Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Wednesday Edition, 12-03-14. "

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

12. 3. 2014 - 18:18

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 12-03-14.

Jugend und Disziplin, Verantwortung und Versagen.

Auch 2014 online: der Versuch das Journal '13 (wie schon das von 2003, '05, '07, 2009 und 2011) durch ein kürzeres Format zu ersetzen, um so Täglichkeit hinzukriegen. Mit Items aus diesen Themenfeldern.

#fußballjournal14

Ich gebe zu: mir ist gestern das Mittagessen aus dem Mund gefallen, als mich die ÖFB MediaInfo 029/2014 erreicht hat.
Nicht so sehr aus Verblüffung (die handelnden Personen sind da geübt - dazu später), sondern aus Ärger über die sagenhafte Durchsichtkeit dieser Aktion: der ÖFB gab an sechs U21-Spieler wegen einer Disziplinlosigkeit zu suspendieren. Nach einem Heimspiel gegen Albanien, das man in erster Linie wegen der Schwächen des ÖFB-Coaching-Teams (die hier ausführlich nachbesprochen wurden) deutlich verloren hatte.

Mehr plumpe Ablenkung vom eigenen Versagen geht nicht, mehr Schuldzuweisung an junge Schutzbefohlene auch nicht. Gregoritsch macht hier den Hartmann (der ja auch nicht seiner eigenen Hybris, sondern seinem Ensemble die Schuld an seiner kapitalen Niederlage gibt) und er macht das nicht zum ersten Mal, er ist Wiederholungstäter.

Auch nach der letzten schlimmen (und auch mehr durch die Betreuer als durch die Spieler verursachte) Niederlage (sechs Gegentore von Spanien) suchte der U21-Coach sein Heil in der öffentlichkeitswirksamen Ablenkung und Schuldzuweisung an einige seiner Spieler: damals wurden drei Kicker (Holzhauser, Ziegl, Robert Zulj) wegen eines Damenbesuchs am Zimmer suspendiert.

Diesmal ist ein spätabendlicher Ausflug von gleich sechs Spielern, der erst nach dem Trainingslager aufflog, Grund für die Wiederholung dieses Musters.

Lieber Herr Blumenau, ich weiß, Sie schätzen Hrn. Gregoritsch nicht, aber ich finde der unterschiedliche Umgang mit Disziplin-losigkeit bei Eishockey und Fußball wäre auch einmal einen Blogeintrag wert. Klar, der Fußball ist durchzogen durch typisch österreichische Freunderl-wirtschaft und mangelnde Professionalität in den Stabstellen, gespiegelt durch dementsprechende Berichterstattung; aber was (...) man sich im anderen Fall (...) hinsichtlich des "Unter-den-Teppich-Kehrens" dies-bezüglicher Verfehlungen erlaubt, eröffnet meines Erachtens eine neue Dimension im Umgang mit Sozialkapital. Es ist schon eine Leistung wenn man es schafft, ein Thema derart diskursunfähig zu machen, dass ein bereits im "Skandal-Modus" befindlicher Mindset des Boulevards durch drei lapidare Entschuldigungen bereits derart besänftigt wird, dass die Handlungen vollkommen ohne Konsequenzen bleiben (können). Insofern ist der Fußball - "Gregoritsches" hin oder her - schon weiter als andere Sportarten, finden Sie nicht? xx.

Kurz nach der Meldung erreichte mich ein Mail eines Users (nebenan im Wortlaut), der (in empathischer Vorausahnung meines Zugangs zum Thema) einen zusätzlichen Aspekt berücksichtigt sehen wollte: dass nämlich unlängst, angesichts eines viel deutlicheren und auch wesentlich folgenschwereren nächtlichen Ausflugs einer österreichischen Nationalmannschaft gar keine disziplinierende oder auch kritische Aktion erfolgt sei, was auch im Spielerkreis selber zu Unmut führte.

Richtig, vom olympischen Eishockey-Turnier ist die Rede: da feierte ein gewichtiger Teil des Teams den wichtigen Sieg gegen Norwegen so heftig, dass das noch wichtigere Entscheidungs-Match gegen Slowenien (eine historisch einmalige Chance) aufs Wildeste verkackt wurde. Verband, Olympisches Komitee und Öffentlichkeit gaben sich mit der kleinlauten Entschuldigung der NHL-Legionäre Vanek und Grabner zufrieden; allgemeines Schwammdrüber.

Da wird massiv mit zweierlei Maß gemessen, ja.
Im Gegensatz zu xx sehe ich aber keine Veranlassung einen branchen-übergreifenden Maßnahmen-Katalog bezüglich disziplinärer Verfehlungen einzuziehen.

Ich kann nämlich keine Vergleichbarkeit erkennen.
Ganz im Gegenteil: ich sehe ein Problem in der hochgradigen Unterschiedlichkeit der Behandlung erwachsener Profis bzw jugendlicher Amateure.

Im Fall Olympia hat eine hochprofessionelle Truppe von sehr erwachsenen Männern bei einem der wichtigsten Turniere ihres Lebens einen ganz bewussten kollektiven Akt gesetzt (wie es geschehen konnte, dass sich kein Betreuer, Funktionär, sonstwie Verantwortlicher aus der vielköpfigen Begleiter/Aufpassen-Truppe um die Party-Tiger kümmerte um die schlimmsten Exzesse zu verhindern, ist eine andere Frage, rüttelt heftig an der Verantwortung von Betreuung und Teamführung, insbesondere bei doppelt besetzten olympischen Spielen) - im totalen Bewusstsein des eingegangenen Risikos.

Nach dem Sündenfall und dem hinterlassenen Scherbenhaufen entging man dann nämlichem Gericht durch sofortige Flucht nach vorne, zerknirschte Entschuldigung und die zwischenzeilige Betonung des Sonderstatus, den diese Gruppe durch den Schutz der NHL-Superstars genießt.

Soll heißen: jede Verbands-Reaktion zöge das Risiko, dass Vanek, Grabner und andere Leistungsträger der Nationalmannschaft künftig den Mittelfinger zeigen würden, nach sich. Weshalb der ohnehin wenig Autorität genießende Coach, der solchermaßen erpresste Verband und das wie so oft planlos ÖOC dann auch durch inexistente Reaktionen glänzten.
Alles eine Farce, keine Frage; eine Farce, die die Machtverhältnisse im österreichischen Hockeysport aufzeigt.

Im Fall U21 hat eine Nachwuchs-Mannschaft von 19 - 21jährigen Burschen bei einem Trainingslager das gemacht, was schlimme Finger bei allen Mannschaften zu allen Zeiten gemacht haben, von Beckenbauer bis Ogris: heimlich ausbüchsen, den Zapfenstreich überziehen, sich davonstehlen und ein bissl abenteuerlich in der Disco unterwegs sein.

Das ist moralisch deutlich unter Arnautovic' Polizisten-Kaufansage einzuordnen und ist ethisch nicht einmal ansatzweise so problematisch wie Gregoritsch homophobe Ausfälle.

Weil man das auch anrüchig auslegen kann: da war ein Groupie mit am Zimmer, es gab keine Orgien. Von den organisierten (und wohl augenzwinkernd akzeptierten) Nutten-Besuchen wie im Fall von deutschen Spitzenteams auf Österreich-Trainingslagern (Franck Ribery und seine einschlägigen Probleme sind nur die Spitze des Eisbergs) ist das alles kilometerweit entfernt.

Wie schon im Fall des (nach der Niederlage passierten) Damenbesuchs vom letzten Jahr hatte auch der aktuelle Vorfall (der noch dazu zwei Tage vor der Albanien-Partie stattfand) keine akuten Auswirkungen aufs dann verlorene Match. Zwei der sechs Spieler kamen gar nicht zum Einsatz, einer erst sehr sehr spät, Martschinko lieferte eine vergleichsweise gute Partie ab, die mäßige Leistung von Offenbacher ist der Sturm-Krise und jene von Neuhold der Tatsache, dass er bei Altach jüngst seinen Stammplatz verloren hat, geschuldet.

Im Gegensatz zur Eishackler-Sauforgie, deren Auswirkungen drastisch sichtbar wurden, hatte die heimliche Ausbüchserei keinerlei praktische Folgen.

Trotzdem nützt Trainer Gregoritsch zum wiederholten Male das Aufbauschen disziplinärer Verstöße um sich freizustrampeln - diese Vorgangsweise folgt einem Muster. Neben Kabinen-Gepoltere, Schimpftiraden und absurden homophoben Peinlichkeiten ist die Schuldzuweisung der Marke "alles Memmen, früher haben wir Gras und Erde gefressen!" Gregoritsch' Spezialität.

Gregoritsch-Link 1 und Link 2.

Dass er das jetzt auch im nationalen Ausbildungszentrum des heimischen Fußball-Nachwuchses performt, ist schon einmal per definitionem seltsam: im Gegensatz zu einem Profi-Betrieb, in dem klare Verträge Verhalten, Einstellung und Leistung definieren, sollten die Jugend-Nationalmannschaften Orte der Herzens- und Willensbildung sein, in einem immer noch geschützten System ohne öffentlich gemachten Voyeurismus. Stattdessen setzt ein verschultes System (Sportdirektor Willibald Ruttensteiner mag seine Vergangenheit als Lehrer nicht abschütteln) auf Strafen-Kataloge und gezielte Öffentlichkeit.

Und natürlich wissen auch die Jungen, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, dass der Einsatz von Prostituierten in Trainingslagern von deutschen Tabellenführern vertuscht wird und dass Vanek und Grabner nach einem offenem Saufgelage mit einem schlichten Sorry davonkommen, sie aber für ein vergleichsweise deutlich harmloseres Bubenstück öffentlich an den Pranger gestellt werden.

Natürlich nehmen alle Akteure die graduell sehr unterschiedlichen Stadien der Pardonierung, der die drei Bösewichte von Suspendierung 1 aktuell unterworfen sind, zur Kenntnis.

Und natürlich wissen nicht nur die U21-Beteiligten, sondern alle des kurzen Nachdenkens Mächtigen, dass diese hochgepitche Affäre dazu dient von Gregoritschs aktuellen Problemen abzulenken.

Hier läuft einiges schief.
Man schießt nicht nur mit Kanonen auf Spatzen, sondern hat auch den Kodex der Verantwortung für den Nachwuchs des Landes verlegt. Ethische Grundsätze, an denen sich nachrückende Elitekicker ernsthaft orientieren können, ganz ohne sich Bigotterien ausliefern zu müssen.

Die Lehre, die der Nachwuchs aus dieser scheinmoralischen, eher nur moralinsauren Maßnahme zieht, kann keine ethische sein: der ÖFB zeigt nur exemplarisch, dass es die Schwachen (die Jungen, die Schutzbefohlenen) sind, die die Schläge abbekommen, während es sich die Stars jederzeit richten können.
Das ist zwar eine tatsächliche Lehre fürs tatsächliche Leben, ein Vorgriff auf die Schlechtigkeit der Welt, aber nicht das, was an Ethik und Moral wirklich vermittelt werden sollte; schon gar nicht vom nationalen Verband.

Im Gegensatz zur Position von xx sehe ich in der strikten Anwendung von struktureller Gewalt (und die prangerartige Bestrafung ist eine solche) gegen junge Ersttäter keine Gerechtigkeit; schon gar nicht, wenn sie von moralisch zweifelhaften Fußball-Lehrern kommt.

Ich sehe darin, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird und Verantwortlichkeit zur Verschleierung von sportlichen Probleme dient, einen Rückstürz in die heuchlerischen Untiefen der 50er Jahre. Und eher ein Versagen was die Sorgfaltspflicht betrifft als eine zukunftsgerichtete Handlungsanleitung.