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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

12. 3. 2013 - 19:10

Mit Pauken und Trompeten

Auf dem Debüt der Grazer VIECH wimmelt es vor Steuermännern, Traumtänzern, Herzknackern und Laufgänsen. Untermalt wird das ganze von Kirchentechno, Piratenchorälen und viel witzigem Pop.

Ich will jetzt keine Geschichten
Mag viel lieber Sprichwörter, die gut ausgehen
Zieh Spuren dort, wo sie hingehören
Ich pass auf dich auf und

Ich föhn dir deine Tränen weg
Das Meer kann's besser brauchen
Frisier dir deine Wimpern
So hat sich's immer noch gelohnt

(VIECH, "Mit dir möcht ich baden gehen")

Glitzernde Gitarrenriffs, hoffnungsvolle Klavierakkordzerlegungen, lustige Flötenmelodien und darüber zweistimmiger Gesang, der mit kindlicher Poesie über die kleinen, alltäglichen und damit wichtigsten Dinge des Lebens referiert. Das querdenkende Pop-Duo VIECH, namentlich Andreas Klinger und Paul Plut, legen mit ihrer selbstbetitelten ersten Langspielplatte eine wundersame Reise im unendlich blauen Balladenmeer vor. Wir segeln dabei durch schnell dahinwalzende Popbrecher, lassen uns von den elektronischen Beats der Zitterrochen gut durchschütteln, bis uns der existenzialistische Rockwal am Ende ausspuckt und uns eine zarte Gitarrenwelle wieder ans Festland spühlt.

Viech Bandfoto

Lena Prehal

Mit Herz und Hirn

Schon die erste Single "Steuermann" ist derart erfrischend und clever, dass man das glückselige Lächeln nicht aus der Visage bekommt. Geschmackvoll mit Schlagwerk, Gitarre, Chorgesang, Quetschn und Keyboard wird mit Inbrunst ein Ohrwurm geträllert, der sich tagelang nicht mehr aus den Ohrmuscheln locken lässt. Da ertönen im großen Finale des Songs zu Recht die Fanfaren.

Die Österreich-Tour von VIECH:

  • 12. März VIECH und Skip & Die, Treibhaus Innsbruck
  • 13. März VIECH und Skip & Die, B72 Wien
  • 14. März VIECH, Denkmal Salzburg
  • 15. März VIECH und Clara Luzia, PPC Graz, Austria
  • 16. März VIECH und Giantree, Kulturhof:keller, Villach
  • 24. März VIECH, Tischlein deck dich Graz
  • 5. April VIECH, The Bang Bang Club Graz
  • 4. Mai VIECH und Attwenger, Explosiv Graz

September 2011 ist das Geburtsmonat des musikalischen Getier, wobei Andreas und Paul schon davor in diversen tönenden Projekten tätig waren. Bei VIECH wird jedoch nicht Sex, Drugs and Rock'n'Roll und Glamour hinaustrompetet, sondern vielmehr in die Schatztruhe der kleinen Töne und kleinen Geschichten gegriffen. Wenn eine Melodie eingesetzt wird, sei es mittels Blechblasinstrument, Glockenspiel oder Akkordeon, dann wird es in den meist sehr perkussiven Basisklang eingebettet und nicht an die große Soundglocke gehängt. Es verwundert nicht, wenn man liest, dass diese funkelnde Debüt-Überraschung von Bernhard Fleischmann und Christofer Frank mitproduziert wurde.

Auch dem experimentellen Schabernack sind die beiden Grazer nicht abgeneigt. Zum Beispiel wenn bei "Herzknacker" in schönster Beat-Box-Manier den inneren Orang-Utans freien Lauf gelassen wird und in bestem Monty-Python-Geträller liebende Herzen gebrochen werden. Aber es geht auch ganz friedlich, wenn VIECH mit der Schmerzballade "Traumtänzer Hirnwichser Rainbowbutt" versuchen, über die Ex hinwegzukommen. Das darf dann sogar ein bisschen Kitsch werden und damit auch ein wenig gespielt werden. Stilsicher und ganz nah beim Herzen bleiben VIECH jedoch immer.

Mit Fug und Recht

Einer der wortakrobatischen Höhenflüge ist sicherlich der "Kirchentechno", wenn ein menschliches Zwitschern die Vögel husten lässt, der verströmte Duft paragleiten gehn kann, und das Glück sich im Schweinestall versteckt.

Viech Albumcover

Viech

Das selbtbetitelte Debütalbum von VICH erscheint am 15. 2013 März auf Sevenahalf Records.

Außerdem lernt man viele nützliche Dinge, zum Beispiel, dass Amseln in der Nacht bei Regen Flugverbot haben oder dass Spechte beim Kartenspiel immer gewinnen. Aber Andreas Klinger und Paul Plut bleiben bescheiden. Schließlich haben sie sich, wenn sie den Kirchentechno spielen, das Jubeln abgewöhnt.

Egal, ob man beim Hören der Musik von VIECH nun einen "Backenkrampf" bekommt oder nicht, mit dem kernöligen Duo möchte ich sofort baden gehen, denn so witzgewandt und spracherprobt wie diese beiden Herrn sind nicht viele Musiker, die sich des Deutschen bedienen.

Damit meine ich nicht, dieses animalische Werk wäre die Neuerfindung des heimischen Pop-Rades. Aber wenn ich die Rücksicht jetzt mal los lasse, dann würde ich sagen, eine gewisse magische Frechheit geht von diesen zehn Liebeserklärungen an den bescheidenen Alltag auf alle Fälle aus. Außerdem scheinen sich da wirklich zwei Musiker und Texter gefunden zu haben. Erschreckenderweise klingt diese erste Platte auch musikalisch so, als wüssten die beiden schon längst, wer und was sie zusammen sind. So wird der Nachfolger wahrscheinlich kein Ausriss oder gar eine um sich ringende Stilumkehr, sondern hoffentlich mehr von diesen humorigen und gefühlvollen Klangperlen bringen. Denn dann könnte ich fortan beruhigt schlafen gehen.

Ich lass heut Nacht Schafe schrumpfen,
dann kannst du sie an Regentagen zählen

Rate mal, wer heut noch lacht
und wer's als erster finster macht

(VIECH, "Du bist es längst")