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Paul Pant

Politik und Wirtschaft

14. 4. 2015 - 16:17

"Zwangsmitgliedschaft: Ja oder Nein?"

ÖH-Wahl: Nikolaus Swatek, Spitzenkandidat der Junos, über den fairen Unizugang, Studiengebühren und die Abschaffung der ÖH-Zwangsmitgliedschaft.

ÖH-Wahl 2015

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Aus den ehemaligen Julis (Junge Liberale) sind die Junos (junge liberale Neos) geworden. Die ehemaligen JuLis sitzen mittlerweile mit der Mutterpartei Neos im Parlament - etwa ein früherer Spitzendkandidat (Nikolaus Scherak), eine andere nimmt vermutlich dort bald Platz (Claudia Gamon). In der Unifraktion hat es neben dem Namens- einen Generationenwechsel gegeben.

Der Spitzenkadidat der Junos 2015 ist der 24-jährige Grazer Nikolaus Swatek. Bei der letzten Wahl ist er noch bei den Fachschaftslisten auf dem Wahlzettel gestanden. Jetzt tritt er für die Junos an. Über seine alte ÖH-Fraktion sagt er, dass diese außer Schafe-Zeichnen und Sich-ÖH-Gelder-Zuschachern, kein politisches Programm hat. Den Wechsel begründet Nikolaus Swatek mit Ungereimtheiten rund um Zahlungen an Funktionäre der Fachschaftsliste für eine Homepage.

Nikolaus Swatek Spitzenkandidat der Junos

FM4/Paul Pant

Alle Interviews mit den SpitzenkandidatInnen:

Was ist deiner Meinung nach die Aufgabe der ÖH?

Nikolaus Swatek: Die Österreichische HochschülerInnenschaft ist die Vertretung aller Studierenden und hat die Aufgabe die Studienbedingungen für die Studierenden zu verbessern.

Was ist derzeit das größte Problem an österreichischen Unis und FHs und muss dringend angegangen werden?

Die Österreichischen Hochschulen sind chronisch unterfinanziert. Das sieht man unter anderem daran, dass es zu wenige Laborplätze gibt. Das Betreuungsverhältnis an den österreichischen Hochschulen ist sehr schlecht. An der Uni Wien beträgt das Verhältnis von ProfessorInnen zu Studierenden 1:216, während es an der Uni Zürich zum Beispiel nur 1:49 ist. Dadurch steigen wir auch in internationalen Rankings immer weiter ab. Es ist Zeit für ein Konzept, wie es auch wir Junos haben, um den Hochschulsektor zu verbessern.

Die wichtigsten drei Punkte in eurem Wahlprogramm?

Zum einen wollen wir der ÖH einen Neustart verpassen: durch Transparenz, Mitbestimmung und einer Digitalisierung. Und zum anderen wollen wir den österreichischen Hochschulsektor verbessern und die Unis endlich ausfinanzieren. Mit Hilfe einer Studienplatzfinanzierung, mehr Drittmittel im Hochschulsektor und nachgelagerten Studiengebühren.

Im Junos-Wahlprogramm steht, ihr wollt den "Studienzugang fair gestalten" - was heißt fair für euch? Uni für alle oder nur für die Elite?

Der Spitzenkandidat

  • Nikolaus Swatek
  • 24 Jahre
  • Graz/Steiermark
  • Technische Physik
  • TU Graz
  • 10. Semester
  • In Social Media auf Facebook , Twitter und Instagram zu finden.

Junos auf

Wir Junos wollen zwar, dass jeder studieren kann, aber jede Hochschule hat halt nur gewisse budgetäre Mittel zur Verfügung. Die Plätze, die der Hochschule zur Verfügung stehen, müssen unserer Meinung nach fair verteilt werden. Und das soll nicht mit einem Numerus clausus oder einer einzelnen Prüfung passieren. Sondern das muss ein Aufnahmeverfahren sein, bei dem verschiedene Fertigkeiten der Studierenden abgefragt werden. Wir wollen auch, dass diese Aufnahmeverfahren nicht nur von Rektoren oder Professoren beschlossen werden, sondern dass die Studierenden mitbestimmen.

Das beantwortet aber nur ausweichend die Frage: Die Uni für alle oder nur für die Elite. Ich kann mir vorstellen, dass es für Menschen aus bildungsfernen Milieus, für Leute, die vielleicht nicht so einen guten Notendurchschnitt haben, womöglich schwieriger wird, zu studieren, wenn der Zugang rein nach leistungsbezogenen Kriterien gestaltet ist.

Ich glaube, da kommt es nicht darauf an, ob jemand finanzielle Mittel hat oder nicht. Unser Ziel ist es, jeden studieren lassen zu können - unabhängig von den finanziellen Mitteln. Deswegen sind wir für nachgelagerte Studiengebühren: Man zahlt erst, wenn man mit dem Studium fertig ist. Wichtig ist außerdem, dass man das Beihilfensystem in Österreich ausbaut, damit wirklich jeder studieren kann.

Birgt das nachgelagerte System aber nicht die Gefahr der Armutsfalle, wenn man nach dem Studium vor einem Schuldenberg steht?

Das ist in unserem Konzept nicht so, weil unsere nachgelagerten Studiengebühren erst dann einsetzten wenn man über einen gewissen Freibetrag verfügt, also wenn man mit beiden Beinen fest im Leben steht.

Wann steht man für euch mit festen Beinen im Leben?

Der Freibetrag ginge bis 1.100 Euro Netto-Einkommen. Von allem, was man mehr verdient, werden acht Prozent abgezogen. Studierende haben nach ihrem Studium meistens ein Einkommen von 2.150 bis 2.500 Euro brutto. Bei 2.150 Euro brutto kommt man etwa auf 1.488 Euro netto. Wenn man davon den Freibetrag von 1.100 Euro abzieht, sind es 388 Euro. Davon acht Prozent wären etwa 30 Euro pro Monat. Die zahlt man solange, bis man seine Studiengebühren abbezahlt hat.

Wie alt muss man werden, dass man mit 30 Euro pro Monat alles abgezahlt hat?

Unser Konzept sieht eine staatliche Ausfallshaftung nach 30 Jahren vor. Das heißt nach 30 Jahren wird alles getilgt. Man kann sich nicht ewig verschulden.

Das heißt nach 30 Jahren wird dann wieder der Staat zur Kasse gebeten?

Da übernimmt der Staat die Ausfallhaftung.

Nikolaus Swatek Spitzenkandidat der Junos

FM4/Paul Pant

Ein anderes großes Thema in eurem Wahlprogramm ist Mitbestimmung und Digitalisierung. Ihr wollt zum Beispiel "Liquid Feedback" einführen. Was ist denn das?

Unter dem Namen Uni Liquid gibt es das schon an der TU Graz. Wir wollen das Liquid Democracy-Tool bundesweit an allen Hochschulen umsetzen. Da geht es im Prinzip darum, dass sich alle Studierende über ihren Uni-Accout einloggen, ihre Ideen einbringen können und die Ideen anderer bewerten. Die ÖH soll dann diese Ideen umsetzten.

Ich habe gelesen, ihr wollt Urabstimmungen, die bindend sind für die ÖH. Da frage ich mich, wozu gibt es dann noch eine gewählte Vertretung, also eine ÖH, die Studierende repräsentieren soll.

Eine Urabstimmung ist immer wichtig, weil es die Meinung aller Studierenden zu einem spezifischen Thema wiederspiegelt. Die ÖH ist zwar gewählte Repräsentantin auf zwei Jahre, aber uns ist wichtig, dass wir alle Studierenden permanent einbeziehen auch zwischen den Wahlen.

Aber wollen das die Studierenden überhaupt? Ich kann mir vorstellen, viele wollen mit den Dingen, die die ÖH macht, nichts zu tun haben. Also es soll einfach erledigt werden.

Das Problem ist, dass viele Studierende ein bisschen das Vertrauen in die ÖH verloren haben und genau mit dieser Mitbestimmung wollen wir die Studierenden wieder mehr an die ÖH binden. Und ja, Studierende wollen definitiv mehr mitbestimmen. Wir haben das Liquid Democracy-Projekt an der TU Graz ein Semester voll durchgezogen und innerhalb kürzester Zeit 300 Anmeldungen und 35 Ideen bekommen. Das sind 35 Ideen, die ohne das Projekt nicht zustande gekommen wären.

Die TU Graz ist allerdings sehr groß

Ja, die TU Graz hat fast 15.000 Studierende.

Was würde das kosten für alle Unis?

Nichts, eigentlich.

Was wäre die erste bindende Frage zur ÖH, die ihr bei einer Urabstimmung stellen würdet?

Zwangsmitgliedschaft: Ja oder Nein?

Also eine Selbstauflösung?

Nein das Ende der Zwangsmitgliedschaft löst nicht die ÖH auf. Es gibt den Studierenden lediglich die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie sich von der ÖH vertreten fühlen oder nicht.

Das ganze Interview mit Nikolaus Swatek zum Anhören

Warum die Zwangsmitgliedschaft schlecht ist, erklärt Nikolaus Swatek im vollständigen Audio-Interview (ab Minute 6:22). Außerdem was sich die Junos unter einer transparenten ÖH vorstellen und wie sie die Hochschülerschaften digitalisieren wollen. Und warum Nikolaus Swatek die Fachschaftsliste verlassen musste und nun für die Junos antritt - all das kann man im Interview anhören.

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