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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 3. 2014 - 20:43

The daily Blumenau. Thursday Edition, 06-03-14.

Ein wenig erfreutes Zwischenfazit zum ÖFB-Team. Und eine Frage zur U21.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

Nachlese zu den gestrigen Länderspielen, dem Test des A-Teams gegen Uruguay in Klagenfurt und dem U21-EM-Quali-Match gegen Albanien in Graz.

Von Veränderung überfordert, den Zugriff aufs Spiel verloren

#fußballjournal14

Wir waren auf dem falschen Dampfer.
Es ging nicht um das Ausspielen einer bereits auswendig abspulbaren Strategie, für die Teamchef Koller einfach keine neuen Leute (weil der Anlern-Prozess zu lange dauern würde) mehr braucht.
Es ging auch nicht um eine neue taktische Variante, mittels derer das bereits grobkörnig getunte System des ÖFB-Teams noch eine zusätzliche feinere Abstufung erhält.
Es ging schon gar nicht um irgendwelche Personalfragen.

Der Launeverderber von Klagenfurt, der den Rückfall in Halbzeit 2 bedingte, war eine Variable, mit der das ÖFB-Team unter Koller noch nicht umzugehen gelernt hat: eine taktische oder strategische Änderung beim Gegner.

Deshalb verlief die zweite Hälfte gegen Uruguay strukturell so wie die gegen Schweden: man kam, äußerlich ohne erkennbaren Grund, weil es keine allzu offensichtlichen Personalwechsel oder spektakuläre Umstellungen gab, mit dem zweiten Anpfiff nicht mehr mit in die Partie, musste sie komplett dem Gegner überlassen. Im Fall von Uruguay noch dazu einem, den man in punkto Jugendlichkeit und Athletik eigentlich ausstechen müsste

Nun könnte man schnippisch anmerken, dass bei einer Mannschaft, die sich selber innerhalb eines Spiels kaum jemals neu zu orientieren vermag und bei einem Coach, der prinizipiell erst sehr spät und dann meist Position für Position wechselt, so etwas wie eigenständige Reaktion der Spieler auf neue Ausgangspositionen kaum möglich sind.
Das sind in Wahrheit aber zwei Paar Schuhe.
Wer (noch) nicht so zu agieren versteht, wie es die Großen tun, sollte zumindest zu einer geschickten Re-Aktion fähig sein.
Das international immer noch vergleichsweise unerfahrene und durch den Rückstand der heimischen Coaching-Kultur immer noch hinterdrein fahrende ÖFB-Team befindet sich auf der Überholspur, auf der das bereits erprobt werden konnte.

Koller und Co können sich nämlich jede noch so fein ziselierte Strategie, jedes noch so gefinkelte System, jede noch so schlaue Taktik und jeden noch so listigen Matchplan in die Haare schmieren, wenn der Elf auf dem Platz die Flexibilität in der Umsetzung fehlt und sie bei der geringsten Änderung der Gegenwindstärke den Plan verlieren.

In solchen Situationen braucht es das, was man Führungsspieler nennt. Nun gibt es im ÖFB-Team einige Akteure, die imstande sind, Aktionen zu setzen und damit den Charakter eines Spiels beeinflussen: Alaba oder Junuzovic etwa. An sich. Als einzige in der gestrigen Startelf. Zu merken war davon aber nichts. Alaba tauchte völlig ab, Junuzovic folgte. Ivanschitz, der das in seiner Hochblüte als Kapitän konnte, passte sich in Halbzeit 2 an. Kavlak, der bei Besiktas längst erhöhte Verantwortung trägt, kam zu spät, verstand seine neuen Qualitäten im Team aber noch nicht umzusetzen.

Wenn all das zusammenkommt so wie Mittwoch Abend, dann bröselt die Mannschaft also auseinander. Und das kann jederzeit wieder passieren. Junuzovic ist ein Instinktspieler, der dann mitreißen kann, wenn ihm etwas Spielerisches gelingt - sich darauf zu verlassen: Risiko. Und Alaba ist ein überdurchschnittlich begabter Stratege, der diese Fertigkeit aber in seinem Bayern-Alltag nur bedingt ausspielen muss und so vielleicht zu wenig Augenmerk drauf legt. Noch dazu orientieren sich die meisten Spieler an Alaba und tauchen dann, wenn er in ein Loch fällt, ebenfalls ab, anstatt seine Kreativ-Pausen aufzufüllen.

Das sind nun allesamt Dinge, die sich nicht trainieren lassen, wie richtige Passwege, freches Pressing, die Formation seitlicher Dreiecke, eine gut aufrückende Viererkette, die Arbeitsaufteilung im Mittelfeld oder das Anspielen der vordersten Spitze. Dabei haben Koller und Co gute Fortschritte erzielt, damit sind die aktuellen Spieler gut vertraut.

Die im Match gegen Uruguay augenfällig gewordenen Problemzonen liegen aber eher im psychischen Bereich. da traut sich ein immer noch recht junges Team mit einer nicht natürlich gewachsenen, sondern durch Leistung und Status geformten Hierarchie auch dann nicht von Vorgaben abzuweichen, wenn es dringend und überlebenswichtig wäre. So geschehen in Schweden (wo man auch deshalb verlor), so geschehen gestern in Halbzeit 2, die man im Ernstfall nicht überlebt hätte.
Marcel Koller muss auch sein in dieser Hinsicht oft zu zögerliches Verhalten hinterfragen. Wenn der Boss an der Linie zaudert und ein aus der Hand geglittenes Match weder durch gezielte Anweisungen noch durch Umstellungen einzufangen versucht, dann ist das ein fatales Nicht-Zeichen an die Mannschaft.

Wir waren also alle auf dem falschen Dampfer.
Das Problem ist nicht ob jemand wie Ilsanker integrierbar wäre oder nicht (wäre er, wette ich, ganz leicht sogar), es braucht ein gestärktes Bekenntnis zur geistigen Flexibilität, um so widerstandlose Rückfälle zu vermeiden.
Mit der Betonung der fehlenden Routine greift der Teamchef da zu kurz.

Die U21, Werner Gregoritsch und die vielen Fremdworte

#fußballjournal14

Es war wirklich traurig. Wie Werner Gregoritsch nach dem Match die hilfloseste aller Trainerphrasen bemühen musste um das Geschehene irgendwie fassbar zu machen. Man wäre nicht in die Zweikämpfe und so nicht ins Spiel gekommen, sagt Gregoritsch da. Heute setzt er nach, mit Durchhalte-Parolen, dass man soviel erreicht hätte und sich jetzt nicht verrückt machen sollte.
Gut, Gregoritsch hat jetzt Zeit. Das nächste Quali-Spiel seiner U21 findet erst im September statt. Bis dahin hat man sicher vergessen, dass die Grazer Heimniederlage gegen Albanien den notwendigen punktereichen zweiten Gruppenplatz hinter den uneinholbaren Spaniern massiv gefährdet hat.
Überflüssigerweise.
Denn schon im letzten Match gegen Ungarn lag man (auch daheim) zurück, ehe sich das Match noch drehen ließ. Diesmal fehlte das damalige Glück, und man verlor - leistungsgerecht.

Denn das, was beim A-Team alles erreicht wurde, die Verbesserungen in philosophischer und strategischer Hinsicht, das sind beim U21-Team immer noch Fremdworte. Die von Gregoritsch, der außer der gezielten Wertschöpfung für seine steirische Heimat und seiner homophoben Grundeinstellung über keine vorzeigbare Philosophie verfügt, tatsächlich nicht so recht übersetzt werden können.

Vor dem Match, trotz aller Alibi-Vorsicht in Erwartung eines klaren Sieges, der fast-schon-Fixierung von Platz 2 und somit dem Erreichen des Play-Offs hatte der Steirer den Mund schon schön voll genommen, hatte Vorgänger Herzog mit Aussagen darüber wie ungern seine Burschen unter dem Vorgänger spielen wollten nassgemacht. Jetzt ist er selber der begossene Pudel.

Dass Koller, Alaba und Co sich gegen die Neuausrichtung von Uruguay in Halbzeit 2 nicht wehren konnten, ist im Vergleich zu Gregoritsch und seinem nicht adäquaten Matchplan gegen Albanien (also einer Grundrechnungsart) ein Problem zweiter Ordnung (also höhere Mathematik).

Dass der ÖFB just in der U21, dem Übergang der doch vergleichsweise behüteten Jugendspieler zu in die Pflicht genommenen jungen Erwachsenen, einem ausgewiesenen Nicht-Pädagogen, einem durch Lautheit überzeugen wollenden "Motivator" das Feld überlässt, war seit Anbeginn an verblüffend. Jetzt rächt sich die Ausrichtung dieser Personalie doppelt.

Gregoritsch findet nichts dabei sein Team an Schlüsselpositionen mit Spielern zu besetzen, die bei ihrer Mannschaft entweder grade gar kein Leiberl haben oder - wie seine deutlich geförderten Sturm Graz-Akteure - Burschen in massiven Gesamtkrisen einzusetzen. Im zentralen Mittelfeld verzichtet er ganz bewusst auf bestimmte Akteure, auf deren Kosten er sich als Polterer profilieren musste und verzichtet auf weitere in guter Form befindliche - wenn ihm dann seine beiden kreativsten Offensivleute (Schaub und Robert Zulj) ausfallen, die (von ihm alternativlos gecastete) Abwehr einen besonders schlechten Tag erwischt und der Tormann patzt, dann nützt auch die immer recht agile Leistung seines Sohns Michael (der bei St.Pauli auffällig ist) ganz vornedrin nichts.

Ohne gezielte Vorbereitung auf einen Gegner, der die ersten beiden Tore nach dem exakt selben Muster erzielte, ohne eigene Spiel-Idee und mit einem von Koller vorgegebenen System, das Gregoritsch bei seinen Vereinen nie so spielen ließ (weil er aus einer ganz anderen, recht alten Schule kommt) wird es einer durchschnittlich erschütterbaren Mannschaft überdurchschnittlich schwerfallen wirklich etwas zu bewegen.

Klar gehen hochgezogene Akteure wie Hinteregger oder Sabitzer ab. Wenn dann aber der nächste, Kevin Wimmer, der beste Zweitliga-Verteidiger Deutschlands, nur über revanchefoulartige Rempeleien auffällt, dann ist Gregoritschs Einfluss an der falschest möglichen Stelle spürbar. Die Zweikämpfe, vor allem die unnötigen, hatte die U21 nämlich durchaus angenommen.

Es werden nicht solche Rangeleien sein, die der U21 das Erreichen der EM-Playoffs bringen, sondern das gezielte Zusammenspiel bestmöglich in Szene gesetzter Formationen, technisch versierter Spielfluss und schnelles Umschalten, das kreative Umsetzen einer glaubwürdig vermittelten Philosophie. Dass Werner Gregoritsch das alles leisten wird können, ist angesichts des am Boden der Tatsachen abgekommenen U21-Status Quo, eher fraglich.