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Petra Erdmann

Im Kino und auf Filmfestivals

6. 11. 2015 - 17:43

"The Look of Silence"

Das Schweigen über den Genozid in Indonesien findet ein halbes Jahrhundert danach eine beklemmende Fortsetzung - in Form einer Doku.

Seine bohrende Geschichtsbetrachtung hat Regisseur Joshua Oppenheimer in Indonesien mittlerweile Einreiseverbot eingebracht. Sein Protagonist Adi Rukun musste nach den Dreharbeiten mit seiner Familie aus Angst vor Rache sein Heimatdorf verlassen und lebt seitdem an einem unbekannten Ort. Im Abspann von "The Look of Silence" sind Werner Herzog und Errol Morris ("The Unknown Known") als ausführende Produzenten genannt. Der Großteil der Filmcrew bleibt anonym gelistet.

"The Look of Silence" läuft derzeit im Wiener Gartenbaukino, im Grazer KIZ RoyalKino, im Moviemento in Linz und im Volkskino in Klagenfurt.

"The Look of Silence" scheint gefährlich wirksam. In dem Film reist der Optiker Adi Rukun von Haus zu Haus. Adi blickt in die Augen einer mittlerweile greisen Täter-Generation und befragt diese nach ihren Verbrechen, nach einem Tabu.

Polyfilm

Fünfzig Jahre nach dem Völkermord an rund einer Million Menschen durch indonesische (Para-)Militärs hatte Regisseur Joshua Oppenheimer schon ins seinem Vorgängerfilm "The Act of Killing“ eine Hand voll Täter dazu gebracht, ihre Schandtaten vor der Kamera in sadistische Reenactments zu verwandeln.

Der bizarre und erschreckende Film von 2012 dokumentierte, was auch die aktuelle Regierung in Jakarta weiter leugnet und verdrängt. Noch sind Verantwortliche des Massakers von gestern die Machthaber von heute.

Der Texaner versteht Film als Intervention: Wenn die Killer bereit sind, ihre Grausamkeit wie in einem campen B-Movie szenisch wieder aufzuführen, dann werden sie sich unweigerlich mit der eigenen Schuld konfrontiert sehen.

Bis heute müssen in vielen Plantagendörfern in Nordsumatra die Opfer unter Todesangst mit ihren Mördern Tür an Tür leben. Die Mörder empfinden keine Scham oder Reue. Sie haben ihren Nachbarn die Hoden abgeschnitten, ihr Blut getrunken und sie verbluten lassen. Derart qualvoll wurde Ramli, der Bruder von Adi Rukun, 1965 ermordet.

"Ramlis Tod können viele bezeugen", sagt Joshua Oppenheimer, der auch wissenschaftlich am "Genocide and Genre"-Projekt des britischen Arts & Humanities Research Council mitarbeitet. "Die Tat kann man nicht leugnen. Die Überlebenden werden bis heute von indonesischen Armeemitgliedern bedroht. Die Opfer und ihre Hinterbliebenen können ihre traumatischen Erlebnisse und ihre Angst nicht offen aussprechen."



"The Look of Silence" ist ein stiller, diskursiver Film und vielleicht deshalb um einen Zacken beunruhigender als "The Act of Killing". Die Perversion angesichts des Zusammenlebens aller Beteiligten offenbart sich in unfassbaren Dialogsituationen und schreckstarren Gesichtern. An dieser Stelle bekommt das Schweigen sein unfassbares Gewicht. Dort, wo auch die nächste Generation keine Chance auf Aufarbeitung, Vergebung und Versöhnung bekommt, dort hallen die mörderischen Schreckensjahre noch immer zu leise nach.

Tickets gewinnen

Am Mittwoch, den 11. November, wird Regisseur Joshua Oppenheimer nach der Vorführung von "The Look of Silence" (Beginn: 20 Uhr) im Gartenbau Kino in Wien dem Publikum via Skype Rede und Antwort stehen.

Wir verlosen hier auf fm4.ORF.at 20x2 Karten für diese Vorstellung. Schickt uns ein Mail mit eurem Namen an game.fm4@orf.at. Einsendeschluss ist Dienstag, der 10. November, um 16 Uhr.