Erstellt am: 25. 9. 2010 - 17:31 Uhr
Urgestein, Sprachverwirrung und Familyfunk
Eine FM4 Soundparknacht mit den Gästen Hans Platzgumer, Hubert Tubbs und James Hersey, sowie vielen neuen Alben.
Manchmal geht mir alles zu schnell.
Vor allem die Zeit, die vorbeirast: Ich frage mich, wo denn eigentlich dieser Sommer abgeblieben ist. Denn schon verfärben sich die Blätter, segeln im herbstlichen Wind zu Boden und lassen die alljährliche Melancholie aufkommen, die dieser Jahreszeit gerner zugeschrieben wird. Diese Zeitwahrnehmung hat allerdings auch sein Gutes, schließlich bleibt dadurch keine Zeit für Depressionen. Noch dazu bei all den schönen, grandiosen Veröffentlichungen, die diesen Herbst auf dem heimischen Produktionssektor anstehen. Deshalb auch eine prall gefüllte Soundparknacht mit vielen Gästen, neuen Alben und Euren Tunes aus dem Garten der heimischen Musik.
ALH84001
Der Parade-Erdlöwe der österreichischen Musik ist bekanntlich Hans Platzgumer.
Gerhard Klocker
Wer in seinen spannenden und ausufernden Band-, Projekt- und Klangkosmos eintauchen möchte, sollte sein Buch Expedition lesen, in dem er seine Karriere mit viel Witz und schönen Anekdoten nachzeichnet. Denn seine über dreißig verschiedenen Projekte hier anzuführen und auf seine Theatermusik auch noch einzugehen, würde den Rahmen der Sendung sprengen. Außerdem war Hans Platzgumer vor kurzem schon einmal zu Gast, um mit uns durch seine musikalische Vergangenheit bis zur Gegenwart zu skippen. Diesmal ist der gebürtige Innsbrucker via Leitung ins Landesstudio Dornbrin zugeschaltet, um die neue Platte seines Herzensprojekts Convertible vorzustellen.
Es war in der Silvesternacht 2002, als Hans Platzgumer sich entschlossen hatte, wieder die Gitarre in die Hand zu nehmen, die seit H.P. Zinker-Tagen in der Ecke seines Produktionszimmers schon beträchtlich Staub angesetzt hatte. So wurde Convertible zum "Umrüstprojekt", das die elektronische Gegenwart mit der Rockvergangenheit verschmelzen sollte. Schon die zweite Platte Frailty Of Win - Strength Of Defeat machte eine Entwicklung Richtung Bandsound transparent, die mit Convertible III tief in 1960er und 1970er Jahre-Soundästhetik getränkt wurde. Mitte Oktober ist es schon wieder soweit, denn Hans Platzgumer hat sich erneut ins musikalische Cabrio gesetzt, um an einen einsamen Ort zu fahren, um auf von der herbstlichen Sonne erwärmten Steinen nah am Wasser zu sitzen und ins Meer zu schauen.
Hans Platzgumer Convertible
Ist das wirklich Hans Platzgumers rechte Hand und sein rechter Fuß? Die Mandoline gehört auf alle Fälle ihm.
Das neue Convertible Album trägt den geheimnisvollen Titel "ALH84001", und wie von Hans Platzgumer nicht anders zu erwarten, steckt dahinter ein größeres Konzept. Oder vielmehr ein Gefühl und eine klangliche Atmosphäre, die für alles neuen Songs stehen kann. Bei alh84001 handelt es sich um einen Marsmeteorit, der vier Milliarden Jahre alt ist und vor über 13.000 Jahren auf der Erdoberfläche einschlug. Entdeckt wurde er in der Antarktis, und da verknüpft sich diese Geschichte wieder mit Hans Platzgumers Schaffensuniversum, denn sein zweiter Roman Weiß widmete sich eindringlich Platzgumers Faszination für dieses kalte Ende der Welt. Aber auch eine musikalische Analogie ist hier angebracht, denn das Album ALH84001 ist karg, reduziert und geheimnisvoll. Es scheint eine Art "Urmusik" zu propagieren, die jegliche Epoche überstehen kann. Demnach ist das Convertible Album einerseits im Hier und Jetzt verankert, könnte aber vom Sound her genauso vor fünfzig Jahren entstanden sein und würde in den Klangkosmos der Zukunft passen, wenn in vier Millionen Jahren ein Forscher die etwas zerkratzte Vinylscheibe "ALH84001" aus einem verschütteten Audioarchiv ausgraben würde.
Hans Platzgumer wird uns in einer ausführlichen Listening Session durch das Album erklären, warum neue Saiteninstrumente diesmal extrem wichtig waren, in welchem Zeitraum die Platte entstanden ist und warum die Welt zwischen den Tönen die spannenste ist.
Let's dive in your emotions
Ganz dick im Kalender gehört Samstag, der 2. Oktober angestrichen. Denn an diesem Abend werden Mr. Chilly Gonzales und Violetta Parisini im Rahmen der Sunny Side Up 10 Jahresfeier im Porgy & Bess auftreten. Ebenfalls dabei sind DJ Makossa und Iris Camaa
Schon mit sechs Jahren hat der in Dallas/Texas geborene Hubert angefangen zu singen, oder eigentlich zu kreischen. Noch dazu in der Kirche, in die ihn seine Eltern jeden Sonntag mitschleppten. Zwar dauerte es ein bisschen, bis der kleine Junge in den Chor eingegliedert wurde, aber von da an war seine Stimme seine Leidenschaft. Selbst in der Army hat der jugendliche Hubert Tubbs gesungen, wann immer sich eine Möglichkeit bot. Außerdem dürfte das Singen mit ein Grund dafür gewesen sein, dass der junge Soladt den Wahnsinn des Vietnam Kriegs halbwegs gut überstanden hat. Nach seiner Rückkehr ging es mit seiner Karriere steil bergauf. Höhepunkt war ein Leadsängerengagement bei seinen Funk-Rock Helden Tower Of Power.
Von da an stand Hubert Tubbs mit weltberühmten Soul-, Blues- und Funk-Musikern auf den Bühnen der Welt, bis es ihn mit der Jahrtausendwende nach Österreich verschlug. Und er ist geblieben. Seine Freundschaften und Kollaborationen vor allem mit Makossa & Megablast und der G-Stone-Posse eröffneten dem Soul- und Funk-Sänger komplett neue Klangwelten.
Hubert Tubbs
Nach all diesen Jahrzehnten hat Hubert Tubbes zum ersten Mal eine Soloplatte produziert und jetzt veröffentlicht. Sie nennt sich "Dive In" und erscheint auf seinem eigenen Label Get Whet Music, wobei der Albumtitel stellvertretend für Huberts Einstellung steht, vor schwierigen Situationen nicht fortzulaufen, sondern sich auch mit seinen problematischen Seiten und dunklen Gefühle zu konfrontieren. Noch berührender wird das Album, wenn man weiß, dass Hubert Tubbs während den Aufnahmen sehr schwer erkrankte und die Produktion trotz starker Schmerzen weiterführte. Außerdem holte sich der sympathische Sänger viele Freunde und sogar seine Familie mit an Bord. In dem Song "Cought In The Middle" rappt sogar Hubert Tubbs Sohn. Aber das wird uns der charismatische Mann mit dem wundervollen Timbre selbst erzählen.
artist |
song |
label |
Hubert Tubbs |
Spezialstunde |
|
Megablast feat. Hubert Tubbs |
Sunshinebaby |
FM4 Soundselection Vol. 11 |
Hubert Tubbs |
Automatique |
G Stone Recordings |
Skwerl feat. Hubert Tubbs |
All Woman |
Defected |
Makossa & Megablast feat. Hubert Tubbs |
Coming Home |
G Stone Recordings |
Hubert Tubbs |
Cought In The Middle |
Get Whet Music |
Hubert Tubbs |
What Good Is Love |
Get Whet Music |
DJ DSL |
I Love You feat. Hubert Tubbs |
G Stone Recordings |
The Denglish Singer/Songwriter
James Hersey
Er ist erst zweiundzwanzig Jahre alt und schreibt Songs, bei denen Jack Johnson vor Neid erblassen könnte. Zum ersten Mal ist mir der Song "Promises" aufgefallen, der irgendwie den Weg in den Soundparkordner gefunden hat. Das kann doch nicht sein, das ist doch kein Österreicher, oder? Das war meine erste Reaktion. Doch siehe da, der sehr bescheiden wirkende junge Mann namens James Hersey ist in Gmunden geboren. Allerdings wächst er wegen seiner amerikanischen Eltern zweisprachig auf und empfindet sowohl die amerikanische, als auch die österreichische Kultur als wichtige Seiten seiner Identität. Er borg sich schon in (noch) früheren Jahren heimlich die Gitarre seines Vaters aus und beginnt darauf herumzuklimpern. Doch bevor James sich so richtig für das Singer/Songwritertum interessiert, durchlebt er noch eine deftige Punk-Phase. Schließlich sind NOFX eine seiner damaligen Lieblingsbands.
James Hersey
Wenn man sich heute seine EP anhört, die James komplett selbst geschrieben, aufgenommen und produziert hat, dann mag man diese Geschichte kaum glauben. Und schon gar nicht, dass das hier die Debüt-Songs des jungen Sängers sind. Sehr ausgewogen, manchmal uptempo, manchmal balladig singt James von Alltagsbeobachtungen und persönlichen Erfahrungen, nie kitschig oder selbstverliebt, immer mit einer gewissen Distanz zum eigenen Wesen und zugleich mit einer bestechenden Offenheit. Wir hören uns mit James durch seine EP, wobei zwischen Englisch und Deutsch wild geswitched wird. Ob das zu einer babylonischen Sprachverwirrung führen wird?
Aber hört am Besten selbst hinein. Die umfangreiche FM4 Soundparkausgabe startet diesen Sonntag 26.09. um 01:00 Uhr nachts und endet am Montag 27.09. um 06:00 Uhr früh!
Alle Anti-Nachteulen, die sich die Sendung lieber bei herbstlichem Sonnenschein und einer Tasse Tee anhören wollen, können das ab Montag Mittag hier machen.