Erstellt am: 4. 12. 2013 - 18:15 Uhr
Unter Strom
Reden wir nicht um den heißen Brei herum. Egal, wohin du auch gehen wirst, um vor dir selber zu fliehen - und sei es bis ans andere Ende der Welt oder nach Neuseeland - du wirst dich und deine Probleme immer mitnehmen. Auch wenn du glaubst, du könntest jetzt ein neuer und ganz anderer Mensch werden weil, bloß weil die anderen dich nicht kennen, dann bist du falsch gewickelt. Denn du steckst bis an dein Lebensende in deiner Haut, aus der du nicht rauskannst. Was, wie war das? Du glaubst mir nicht? Dann muss ich wohl lauter werden, um dich zu überzeugen...
Ein Strom guter Bilder
Gleich zu Beginn ihres dritten Albums zieht mich das Wiener Quartett The Who The What The Yeah in ihren Bann. Fast hypnotisch wirkt die Anziehungskraft von "Blackhole", einem trockenen, geradlinigen Gitarrenrockstück, unter dessen klassischer Songoberfläche es heftig brodelt. Geht es doch um den Hang und Drang, sich selbst zu verleugnen, sich seine eigene Geschichte umzuschreiben. Ob zum Besseren oder Schlechteren bleibt offen. Vielleicht ist es auch nur der Wunsch nach einem Moment der Klarheit, dem sich Sänger und Texter Martin Konvicka hier hingibt. Denn schließlich hat er uns schon in der Single "Neuseeland" überzeugend klargemacht, dass man nicht von sich selbst davonlaufen kann, ohne dass das Ich einen irgendwann wieder einholt. Meist dann, wenn man es nicht erwartet.
Monkey Music
Das Album "Strom" strotzt nur so vor Bildern, zu denen man einen irgendeine Beziehung aufbauen kann. Zum Beispiel die Situation in dem Song "Schnitt",wenn man sich bei einer Party mit den immer gleichen Verdächtigen fragt, ob das Gegenüber wirklich auf der gleichen Seite steht. Oder wie beim großartigen Song "Dresden", der das Gefühl der Veränderung, des Um- und Aufbruchs beschreibt, selbst wenn man noch gar nicht weiß, wohin die neue Reise gehen wird. Ein guter Text bedient sich guter Bilder, die Emotionen auslösen können und mit denen man sich identifizieren kann. Dieser von Martin Konvicka selbst aufgestellten Definition wird der Songschreiber auf dem Album also durchaus gerecht. Schnörkellos und ohne verschwurbelte Metaphern kommt er schnell auf den Punkt, selbst wenn bei "Stormtrooper" auf einer Metaebene über genau diesen Aspekt nachgedacht wird.
Die Energie des Moments
The Who The What The Yeah live:
- 06.12. Ann & Pat, Linz (mit A Life, A Song, A Cigarette Duo)
- 14.12. Sub, Wr. Neustadt
Auf musikalischer Ebene rauchen bei The Who The What The Yeah durchgehend die Gitarrenverstärker. Alles andere wäre auch sinnlos. Unmittelbar und into your face müssen die Songs sein, die Gefühle wie Wut, Aggression und vielleicht auch Unsicherheit transportieren wollen. Um es positiver zu formulieren: Es geht viel um Energie. Eine Energie, die allen großen und grundlegenden Emotionen zugrunde liegt. Diese zu bündeln und mit elektrisierender Kraft auf eine Platte zu bannen, war das Hauptanliegen von Produzent Hans Platzgumer. Der von mir schon viele Male hochgelobte Musiker, Schriftsteller und Abenteurer hat es geschafft, dem Album "Strom" genau das zu geben, was es gebraucht hat: einen erdigen, rauen, rotzfrechen und damit auch frischen Sound. Hier darf es krachen und grummeln. Man kann sich an manch kantigem Gitarrenriff den Daumennagel blutig hauen, sich vor zischelnden Schlagzeugbecken ducken, sich durch weitgefächerte Akkorde wühlen, und hie und da ganz verwundert in einer kleinen Orgelharmonieblase nach Luft zu schnappen.
Severin Koller
Ich bemühe hier jetzt keine abgedroschenen Referenzen, nenne keine Musikschulen oder rufe gar eine neue, österreichische Variante aus. Denn das wäre ohnehin komplett egal. The Who The What The Yeah gehen ihren eigenen Weg und halten uns dabei auch manchmal den Spiegel vor. Unbequem? Kann sein. Langweilig? Mit Sicherheit nicht. Denn "Strom" macht musikalische Spannung und damit auch Emotionen spürbar. Und um nichts anderes geht es hier.