Erstellt am: 19. 11. 2013 - 16:30 Uhr
Piraten an Bord
Auch nicht schlecht:
Why Tom Hanks is freaking awesome
Toddlers and Tiaras with Tom Hanks
Tom Hanks als Robo-Lawyer in "Movie: The Movie"
Wann hat das kollektive Augenrollen aufgehört, sobald der Name Tom Hanks gefallen ist? Ganz genau kann ich es nicht benennen, aber irgendwann haben selbst nachtragende Seelen die tränenreiche "God bless America"-Oscardankesrede vergessen und der allzu große Pathos. mit dem "Forrest Gump" und "Philadelphia" ins Kino eingeritten sind, war vergeben. Vielleicht hat es damit angefangen, dass er den Cowboy Woody in der exzellenten "Toy Story"-Reihe spricht, sicherlich waren eine Hinwendung zu düsteren Genres wie "Road to Perdition" oder aber der famose "Catch me if you can" daran beteiligt, dass die Tom-Hanks-Abwehrhaltung bröckelte. (Im deutschsprachigen Raum kann es natürlich niemals schaden, sich verwundert bzw abschätzig über "Wetten, dass ..." zu äußern.) Der grundsympathische Hanks ist nun auf jeden Fall wieder das, was er früher in seinen Filmen verkörpert hat: Everybody's darling. Und das, owbohl er absolut keine Darlings mehr auf der Leinwand spielt.
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Captain Phillips
Das ewige "good guy"-Gehabe, mit dem er beinahe bereits in James Stewarts Fußsstapfen gestiegen ist, hat er rollentechnisch abgelegt. "Captain Phillips" wird ein weiterer Film sein, der Hanks-Gegner oder -Nörgler an ihrer Position zweifeln lässt. Regisseur Paul Greengrass schickt Hanks als Frachtdampfer-Kapitän durch einen Thriller, der einiges an Nägelbeißen und Gänsehaut daraus zieht, dass er auf einer tatsächlichen Begebenheit beruht. 2009 entern vier somalische Piraten die MV Maersk Alabama und entführen schließlich Captain Phillips.
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Alles wird gut
Alles wird gut, ein Satz, der im Auto zwischen Phillips und seiner Frau (Catherine Keener, leider nur viel zu kurz zu sehen!) fällt, als sie über ihre Kinder reden, wird zu einem Satz, an den man sich auch als Zuseher klammert, selbst, wenn man weiß, wie die Geschichte ausgegangen ist. Das ist unter anderem das Schöne am Kino, es kann die Ratio außer Gefecht setzen. Die Ratio sagt auch pffft..., als sich das kleine Motorboot mit den vier bewaffneten Männern dem riesigen Cargo-Schiff nähert. Die erste Assoziation ist eine biblische: Wie ein wendiger und bewaffneter David nähern sich die vier Piraten dem behäbigen Goliath. An Bord der MV Maersk Alabama befinden sich 17.000 Tonnen Cargo, aber nichts, womit man sich gegen einen derartigen Überfall wehren könnte. Sobald die vier Männer mit ihren Maschinengewehren an Bord sind, ist das Schiff unter ihrer Kontrolle.
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Fahriger Thriller
Philips ist zunächst nicht der klassische Held, Hanks spielt einen Mann, der in einer Extremsituation über sich hinauswachsen muss. Zunächst aber schwitzt er, ist unsicher und hat Angst. Der Crew, die sich zum größten Teil versteckt hält, gibt er noch die Anweisung durch, sich ruhig zu verhalten. Es solle auf keinen Fall zu einer Geiselnahme kommen. Gehetzt, fahrig und nervös sind nicht nur die Bilder - Greengrass setzt wie immer auf seekrank machende Wackelkamera - sondern auch der ganze Film.
Für die Darsteller der Piraten castet er in einer somalischen Community in Minneapolis und findet dort einen Mann, dessen Gesicht man nicht mehr aus dem Kopf bekommt: Barkhad Abdi spielt Muse, den einzigen der vier Piraten, der englisch spricht, mit unglaublicher Wucht, Nachdruck, Wut und Aggression. Für soziale oder wirtschaftliche Hintergrundgeschichten ist nicht wirklich Platz in dem dichtem Thriller, aber für einen kleinen Informationsschlenker: Die Piraten sind eigentlich Fischer, doch das Meer wurde von illegalen Fischdampfern bereits quasi leergefischt (und wie man hier nachlesen kann, ist das noch viel größere Problem, dass der Ozean von Europa und den USA als Giftmülldeponie genutzt wird). Die Schwäche des Skripts liegt hier in der nur knappen Schilderung dieser Hintergrundgeschichten. Was übrig bleibt, ist ein weißer Mann der Arbeiterklasse in den Händen von vier Afrikanern, die manisch Khat kauen. In Sachen Oscars kann es sein, dass die "racial politics" des Films, der Hanks'schen Nominierung noch ein Bein stellen.
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Angst und Panik
Als Muse und seine Mitstreiter hören, dass sie auf einem amerikanischen Schiff gelandet sind, breitet sich Freude auf ihren Gesichtern aus. USA, das bedeutet Geld. Viel Geld. Exzellent nutzt Greengrass die Einheit des Ortes, die Enge der Schiffsgänge und die Anspannung für einen ungewöhnlichen und packenden Thriller. Noch enger wird es, als die vier Piraten mit Captain Phillips als Geisel ein kleines Boot besteigen. Verzweiflung macht sich in Hanks breit. Angst und Panik zeigen sich auf seinem Gesicht, ich glaube, selten hat Hanks mit so wenig Worten gespielt.
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- Der Fact Check von "Slate": Wie genau nimmt es der Film mit tatsächlichen Begebenheiten?
- Einige Crew-Mitglieder sind nicht begeistert: "Captain Philipps" is one big lie
Navy Seals Bejubelung
Auf dem offenen Meer kommt es schließlich wieder zu einer bizarren David-gegen-Goliath-Konfrontation, große Schiffe der Navy Seals gegen ein kleines oranges Rettungsboot. An der Stelle verfällt der Thriller in ewige Wiederholungen von militärischen Kommandos, die mich gerne in Schlaf versetzen. (Das ist nicht metaphorisch gesprochen, ich schlafe ca. 20 Minuten, mir wird aber später versichert, ich hätte nichts verpasst). Die Navy Sniper sind übrigens Mitglieder von SEAL Team Six, ebenjenem Team, das für die Ergreifung Osama Bin Ladens verantwortlich wat. "Captain Phillips" übertreibt es hier ein wenig mit der Glorifizierung, für einige Zeit wird der Film zum Image-Clip für die Navy Seals, weniger dezent als in der "Yvan eht Nioj"-Kampagne bei den Simpsons.
Eine Szene später, die "Oscarnominierung" quer über die ganze Leinwand geschrieben hat, versöhnt mich wieder ein bisschen; was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es sowas wie das Kommando "Kleine Fahrt voraus" gibt und ein Schauspielduell zwischen Tom Hanks und Barkhad Abdi.