Mit Domhnall Gleeson und Oscar Isaac stellt er dabei zwei der großartigsten Shootingstars (beide auch im kommenden „Star Wars“ Spektakel zu sehen) der faszinierenden schwedischen Jungdarstellerin Alicia Vikander gegenüber. Perfekt besetzt, blitzgescheit, spannend und audiovisuell überwältigend kommt dieses futuristische Kammerspiel daher. Man muss Alex Garland dann doch einen Visionär nennen.