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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

29. 12. 2013 - 11:11

Große Werke, kleine Filme

Ganze Alben, viele Musikvideos und erneut der Indiepop bildeten die erfolgreiche Dreifaltigkeit unserer Szene. Die Rückschau auf das österreichische Musikjahr 2013.

Rewind 2013

Der FM4 Jahresrückblick

Letztes Jahr habe ich an dieser Stelle geschrieben:

"Wer geglaubt hat, dass der gute, alte Indiepop schon tot ist, dem hat 2012 das Gegenteil bewiesen. Zumindest hier in Österreich."

Zwölf Monate später gilt für das auslaufende Musikjahr dieser Satz eigentlich genau so. Denn die damalige Vorahnung, dass die Oberösterreicher Catastrophe & Cure mit ihrem Album "Like Crazy Doves" einen kleinen Geniestreich abgeliefert haben, hat sich dieses Jahr bestätigt. Sie wurden mit dem FM4 Award 2013 beim Amadeus ausgezeichnet und haben ihre bis dato erfolgreichsten Monate mit einer wundervollen FM4 Radiosession abgeschlossen.

Dieses Beispiel zeigt gleich auf mehreren Ebenen, dass die österreichische Szene vielleicht anders tickt, als die globale Musikindustrie, wobei diese immer mehr auf unseren fruchtbaren, ertragreichen Musikboden aufmerksam wird. Wie das so gekommen ist? Ich hätte da ein paar Ideen dazu.

Das Musikalbum

Gleich zu Beginn hat die österreichische Schauspielerin, Musikerin und Sängerin Monica Reyes mit ihrem Debüt "Schmusen" mehr als nur ein Lippenbekenntnis für das Album als künstlerisches Gesamtwerk abgeliefert. Mit viel Wortwitz und musikalischem Charme hat sie uns bewiesen, dass man Popsongs mit unterschiedlicher inhaltlicher Gewichtung zu einem stringenten, stimmigen Ganzen zusammenführen kann, ohne gekünstelt oder aufgesetzt ein großes Konzept heraufbeschwören zu müssen.

Albumcover Francis International Airport "Cache"

Patrick Anthofer/Francis International Airport

Dieses Bild bestätigt wenig später einer der wohl besten heimischen Bands mit ihrem neuen Werk "Cache". Denn damit haben Francis International Airport einen ganz großen, international konkurrenzfähigen Wurf gelandet. Alleine die ersten krautrockigen Minuten der ersten Single "The Right Ones" lassen bei mir das Gefühl entstehen, hier das beste Album des Jahres zu hören. Bei allem Ideenreichtum der Platte, die sich in sehr unterschiedlichen Songs widerspiegelt, wirkt dieses Meisterwerk wie aus einem Guss, als erzähle es eine epochale Geschichte, die musikalisch nicht selten in die nähere Vergangenheit der 1980er Jahre verweist.

Hella Comet Albumcover "Wild Honey"

Hella Comet

Doch vor ein paar Wochen hat eine Grazer Noisepopformation den Podestplatz von Francis International Airport für das eine, beste Album streitig gemacht. "Wild Honey" von der Steirer Band Hella Comet überrascht mit einer gehörigen Portion gut dosiertem Popappeal, der mit verzerrten Gitarrenwänden, Shoegaze-Elementen, gehauchtem Gesang und mehrstimmigen Chören verschmilzt. Und es ist wieder eines der Gesamtkunstwerke, bei dem von der ersten bis zur letzten Minute alles stimmt. Keine großen Längen, die einen abdriften lassen, viel Abwechslung und ein ausgewogener, perfektionierter Sound, der hohen Wiedererkennungswert besitzt.

Velojet Albumcover "Panorama"

Schönwetter Schallplatten

Und weil es dieses Jahr viel um Indiepop gegangen ist, darf hier die Erwähnung von Velojet nicht fehlen. Die Band um Sänger und Songschreiber Rene Mühlberger liefert nämlich mit "Panorama" ihr bisher bestes, spannendstes und innovativstes Album ab. Ebenfalls sehr episch geht es auf "We Colour The Night" zu, dem Debüt von Farewell Dear Ghost, unserem Soundparkact des Monats November. Sänger und Gitarrist Paul Plut ist Album-mäßig gleich zweimal vertreten. Einerseits mit dem irrwitzigen Duo Viech, das ein wundervoll erfrischendes, skurril-poetisches Werk eingespielt habt. Und andererseits mit dem brachialen Zweimannprojekt Marta, deren Debüt "Warships" herrlich verstört und berauschend amüsiert. Was Kohärenz und Stämmigkeit auf Albumlänge betrifft, haben Lehnen und The Who The What The Yeah ebenfalls deutlich gemacht, dass dieses Format noch lange nicht ausgestorben ist, sondern sich vielmehr wieder zu einer spannenden Spielwiese für künstlerische Verwirklichung entwickelt hat.

Elektronische "Ausreisser" aus dem Indiepop-dominierten Albumreigen waren für mich das unterkühlt-lässige Werk von HVOb, sowie die erzählerisch angelegte, musikalische Partynacht von Maur Due & Lichter, wobei gerade letztere ein größeres Konzept sehr unaufgeregt und elegant umgesetzt haben.

Das Musikvideo

Klar, die sozialen Plattformen, auf denen sich alles in Lichtgeschwindigkeit verbreitet, dürften wohl Dreh- und Angelpunkt für die Flut an neuen Musikvideos sein. Und ganz egal, ob mit wenig finanziellen Mitteln oder ob mit professioneller Crew, die Ideen und vielfältigen Umsetzungen waren 2013 wirklich überwältigend.

Alleine dieses Jahr habe ich (trotz einer sommerlichen Pause) fünfzehn Geschichten geschrieben, in denen ich meist vier bis fünf neue Musikvideos aus Österreich vorgestellt habe. Angefangen von ekstatischem Tanz am Kinderspielplatz für Toleranz bis zu dem Gospel der Revolution für die kritische Masse reichte die Bandbreite an visuellen Umsetzungen vom animierten Puppenvideo von Cardiochaos über Heimaufnahmen von unheimlichen Kinderspielen von Suqalloscope bis zu dem groß angelegtem Musikkino von Garish, dem ersten Lebenszeichen nach vielen Jahren und gleichzeitigem Vorbote auf das 2014 kommenden Album "Trumpf".

Eine Band, die vor allem durch ihre Videos für Aufregung dieses Jahr gesorgt hat, ist Bilderbuch. Allein DAS feuchtfröhliche Sommerfilmchen "Plantsch" zählt zu dem Besten, was die heimische Videokunst in letzter Zeit hervorgebracht hat. Allein auf Youtube kommt das Pool-Abenteuer auf fast 100.000 Views. Und das Video zu der aktuellen Single "Maschin", die problemlos in unseren Charts auf Platz 1 geklettert ist, findet auch bei unserem großen Nachbar ein enormes Echo, sodass die Nummer beim Musikexpress an einundzwanzigster Stelle der Jahrescharts steht. Wie Bilderbuch hier richtig kommentieren: "und vor uns kein deutschsprachiger Song. Amen."

Das war das österreichische Musikjahr 2013:

  • Die FM4 Soundparknacht am 29. Dezember ab 01:00 Uhr früh blickt fünf Stunden lang auf das vergangene Musikjahr zurück.
  • Inklusive der FM4 Radiosession der diesjährigen FM4 Award Gewinner Catastrophe & Cure.
  • Am Montag 30. Dezember als Stream On Demand sieben Tage zum nachhören.

Über die Grenzen

Und so wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auch 2014 weitergehen. Wobei die nationalen Grenzen noch mehr gesprengt werden, als es dieses Jahr in Ansätzen schon passiert ist. Allein bei dem größten Showcase-Festival Europas, das Eurosonic in Gröningen wird Österreich das Focusland sein, vertreten durch vierzehn Acts.

Auch der österreichische Hip Hop, der in Deutschland dieses Jahr für Furore sorgte, wird immer mehr die Sprachbarriere hinter sich lassen, wie Journalist Falk Schacht anlässlich des Soundpark Geburtstags hier geschrieben hat.

Vielleicht werden im kommenden Jahr auch die Musikgrenzen weiter verschwimmen. Vielleicht wird der Indiepop durch vermehrt elektronisch generierte Musik wieder zurückgedrängt. Vielleicht Keimt wieder die Liebe zum neuen Auto-Indiepop auf. Egal, welche Strömung 2014 im Fluss der österreichischen Musik mehr Wasser mit sich tragen wird, eines ist sicher: Wir dürfen uns schon jetzt auf viele spannende Platten und Videos freuen.