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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 4. 2014 - 17:16

The daily Blumenau. Monday Edition, 07-04-14.

Drei kleine Stänkereien: zu den vermeidbaren Ursachen der Affäre Grubeck; zur durchsichtigen Abwiegelei der Wichtigkeit von Systemen; zum ÖFB-Bauchfleck in Sachen Sallahi.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

#fußballjournal14

Was haben Rapid und die Austria mit SPÖ und ÖVP zu tun?

Auf den ersten Blick nicht viel.
Okay, die Präsidiums-Mitglieder werden gerne parteipolitisch zugeordnet; und natürlich stecken Partei-Interessen hinter diversen Umwegfinanzierungen (versteckten Subventionen).
Das meine ich nicht.
SP und VP verlieren im Vorfeld der EU-Wahl gerade das Rennen um das Interesse der breiten Masse an demokratischen Einrichtungen. Für einiges können sie nichts; einiges jedoch ist selbstverschuldet.

Mir kommen im Verhalten der Vereine (samt Verbands-, Liga- und Medien-Umfeld) im Fall der Rapid-Schläger, die zu fünfzehnt den Austria Juniorenteamspieler Grubeck niedergeprügelt haben, einige Parallelitäten unter.

Ich setze voraus, dass alles auch für den umgekehrten Fall gelten würde: denn auch den (ebenso existenten) Austria-Schlägern ist eine solche Aktion jederzeit zuzutrauen. An sich war es zuletzt nämlich die Austria, die sich Sorgen um den ultrarechten Rand und Instrumentalisierung von Spaß-Hools als Schläger-Garden machen musste, also quasi das Erbe von Rapid übernahm, wo man diese Probleme in den letzten Jahren einigermaßen in den Griff bekam. Im Fall Grubeck waren dann kindliche Fehden zwischen Fangruppen vor dem letzten Derby der Saison der Trigger zum Gewalteinsatz.

Das Problem bleibt aber ganz woanders stecken; nämlich im Umgang damit: auf beiden Seiten folgten Sonntags-Reden der tiefen Betroffenheit, in Richtung der Bösewichter gerichtete Drohgebärden (Stadionverbot) und Apelle Ruhe zu bewahren. Nichts davon aber ist konkret, alles bleibt in einem Stadium der Möglichkeitsform hängen; jedem harten Wort folgte eine Relativierung (nicht verallgemeinern, an Wurzel ansetzen, nicht wegen einer Untat alle büßen lassen etc).

Ich bin mir sicher, dass sowohl den Rapid-Insidern als auch den Austria-Auskennern völlig klar ist, welche Gruppe verantwortlich für den Vorfall ist und wodurch oder durch wen die Eskalation erfolgte; die Szene ist klein und übersichtlich. Und auch die szenekundigen Vereins-Checker und Exekutiv-Beamten kennen ihre Pappenheimer. Gut, es gibt aktuell eine vergleichsweise schnelle Verhaftung. Schnelles und effektives Handeln, echtes Durchgreifen abseits der polizeilichen Ermittlungen, ein Vorgehen, das den Verursachern wirklich weh tut, sieht aber anders aus.

Mit viel mehr als dem jetzigen Brimborium, der aktuellen Aufregung, werden die Betroffenen also gar nicht rechnen müssen. Sogar rechtskräftig verurteilte Kapos bekommen augenzwinkernd die Fußfessel, so gering werden Delikte in diesem Bereich von der Justiz gewertet. Diese Koalition der "Alles-nicht-so-schlimm!"-Runterspieler umfasst alle Beteiligten. Die Verantwortlichen bei den Vereinen wollen sich die schwere Arbeit in diesem Höllenkreis durchzugreifen nicht wirklich antun, das Umfeld will weiter in Ruhe am Fußball verdienen/mitpartizipieren und kann kein schlechtes Image brauchen - weshalb in einer nicht abgesprochenen aber stillschweigenden, informell akkordierten Einigung aller Kräfte darauf geachtet wird, die Waage zwischen kurzzeitiger Empörung und mittelfristiger Verschleppung zu finden.

Im Fall Match-Fixing hat sich Europa ja auf eine Vorgangsweise geeinigt, die vorbildlich für schnelle Reaktionen der Vereine sein könnte, man will "unverzüglich, und bevor das Ergebnis eines staatlichen strafrechtlichen Verfahrens bekannt ist, verfolgen." Das gilt im vorliegenden Fall sicherheitshalber natürlich nicht.

Die Bundesliga schickt lieber eine Aussendung mit dem Titel "Stadionverbote sind kein Allheilmittel!" raus und will lieber (so wie bisher) "reden".

Man darf sich dazu der Vergesslichkeit der Öffentlichkeit sicher sein. Außerdem hat sich der Schwamm-drüber!-Duktus mit dem die Vereine, Liga, Verband und Medien jahrzehntelang alle Teufeleien geduldet haben, bereits so massiv im Denken der Branche eingenistet, dass so etwas wie eine beharrliche Verfolgung als etwas zutiefst Negatives gesehen wird und auch so propagiert werden kann. So kommen Prügler bei sich lang hinziehenden Prozessen recht billig in bequeme Opferrollen.

Genau so geht es auch im politischen System Österreichs zu: die Hooligans und ihre Verbündeten spekulieren mit Vergessen und Bequemlichkeit und die großen Player lassen es (mittels Abwarten) zu.

Natürlich verlieren SPÖ und ÖVP, verlieren Rapid und Austria, die Liga und der Verband dann wenn sie nur vage unkonkret und mit die Zukunft gerichteten Apellen scheinhandeln an Glaubwürdigkeit. Und haben damit die nächste Attacke auch schon mitprovoziert. Viel, das haben die Schläger mitbekommen, wird ihnen nämlich sowieso nicht passieren; die Koalition der Nicht-Aufwühler hilft ihnen dabei.

Warum Systeme so unwichtig doch auch wieder nicht sind

Es war belustigend augenfällig, wie einig sich die Branchen-Experten im Vorfeld des Wiener Derbys waren. Trainer, Analysten und Stichwortgeber unterwarfen sich einer einheitlich anmutenden Sprachregelung zum Thema Spielsysteme. Die wären gar nicht sooo wichtig, wie zuletzt getan wurde, lautete der abgestimmte Tenor. Viel mehr würden klassische Tugenden wie Einsatz, Wille, Psychologie und die Spielanlage zählen - ganz wurscht ob man 4-2-3-1 oder 4-4-2 aufläuft.

Das ist nun eine ebenso wenig falsche wie richtige Plattitüde. Selbstverständlich greifen alle Faktoren ineinander. Aber: wenn die zuletzt erfolgreich greifende und medial auch stark verbesserte Beschäftigung mit Taktik, Systemen und Strategen durch eine durchaus offensive Klein-Campaign wieder madig gemacht werden soll, ist besondere Aufmerksamkeit gefragt. Es könnte sich um den Versuch eines Backlashes hin zur alten Schule der reinen Motivations-Coaches, die auf strategische Vorbereitung einen großen Krapfen scheißen, handeln, es könnte ein Versuch sein, einer anfänglich vielleicht noch überforderten Öffentlichkeit das Komplexe auszureden und das allzu Simple, das wenig Arbeit bereitet, wieder schmackhafter zu machen. Und damit das Leben von Coaches und "Experten" zu erleichtern.

Insofern ist es mehr als interessant, wie es sich also im gestrigen Derby verhielt, mit den Systemen, die ja doch eher ziemlich wurscht sind und so.

Zoran Barisic ging mit Rapid so hinein wie schon die ganze Saison über: mit einem 4-2-4, in dem die offensiven Vier ordentlich rochieren dürfen und es gestern wieder einmal keine echte vorderste Spitze gab. Das unterscheidet sich vom Salzburger 4-2-4, in dem zumindest ein Mittelstürmer existiert (das wird noch wichtig werden). Rapid hat dieses System jetzt einigermaßen gut drauf und ist auch deshalb Tabellen-Zweiter.

Herbert Gager

APA/GEORG HOCHMUTH

Herbert Gager

Herbert Gager probierte mit der Austria nochmal das Erfolgsrezept gegen Salzburg (wo man gegen die noch immer Meisterschaftstrunkenen 3:0 gewann), das schon gegen Ried eher schiefgegangen war: vor einer Dreier-Abwehr zwei Mann im Zentrum, zwei Außenspieler, zwei offensive Läufer und vorn drin ein Hosiner. Das ergibt ein 3-4-2-1, das sich aber auch anders (Stichwort Fünfer-Abwehr) lesen lässt.

Gager, ein durchaus gewiefter Taktiker, hatte die Idee wohl vom FC Basel, der Salzburg mit einem hochflexibel agierenden 5-3-2 aus Europa heimschickte. Im Unterschied dazu verzichtete Gager aber auf einen offensiven Mann im zentralen Mittelfeld, was seinem Team bei aller defensiven Stärkung entsprechend weniger kreative Gegenmittel überließ.

Gegen Salzburg klappte es, auch wegen der Feiermüdigkeit und dem Überraschungs-Moment. Gegen Ried gings schon fast schief (Gager stellte in Halbzeit 2 um), gegen Rapid war in Halbzeit 1 nicht mehr als schieres Tore-Verhindern möglich.

Stellt sich die Frage, ob es klug ist, ein solch aufs Defensive eingestelltes System (mit der entsprechenden Vorsichts-Taktik) nach einem Gelingen gegen den übermächtigen Meister auch bei Gegnern in Griffweite anzuwenden. Eigentlich hatte sich die Frage schon in Ried beantwortet; warum Gager im Derby wieder darauf zurückgriff bleibt rätselhaft.

In Halbzeit 2 konnte sich seine Mannschaft des besser ausgespielten, nicht korsettierten Drucks von Rapid nicht mehr erwehren, und geriet nach einer Umstellung auf ein flaches 4-4-2 zwingenderweise in Rückstand.

Und so geschah, was geschehen musste: die Austria verlor das Spiel wegen der (sogar zweifach) falschen Systemwahl. Ich bin schon gespannt auf die nächstwöchigen Ausreden der Vorfeld-Abwiegler, die genau das als ganz unwichtiges Beiwerk eingeordnet hatten.

Schön langsam fällt dem ÖFB der Fall Sallahi auf den Kopf

Jetzt wird's peinlich, am Wochenende hat der aus durchsichtigen Gründen noch nie teamberufene Ylli Sallahi nämlich für die Bayern debütiert.

Ich verfolge den Weg des im Kosovo geborenen Kapfenbergers seit Sommer 2011 als er aus dem Nachwuchs-Modell Kapfenberg zur U17 der Münchner Bayern wechselte. Seitdem berichte ich regelmäßig darüber, dass Sallahi, der als Offensiv-Kraft begann, dann aber als Linksverteidiger umgeschult wurde, vom ÖFB gar nicht oder nur auf Abruf nominiert wurde. Auch hier, beim neuen Projekt 12 kam man wieder (argumentationslos) ohne ihn aus.

Ylli Sallahi

EPA/STEFAN PUCHNER

Ylli Sallahi

Unter Guardiola wurde der mittlerweile in die U19 und dann zu den Amateuren aufgestiegene, am letzten Sonntag zwanzig Jahre alt gewordene in den Champions League-Kader berufen. 2014 zog der Pep-Gott den jungen Österreicher in den A-Kader hoch und verschaffte ihm zwei Auftritte auf der Bank. Und ich habe mir im Februar erlaubt nachzufragen, ob U21-Coach Gregoritsch ein Problem damit hat, jemanden, der beim weltbesten Team auf die Bank darf, für seine U21 zu nominieren.

Hat er, wie wir wissen. Es gibt da atmosphärische Störungen, Gregritsch war Coach in Kapfenberg, als Sallahi da abging, seitdem steht der auf einer schwarzen Liste.

Am Wochenende hat Ylli Sallahi nun für Bayern München in der Bundesliga debütiert. Er hat Fehler gemacht und war in einigen Situationen überfordert, aber Guardiola hat ihn (und die anderen Jungen) extra gelobt. Guardiola.

So kommt der ÖFB zunehmend in einen auch anderen auffallenden Erklärungs-Notstand, auch weil Sallahi auch für andere Nationen interessant sein könnte.

Dabei war das ein Notstand mit Riesenvorlauf, mit gewaltiger Ansage: Sallahis Aufstieg war ab/unübersehbar, die Peinlichkeit Gregoritschs privaten Boykott über das Sportliche zu stellen näherte sich mit heftigen Warnblinkereien.

Nun ist Werner Gregoritsch auch in anderer Hinsicht ein fleischgewordener permanenter Erklärungs-Notstand: homophobe Ausfälle, gruselschlechtes Coaching seiner U21, ungleiches Maß seiner überzogenen altbackenen Disziplinierungs-Maßnahmen und ein absurd-grundloser Bonus für alles was steirisch ist, das ist die Visitkarte des lauten Motivationstrainers ältester Schule.

Für eines kann Gregoritsch nichts: eine Nachwuchs-Politik, die das Ego der Trainer über die Bedürfnisse der Nationalmannschaften (z.B. das nach großen Talenten) stellt. Das verbocken andere.