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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

13. 3. 2013 - 16:30

Von Hunden und Nebelmaschinen

Das zur Zeit angesagteste heimische Elektronik-Duo HVOb (Her Voice Over Boys) nebelt uns mit gefühlvoll hypnotischem House ein. Ein leises und zugleich dringliches Debüt, das laut gehört werden sollte.

Traurige Klavierakkorde legen sich dumpf über eine fast unhörbare Geräuschkulisse. Eine zarte Stimme erzählt von schlafenden Hunden, die man besser nicht wecken sollte. Doch wenn der housige Beat einsetzt, erwachen sie und streunen durch die leeren Gassen der angebrochene Nacht. Der synthetische Bass spendet wie die verrosteten Straßenlaternen fahles Licht, dem die Schatten der einsamen Clubgänger ausweichen. Genau das ist der Moment, in dem die Musik von HVOb zum Soundtrack für sensible Tanzbodenseelen wird.

Schön ruhig mit den jungen Pferden

Wenn Anna Müller alleine zuhause sitzt und an ihren Songs bastelt, bleibt die Gitarre in der Zimmerecke stehen. Seit einiger Zeit setzt das Instrument schon Staub an. Dabei war es die große Teenagerliebe, auf der die ersten musikalischen Gehversuche stattgefunden haben. Vorwiegend schmetterte die junge Anna Lieder der Hamburger Schule auf ihren sechs Saiten.

Heute sind da eher Referenzen wie Underworld herauszuhören, wenn sie bei "Jack" die Textfetzen über die nervös dahinhüpfenden Percussions und den stetig pumpenden Beat haucht. Mit der Art und Weise, wie sie die Phrase all work and no play makes jack a dull boy ganz lapidar intoniert, könnte dieser Track jederzeit für einen Trainspotting-Film Pate stehen.

Geschichten sind es keine, die Anna Müller bei HVOB, also Her Voice Over Boys, erzählt. Abgesehen von "Fog Machine", einem dunklen Discoliebeslied, das die Sägerin ihrem Freund gewidmet hat. Oft gibt ihre Stimme und die abstrakten Lyrics allerdings "nur" die richtige Färbung für das vorhandene, sehr reduzierte Klangkaleidoskop der recht tanzbaren Nummern. Der Eröffnungstrack "Hold Your Horses" fungiert dabei wie eine Art Visitenkarte, vereint er doch genau die zwei wesentlichsten Komponenten: Club- und Kopfhörer-Tauglichkeit. Das sehr hypnotische Debüt ist eine ineinanderfließende Soundreise durch dunkle Diskotheken voller Trockeneis oder aber es ist der gute Freund, mit dem man in einer besinnlichen Stunde auf der Wohnzimmercouch die besondere Flasche Rotwein trinkt und dabei vom Alltagsstress und allen Problemen loslassen kann.

Der letzte Song, der jemals geschrieben worden ist

Dass die Platte von HVOb so gut funktioniert, liegt auch an dem geschickten Produzentenhändchen von Paul Wallner, der zweiten Hälfte dieses sehr jungen Projekts. Er versteht es, die Ausgewogenheit zwischen anschiebenden Bässen und zurückhaltenden Synthie-Klängen mit der geheimnisvollen Stimmung von Annas Gesang zu mischen.

Die Reduktion auf die wesentlichen Akkordfolgen baut nicht nur eine unterschwellige Spannung auf, sondern erlaubt uns auch, ganz in die klanglich weiträumige Elektronikwelt einzutauchen. Das beste Beispiel dafür ist "The Last Song Ever Written", der eigentlich wie ein fortwährender Klimax anmutet. Vor allem die erste Steigerung nach knapp zwei Minuten, bei der ein rückwärts abgespielter Beckenklang den Weg zum Dancefloor freigibt, versetzt einen in geschmeidige Clubtrance. In der weiteren Dynamik des knapp sechs minütigen Highlights der Platte wird das Soundgerüst bis auf einige wenige Schichten abgetragen, um es dann behutsam bis zum Ende zu einem zarten Finale wieder aufzubauen.

HVOB Her Voice Over Boys Plattencover

HVOB/Stil Vor Talent

Dass nicht nur ich diesem gehemnisvollen Namen Her Voice Over Boys und deren Musik verfallen bin, zeigt auch, dass das Debüt auf dem Berliner Label Stil vor Talent von Oliver Koletzki erscheint und von der Four Artist Booking Argentur bereut wird. Außedem hat sich der Modestar Elie Saab Anna Müller und Paul Wallner auf die Fashion Week in Paris geholt und sie dort zu seiner Show live performen lassen.

HVOb live in Österreich:

  • 03.05.2013 Donaufestival, Krems
  • 01.06.2013 Springfestival, Graz
  • 25.07.2013 Popfest, Wien
  • 27.07.2013 Conrad Sohm, Dornbirn
  • 02.08.2013 Stuck Festival, Salzburg

Das einzige, was man dem Produzentenduo vielleicht vorhalten könnte ist, dass sich ihr Beats per Minute Bereich in einer sehr engen Spanne bewegt. Andererseits macht die Geschwindigkeit von 120 bis 126 bpm gerade jenen Durchhöreffekt möglich, bei dem man Zeit, Raum und Ort zu vergessen scheint und sich einfach fallen lassen kann. Nicht zuletzt lässt genau diese ganzheitliche Reduktion auch viel Platz für die emotionalen Grundfärbungen des Albums, die von melancholischer Einsamkeit über freundschaftliche Euphorie bis zu nachdenklicher Versöhnung reichen können.

Und weil wir schon bei Filmreferenzen waren, wenn Anna bei dem Stück "Moon" wiederholt uns we are hiding on the far side of the moon über die sphärischen Beats ins Ohr flüstert, dann könnte das auch der perfekte Soundtrack für das geniale, gleichbenannten Science-Fiktion-Werk des Bowie Sohns Duncan Jones sein. Mich wird dieses Album auf alle Fälle lange begleiten, ist es doch genau der richtige Gefährte für den herannahenden Frühling und den langen Übergang in die lauen Sommernächte.