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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

20. 11. 2013 - 18:32

Wilder Honig

Von wegen "schweres" zweites Album. Die Grazer Hella Comet übertreffen sich mit ihrem neuen Werk "Wild Honet" selbst und liefern eine der schönsten Platten des Jahres ab.

Am Anfang scheint vieles noch ganz beim alten geblieben zu sein. Die Grazer Hella Comet haben schon mit dem großartigen Debüt "Celebrat Your Loss" gezeigt, dass sie ganz genau wissen, wie man Gitarrennoisewände meterhoch stapeln und dabei noch immer druckvollen Rock mit einer gewissen charmanten Punk-Attitüde verbinden kann.

So ist auch die Eröffnung des zweiten Albums "Wild Honey" eine herrlich ausufernde, Zentner schwere Gitarrennoisehymne die melodiöse Parts mit exzessiven Lärmteilen verschmelzen lässt, immer am Punkt ist und einen mit all seinen hypnotischen Rhythmen nach rund dreieinhalb Minuten dann doch in ein anderes Universum entführt. Dorthin, wo es keine musikalischen Grenzen mehr zu geben scheint, wo sich ein freakiges Saxophonsolo gleichberechtigt über geschickt verstrickte Feedbackschleifen legen kann. Und das alles wirkt so geschmeidig und locker, dass einem die Luft weg bleibt.

Hella Comet Bandfoto

Hella Comet

Das böse Wort mit P

Lea, Jürgen, Franz und Markus haben die geflügelte Musikbusiness-Phrase "für das erste Album hat man ein Leben lang Zeit, für das zweite nicht länger als zwei Jahre" anscheinend ernst genommen. Hat "Celebrate Your Loss" noch die Soundsuche und das Finden einer musikalischen Linie über die letzte Dekade beschrieben, ist "Wild Honey" recht schnell entstanden. Nur dass diesmal alle vier heiligen Musikkometen parallel zu der sehr ergiebigen Proberaumzusammenkunft in ihren manchmal nicht ganz so stillen Kämmerlein an neuem Material gearbeitet haben. Die Idee von dem Opener "A 100 In Vain" kam bei einer Schlagzeugsession von Jürgen mit seinem Sohn im eigenen Proberaum. Aber auch so manche eingängige Melodie dürfte sich wohl bei einem der Bandmitglieder in einer nächtlichen, schlaflosen Stunde in den Kopf geschlichen haben.

Hella Comet live:

Und da sind wir schon beim großen Unterschied zum Debüt. "Wild Honey" ist im besten Sinne des Wortes "poppig" geworden. Einen Song wie "Scattered The Ashes", der trotz seiner knapp siebenminütigen Eposlänge immer spannend und überraschend bleibt, würden sich Sonic Youth oder My Bloody Valentine wohl auch gerne in ihr Songbuch schreiben können. Alleine der mehrstimmige Refrain dieses Wunderwerks an eingängigem Noisepop schafft es, das Herz zu öffnen und mit jeder Faser des Körpers sich dem wogenden Soundmeer hingeben zu wollen. Und nachdem Hella Comet den Song fast vollständig in seine Einzelbestandteile zerfallen lassen, erhebt er sich noch einmal ganz langsam und steuert dem sehnsuchtsvollen Klimax entgegen, der ob seiner Schönheit zu Tränen rühren kann. Aber auch "Nektar" ist mit seinem 3:14 Minuten Popformat eine herrlich erfrischende Klangoffenbarung. Simple und zugleich vielschichtig spielen Hella Comet ihr ganzes songschreiberisches Talent aus und bescheren uns einen honigsüssen Indierock-Leckerbissen.

Hella Comet Albumcover

Hella Comet

Das Album "Wild Honey von Hella Comet erscheint am 20. November auf Noise Appeal Records.

Auch wenn einem manchmal das Wasser bis zum Hals stehen kann, wie das bei "Tinker Boat" der Fall ist, erinnert dieser Song mit unheimlichen Drive und gewitztem Arrangement nicht nur an Thursten Moore, Kim Gordon & Co, sondern auch an eine noisige Variante von Stereolab, zumindest bis dann doch wieder der unzügelbare Hang zum Brachialen durchschlägt. Dadurch schaffen es Hella Comet dem "bösen" Wort Pop seine unmittelbaren Assoziationen wie Oberflächlichkeit oder Belanglosigkeit zu nehmen und es auf eine rohe Art in die eigene musikalische Welt zu integrieren. Da ist es auch egal, wenn das Wasser des "Mustard Sea" nicht blitzblau ist und wenn bei "Dice" die musikalischen Würfel gefallen sind, findet man sich in einer sich weit öffnenden, geheimnisvoll mystischen Soundlandschaft wieder.

Der wilde Honig, den sich Hella Comet über die letzte Zeit gezüchtet haben, entfaltet nach mehreren Songlöffeln nicht nur seine volle Süße, sondern auch seine kräftigende, stärkende Wirkung. "Wild Honey" ist ein durch und durch geglücktes Album, das neben aller Diversität nie den Focus verliert. Es lässt uns sehnsüchtig träumen, es lässt uns ausgelassen tanzen, macht auch nach öfteren Hören immensen Spaß und bringt wärmende Freude in den kalten Winter. Es lebe die Hella-Comet-ische Extase!