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Pia Reiser

Filmflimmern

16. 1. 2014 - 16:33

Oscar-Nominierungen 2014

Ist man erst mal nominiert, lebt's sich weiter ungeniert: "Gravity" und "American Hustle" gehen mit je 10 Nominierungen ins Rennen. Aber das Wichtigste: Matthew McConaughey ist als Bester Hauptdarsteller nominiert.

Was für eine Woche für Chris Hemsworth, die Golden Globe Verleihung ist grade mal ein paar Tage her, da muss er schon wieder gestriegelt und gekampelt von einem Teleprompter ablesen. Statt Niki Lauda steht aber nun Cheryl Boone Isaacs, Präsidentin der Academy of Motion Picture Arts and Science, an seiner Seite: Die Oscar-Nominierungen wurden heute bekannt gegeben

In der Königskategorie "Bester Film" sind nominiert: "12 Years a Slave", "Gravity", "American Hustle", "Captain Phillips," "Dallas Buyers Club," "Her," "Nebraska," "Philomena" und "The Wolf of Wall Street." Jubel gibt es bei den anwesenden Journalisten in Los Angeles ausschließlich für "Philomena" und "The Wolf of Wall Street".

Wer sind also die Filme mit den meisten Nominierungen? "American Hustle" und "Gravity" gehen mit je 10 Nominierungen ins Rennen, dahinter findet sich "12 Years a Slave" mit 9 Nominierungen. Dass das Drama die ihm an sich zugedachte Favoritenrolle bereits bei der Anzahl der Nominierungen verliert, ist glaube ich kein gutes Zeichen.

American-Hustle

Tobis

Mein Favorit bis jetzt: "American Hustle"

Diskussionen um "12 Years a Slave"

Über einen Film aus der Favoritenrunde wird immer mehr diskutiert als über andere, dieses Jahr fällt die Rolle des "kontroversen" Films Steve McQueens "12 Years a slave" zu. Ein Film, während dem die einzige Hoffnung, die einem bleibt, der Filmtitel ist, dass also nach 12 unvorstellbar grauenhaften Jahren dieser Mann wieder ein freier Mann ist.

Während der generelle Kritikerkonsens in Richtung "wichtiges Meisterwerk" geht, nennt der amerikanische Filmkritiker Armond White - bekannt für seinen Hang, verbal um sich zu schlagen, das Drama "torture porn" und beschimpfte Regisseur McQueen bei einer Preisverleihung des New York Film Critics Circle. (Und wurde inzwischen von ebenjenem Circle ausgeschlossen).

Auch, wenn einem "torture porn" als etwas drastisches Label erscheint, so bleibt doch die Frage, wo die Rollen für schwarze Schauspieler im Drama bleiben, die sich nicht über reines Leid definieren. (Siehe auch: Where are the serious movies about non-suffering black people).

Chiwetel Ejiofor

Tobis

Chiwetel Ejiofor in "12 years a slave"

Ebenfalls kritisiert wurde am Skript, das auf der wahren Geschichte von Solomon Northup beruht, der sie auch niedergeschrieben hat, dass die zahlreichen Versuche, von der Baumwollplantage wegzurennen, im Film fehlen. Das erinnert an die Diskussionen im letzten Jahr um Steven Spielbergs "Lincoln", der eine Leerstelle hatte, was die Beteiligung der schwarzen Bevölkerung im Kampf um Emanzipation und das Ende der Sklaverei hatte. Die Diskussionen um "12 Years a Slave" fallen aber - abgesehen von Armonds White Wutausbruch - beispielsweise im Vergleich zur Kontroverse um Kathryn Bigelows "Zero Dark Thirty" im letzten Jahr verhältnismäßig unaufgeregt aus. Dass sie als Regisseurin nicht nominiert wurde, wurde als Reaktion auf die Folterszenen bzw. als die Auslegung derer als Legitimation der Folter, gesehen.

Falls sich Steve McQueen in der Kategorie "Best Director" durchsetzt, wäre er übrigens der erste schwarze Regisseur, der mit einem Academy Award ausgezeichnet wird.

Nie den Weinstein unterschätzen

McQueens Konkurrenz in der (wie meistens frauenlosen) Kategorie "Bester Regisseur" ist groß: Alfonso Cuaron ("Gravity"), Martin Scorsese ("The Wolf of Wall Street"), Alexander Payne ("Nebraska") und David O Russell ("American Hustle").

Unter Russels Regie haben sich bereits Christian Bale ("The Fighter") und Jennifer Lawrence ("Silver Linings") zu einem Oscargewinn gespielt, dieses Jahr gehen mit Amy Adams (in der Kategorie "Beste Hauptdarstellerin), Jennifer Lawrence ("Beste Nebendarstellerin"), Bradley Cooper ("Bester Nebendarsteller") und Christian Bale ("Bester Hauptdarsteller") gleich vier Schauspieler unter seiner Regie ins Rennen um den Goldjungen.

Amy Adams

Tobis

Amy Adams in "American Hustle"

Und obwohl Amy Adams - wie eigentlich immer - fantastisch ist, gilt Cate Blanchetts Name (nominiert für "Blue Jasmine") bereits als fix im Oscarsockel eingeritzt. Nominiert sind als "Beste Schauspielerin" außerdem Sandra Bullock ("Gravity"), Judi Dench ("Philomena") und überraschenderweise Meryl Streep für "August: Osage County". An sich verwendet man "überraschenderweise", "Oscarnominierung" und "Meryl Streep" ja nicht in einem Satz, das Familiendrama wurde allerdings bisher eher als sich ganz außen befindlicher Außenseiter gehandelt. Aber gut, wo Harvey Weinstein als Produzent involviert ist, sollte man immer auf alles gefasst sein. (Der Mann macht ja sogar aus einem Versprecher eine Kampagne, als DiCaprio bei den Golden Globes "Philomania" statt "Philomena" sagt, hat Harvey wohl eine Idee)

Blue Jasmine

Warner Bros

Cate Blanchett in "Blue Jasmine". Depending on the kindness of strangers, wie Blanche DuBois.

Strahlende Siegerin wird aber ohnehin Blanchett sein. Ebenso müssen die Konkurrenten von Jared Leto in der "Bester männlicher Nebendarsteller"-Sparte sich wohl keine Gedanken über geistreiche Dankesreden machen, wie schon bei den "Golden Globes" gilt hier Letos Darstellung des transsexuellen, HIV-positiven Rayon in "Dallas Buyers Club" als klarer Gewinner. Die "Bester männlicher Nebendarsteller"-Kategorie ist traditionellerweise eine voll mit interessanten, weil jenseitigeren Rollen als in der "Hauptdarsteller"-Sparte. (Ich sag nur Joker, Anton Chigurh und Hans Landa). Das gilt auch dieses Jahr, Letos theoretische Konkurrenz sind Michael Fassbender ("12 Years a Slave"), Barkhad Abdi ("Captain Philipps"), Bradley Cooper ("American Hustle") und Jonah Hill mit unglaublicher Zahnprothese im hysterischen "The Wolf of Wall Street"

Jonah Hill in "The Wolf of Wall Street"

universal

Jonah Hill in "The Wolf of Wall Street"

Kleine Überraschung: Julia Roberts

Bei "Beste Nebendarstellerin" findet man dann zumindest eine Überraschung, nämlich: Julia Roberts. Die spielt in "August: Osage County" die frustrierte und zunehmend wütende Tochter Meryl Streeps. Wackelkandidatin Sally Hawkins ("Blue Jasmine") wurde ebenso nominiert wie Lupita Nyong'o ("12 Years a Slave") June Squibb ("Nebraska") und Jennifer Lawrence als New Jersey Hausfrau mit Nagellack-Expertise und umwerfendem Lacher in "American Hustle".

Jared Leto

thimfilm

Jared Leto in "Dallas Buyers Club"

McConaughey!

Mit der Nominierung von Matthew McConaughey als "Bester Hauptdarsteller" muss jetzt auch für die, die die letzten Jahre unter einem Stein oder in Negierung gewisser Wahrheiten verbracht haben, die Zeit vorbei sein, in der man über ihn nur müde lächelt. Das RomCom Korsett hat er abgestreift und ist seit "The Lincoln Lawyer" ausschließlich in wunderbare, meist düstere Rollen geschlüpft. Die Faustregel hier: Spielt der Film im Süden der USA, triumphiert McConaughey. Der Mann wurde geboren, um mit Cowboyhüten, verspiegelten Sonnenbrillen, Schnauzern oder schlammverkrusteten Stiefeln über die Leinwand zu stolzieren. Nach "Mud", "Killer Joe", "Bernie" und "Magic Mike" trumpft er nun in einer kleinen Nebenrolle in "The Wolf of Wall Street" und "Dallas Buyers Club" auf. Sorgen muss er sich keine machen, denn wenn der Oscar nicht an ihn gehen sollte, bekommt er den von Liza Minelli, die großer Fan des Films ist.

Das kleine Wunder von "Dallas Buyers Club" ist, dass es keine Leidensgeschichte erzählt. McConaughey spielt Ron Woodruff ein Rodeo-Raubein, der Mitte der 1980er Jahre mit der Diagnose HIV-positiv konfrontiert wird. Auf der Suche nach Medikation landet er bei Präparaten, die in den USA verboten sind und so beginnt sein Kampf gegen die Pharmaindustrie.

Matthew McConaughey in "Dallas Buyers Club"

Thimfilm

Matthew McConaughey in "Dallas Buyers Club"

McConaugheys Konkurrenz ist allerdings groß, vor allem, weil auch Leonardo DiCaprio für "The Wolf of Wall Street" nominiert wurde und der Film ein einziges "Gebt mir einen Oscar"-Gebahren von DiCaprio ist. Außerdem nominiert als "Bester Schauspieler" sind Bruce Dern ("Nebraska"), Chewitel Eljiofor ("12 Years a Slave") und Christian Bale ("American Hustle"). Ich bleib im Team McConaughey. Auch deswegen so eindeutig, weil Robert Redford ("All is Lost") irgendwo am Weg zu den Oscarnominierungen aus der Kategorie rausgefallen ist. Kann auch damit zu tun haben, dass der Filmtitel leider auch auf die Einspielergebnisse zutrifft, in den USA hat der Film nur 6 Millionen Dollar eingespielt. Auch Tom Hanks fehlt hier und das obwohl er für gleich zwei Filme im Gespräch war ("Captain Philipps" und "Saving Mr Banks").

The Wolf Of Wall Street

UPI

Will endlich auch einen Oscar: Leonardo di Caprio

Wo ist der Indie-angehauchte Film?

Einen Indie-Liebling findet man auch seit ein paar Jahren immer bei den Oscar-Nominierungen, dieses Jahr nimmt diese Rolle Spike Jonze' "Her" ein. Joaquin Phoenix spielt einen Mann in der nahen Zukunft, der der Stimme eines Betriebbssystems verfällt (kein Wunder, es ist die Stimme von Scarlett Johansson) und nein, man kann es wohl nicht vergleichen mit der "The Big Bang Theory"-Episode, in der sich Rajesh in Siri verliebt. "Her" ist nominiert in den Kategorien "Bester Film", "Bestes Originaldrehbuch" und "Best Song". Karen O bei den Oscars zu sehen, das wär was.

Joaquin Phoenix in "Her"

warner

Joaquin Phoenix in "Her"

Bei der Kategorie "Bester nicht englischsprachiger Film" hatte ich mit "Le Passé" gerechnet, der taucht hier aber gar nicht auf, ebensowenig "Blue is the warmest colour", weil er in Frankreich zu spät angelaufen ist. Stattdessen finden sich auf der Liste "The Hunt" (Dänemark), La Grande Bellezza - Die große Schönheit“ (Italien), „The Grandmaster“ (Hongkong), „Omar“ (Palästina), „The Broken Circle Breakdown“ (Belgien) und „The Missing Picture“ (Kambodscha).

Ellen deGeneres

AMPAS

Ellen!

Das Motto für die 86. Oscarverleihung ist "Movie Heroes", das ist ein bisschen wie ein Kindergeburtstag mit dem Motto "Kindergeburtstag", aber andererseits ist da Ellen deGeneres als Host der Sendung, wir können uns also eigentlich beruhigt zurücklehnen und noch etwaige Filmlücken stopfen.

Nach dem Sommer der Flopbuster trudeln nun wieder umwerfende, mitreißende und großartige Filme ein und wer nur allzu gern in die schal gewordene Binsenweisheit einstimmt, dass "Fernsehserien das Kino überholt haben", der könnte ja einfach wieder mal ins Kino gehen.

Die Oscar-Wette wird es auch wieder geben!

Am 2. März 2014 findet die Verleihung der Academy Awards statt, begleitend dazu gibt es hier wieder den Live-Ticker vom roten Teppich bis zum Sonnenaufgang und hoffentlich mit euch als griechischem Chor und einer analysierenden Postingballade zu Rückendekolletes, Vollbärten, Eröffnungsdialogen, Dankesreden, Gesangseinlagen und natürlich den Oscargewinnern. Ich freu mich jetzt schon.