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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

17. 1. 2013 - 12:41

Eine liebestolle Revolution

Mit viel Witz und Ironie zettelt die Musikerin Monica Reyes auf ihrem Debüt "Schmusen" eine liebestolle Revolution an und hält uns damit auch gleich einen Spiegel vor.

Heute in der Homebase

Ein Interview und Auszüge aus dem neuen Album "Schmusen" von Monica Reyes könnt ihr heute ab 19:00 Uhr in der FM4 Homebase hören.

Galant erhebt sich eine Tremolo-Gitarre über die dahin-polkande Rhythmik von Ziehharmonika und Schlagzeug. Wenn die betörende Stimme der Schauspielerin und Musikerin Monica Reyes mit der Frage "Warum willst du nicht mit mir schmusen?" einsetzt, kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Im Stile einer Marlene Dietrich stolziert sie als laszive Filmdiva über den langsamen Tangobeat und empört sich darüber, dass zu vorgeschrittener Uhrzeit nicht schon längst die vollen Lippenwelten aufeinanderprallen. Die Dringlichkeit nach Zärtlichkeit übersetzt der doppelt so schnelle Refrain, der auf eine unausweichliche Klimax hinzusteuert, musikalisch. Und wenn die Stimme am Schluss fast zu brechen scheint und der Vorhang fällt, dann bleibt die glitzernde Dame doch einsam und alleine im Spotlight stehen.

Liebevolle Ironie

Das Bild, das Monica Reyes und Regisseur Markus Schleinzer in dem Video zu "Schmusen" zeichnen, thematisiert auf liebevoll ironische Weise Monicas Generation, die nicht recht erwachsen werden kann oder will. Dazu passen die im Hintergrund tanzenden Pensionistenpaare, die anscheinend mehr Zärtlichkeit und Liebe erfahren, als die junge Diva im Vordergrund. Und wenn der Titel "Schmusen" doch einmal in die Tat umgesetzt wird, dann kann es der charmanten Sängerin passieren, dass sie nach einer wilden Nacht einen unbekannten Mann neben sich im Bett liegen hat, dem sie dann in verwirrtem aber nicht uninteressiertem Ton "Wach auf Fremder" ins Ohr flüstert.

Monica Reyes Albumcover "Schmusen"

© Anna Rosa Krau

Im Gegensatz zu Sawoff Shotgun, der punkigen Elektroclashpopband, die Monica Reyes mit ihren beiden Schwestern Sonia und Susanna Sawoff betreibt, frönt die Schauspielerin und Sängerin bei ihrem Soloprojekt der Theatermusik, dem Chanson, Jazz und vermischt das alles mit einer gehörigen Portion Pop.

Allerdings ist Monica Reyes die Sprache fast noch wichtiger ist, als die musikalische Umsetzung. Auf "Schmusen" bedient sich bewusst einer jugendlichen Begrifflichkeit. Sie erinnert an Teenagerzeiten und die damit verbundenen ersten Liebeleien, wie zum Beispiel das zuckersüße "Du stehst auf mich". Doch die selbsterschaffene Rolle der Musikerin Monica Reyes ist nicht die einer immer schwachen, verwirrten oder gar naiven Frau. Neben den lustigen Verrücktheiten und schrägen Unzulänglichkeiten kann die Sängerin im "Exfreund Song" auch voller Lebensweisheit und pointiert über ehemalige Beziehungen chansonartig schwadronieren.

Eine gehörige Portion Fett kriegen auch die von neuen Medien und sozialen Plattformen geprägten Mitt-Dreißiger ab, die enttäuscht von ihren virtuellen Freundschaften einsam ihren "Whisky Song" dem geduldig zuhörenden Barkeeper entgegenlallen. Dass Monica Reyes ihre musikalische Kunstfigur sehr verehrt, aber zugleich nicht ganz so ernst nimmt, macht auch das lustige Fotoshooting für das CD-Cover deutlich.

Monica Reyes Portraitfoto am bett mit einem ausgestopften Tiegerkopf

© Anna Rosa Krau

Der Druck, nicht zu genügen

Neben all den Verwirrungen der Liebe kreist das Solo-Debüt von Monica Reyes auch um ein gegenwärtig brisantes Thema: gesellschaftlicher und selbst auferlegter Druck. Selbst wenn der Titel "Besonders" unweigerlich zum Grinsen animiert, wird in guter Brecht-Weill'scher Manier dem schunkelig-schönen Lied ein verzweifelter Text gegenübergestellt. Der unbändige und unerfüllte Wunsch, besonders zu sein, in der Gesellschaft als etwas zu gelten und Vorbild oder sogar Heldin zu sein. Demgegenüber steht zugleich die traurige Erkenntnis, ein zerbröckeltes Selbstwertgefühl zu haben, das unentwegt suggeriert, niemals zu genügen.

Es wäre nicht Monica Reyes, würde sie nicht auch für dieses Problem ein doppelbödiges Auswegsszenario parat haben. In dem absoluten Highlight der Platte, dem Song "Gemein", ist Angriff die beste Verteidigung. Denn anstatt zwischen all den Konventionen, von außen auferlegten Regeln und deren inneren Interpretationen zerrieben zu werden, wird über melancholische Harmonien der Entschluss gefasst, einfach mal "gemein" zu sein. Und sollte selbst diese Strategie nicht funktionieren, hilft vielleicht die poppige und hedonistische "Revolution in der Disco".

Portraitfoto Monica Reyes

© Anna Rosa Krau

Monica Reyes hat eine Mission: sie möchte eine "radikale Liebesfront" bilden, gegen die allgegenwärtige Krise, gegen Vereinsamung und Intoleranz. Das ist ihr mit ihrem Solo-Debüt "Schmusen" auch gelungen. Es ist ein vielschichtiges und verzauberndes Album, voller Witz und cleverer Reflexionen, die mit entwaffnendem Charme und musikalischer Leichtfüßigkeit direkt ins Herz treffen. Und so ist man auch nicht peinlich berührt oder fühlt sich ertappt, wenn man in der einen oder anderen kleinen Geschichte einen Teil von sich selbst wiederfindet.