Erstellt am: 29. 4. 2016 - 11:15 Uhr
Superhelden im Clinch
Superhelden-Kino
Leider super
Stockdüster, brachial, opernhaft: "Batman v Superman: Dawn Of Justice" erweist sich als bestes Comic-Kino-Epos seit Langem.
Kleiner Mann - was nun?
Mit "Ant-Man" macht sich die kreative Flaute des Marvelkinos stärker bemerkbar.
Die Leere hinter dem Getöse
Ein paar persönliche Anmerkungen noch zu "Avengers: Age Of Ultron" und dem anhaltenden Boom des Marvelkinos.
Von der Glitzer-Disco ins Doom-Reich
Persönliche Gedanken zum Superman-Mythos und Zack Snyders "Man of Steel".
Antiheld mit Sprechdurchfall
Der eine hat den Film nicht gesehen, der andere kennt die Comics nicht: Doc Nachtstrom und Herr Fuchs unterhalten sich trotzdem über "Deadpool".
Der Wolf im Wolfspelz
Hin, hin, hin war der Wolverine nach der schrecklichen 2009er-Verfilmung. "The Wolverine" versucht nun die Risse im X-Men-Franchise zu kitten.
Von guter und böser Ironie
Über Spötteln als Waffe, Lässigkeit als Methode und wie Regisseur Shane Black mit "Iron Man 3" an die Stärken des 80er-Actionkinos anknüpft.
So wie es aussieht, wird Hollywood nicht aufhören, Superheldenfilme auf die Leinwand zu bringen, bis auch der wirklich der letzte Capeträger ein eigenes Franchise hat, bis schließlich auch Möbelix- und Selfman im CGI-Blitzlichtgewitter ihre Oneliner und Superkräfte blankgezogen haben.
Dass ich nie Comics gelesen hab und außer exzessivem Regentage-Fernseh-Schauen der nicht wirklich guten Serie "Lois & Clark" auch wenig klassische Superheldenvorbildung habe, hilft wahrscheinlich enorm bei der Begegnung mit dem nicht enden wollenden Getöse von Superheld-Blockbustern; ich kann nicht wirklich enttäuscht werden, weil kein Kindheitsherz an Spidey, Batman oder Hulk hängt.
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Doch selbst als Elevin im Marveluniversum rief einer immer schon Skepsis in mir hervor: Steve Rogers. Schon sein Bühnenname Captain America ist so naiv-heroisch patriotisch aufgeladen, dass sich Vernunft und Bauchgefühl darauf einigen, leichten Grusel entstehen zu lassen - vielleicht auch deswegen, weil man sich vorstellt, wie wohl ein Käpt’n Österreich in einem rot-weiß-roten Kostüm aussehen würde. Ausgerechnet die Filme aber über den so kreuzbraven Supersoldaten wurden zu einem der interessantesten Auswüchse der Marvel-Superheldenverfilmungshydra, die nach unserer Aufmerksamkeit heischt.
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Zum fünften Mal (zwei Captain-America-Filme, zwei Avengers-Filme) schlüpft nun bereits Chris Evans in den so wahnsinnig unbequem aussehenden Helm und den wasserabweisenden Kampfanzug des aufrechten Captains. Wie bei "Captain America: Winter Soldier" haben die Brüder Joe und Anthony Russo die Regie übernommen - fernseherprobte Regisseure von so tonal und humorig ganz anderen Planeten wie "Arrested Development" und "Community". Beide Serientitel kann man übrigens auch gut gebrauchen, wenn man über "Captain America: Civil War" spricht. Denn durch die Gemeinschaft der Superhelden, vulgo Avengers, geht ein Riss. United we stand, divided we fall steht auf dem Filmplakat zu lesen und es ist dann schon fast ironisch, dass ausgerechnet die United Nations ein wenig Schuld an der Entzweiung sind.
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Ein paarmal zu oft hat der Einsatz der Avengers gegen Bösewichte unschuldige Opfer gefordert. Die UNO möchte die Supergroup unter Aufsicht stellen. Dass dies tatsächlich die UNO ist und nicht ein erfundener Staatenbund ist nur einer der vielen Heringe, mit denen "Captain America: Civil War" sein Geschichtenzelt in der Realität zu verankern versucht. Dabei hilft natürlich enorm, dass weder der nordische Haarpracht-Gott Thor noch das grüne Zornbinkerl namens Hulk mit von der Partie sind. Der Rest der Bande ist ja im Grunde einfach nur eine verflixt gut ausgestattete und exzellent trainierte Superbürgerwehr. Ausgerechnet Tony Stark, sarkastische One-Man-Show (grad consciously uncoupled von der von Gwyneth Paltrow gespielten, hier aber abwesenden Pepper Potts) unterstützt den Plan der UNO. Eine Kontrolle von außen sei nach Katastrophen wie in Sokovje (siehe "Avengers: Age of Ultron") notwendig.
Der Mann, der aussieht wie der Typ Mann in den 1990er Jahren, den man "nachdenklicher Softie" nannte und der nirgends ohne Kuschelpulli oder Golden-Retriever-Welpen hinging, widerspricht: Steve Rogers aka Captain America spricht von Freiheit und Unabhängigkeit und deren Wichtigkeit für die Arbeit der Avengers (Ich geh davon aus, dass der oben erwähnte Käptn Österreich auch eher gegen eine derartige "Verstaatlichung" wäre). Doch natürlich schlagen sich Rogers und Stark wegen dieser Uneinigkeit noch nicht die Schädel ein, wir sind ja hier nicht am Stammtisch, sondern im Superheldenloft.
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Als aber bei einem Anschlag auf die UNO in Wien der König von Wakanda stirbt und der sogenannte "Winter Soldier" Bucky (siehe "Captain America: Winter Soldier") dafür verantwortlich sein soll, wird der Bruch zwischen Iron Man und Captain America größer. Stark hält Bucky für schuldig, Rogers hingegen glaubt nicht, dass sein alter Freund Bucky so etwas tun würde - gehirngewaschener Auftragskiller hin oder her. "Captain America: Civil War" ist exzellent in seiner Art zu erzählen, so dass die, die "Avengers: Age of Ultron" und auch "Captain America: Winter Solider" nicht gesehen haben, nicht auf der Strecke bleiben, ohne dass der Film auf stumpfe Nacherzählungsmonologe oder Flashbacks zurückgreifen muss. Der Film nimmt sein Publikum als fähig an, Zusammenhänge selbst zu erkennen, anstatt alles lieber zur Sicherheit nochmal in Dämlack-Dialogform zusammenzufassen. Und ja, es gibt sie, die Dialoge in diesem Film. Erstaunlich lange sogar und so gut wie nie werden sie von Kampfhandlungen unterbrochen. In Sachen Actionchoreografie zäumt dieser Film nämlich das Pferd von hinten auf. Zu Beginn und in der Mitte warten ausführliche, CGI-lastige Karachoszenerien, der finale Showdown aber ist mehr oder weniger ein Faustkampf. Rogers gegen Stark, das ist Brutalität, weil hier schließlich Freunde aufeinander treffen. Und rein empathiemäßig ist eine Ohrfeige auf Freundeswange gewaltiger als sagen wir mal, ein Superbösewicht, den man mit vereinter Superheldenkraft und Raketenkraft ins All schießt.
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Es ist diese Zurückhaltung, ein Konflikt unter Freunden, kein globales Bedrohungsszenario, die "Captain America: Civil War" unter anderem sehenswert machen. Und natürlich die Abwechslung in Sachen Schauplätzen. Statt eine weitere amerikanische Großstadt in Schutt und Asche zu legen, liefert man sich hier Verfolgungsjadgen durch rumänische Ostblockbauten oder kämpft trickreich und epochal am Berliner Flughafen. Stellenweise wirkt der Film überhaupt mehr wie ein düsterer Spionagefilm als ein Superhelden-Epos.
Das liegt auch am Bösewicht, der diesmal ohne größenwahnsinnige Welteroberungs/Weltzerstörungspläne daherkommt, keine Maske trägt, nicht mit der Bane-Rülpsstimme spricht und auch nicht in manisches Bösewichtgelächter verfällt. Deutschlands liebster Schwiegersohn Daniel Brühl spielt einen gebrochenen Mann namens Helmut Zemo, der gern schwarzen Kaffee trinkt, alles verloren hat und einen Keil zwischen die Avengers treiben will. Wie Brühl das spielt, zurückhaltend und doch brodelnd, mit einem kleinen Akzent, der aber so meilenweit von den karikaturhaften Sprechweisen der "bösen Deutschen" entfernt ist, dass er diesen Bösewicht-Prototypen, der von "Indiana Jones" bis" James Bond" immer gern die fehlende Fähigeit der allemanischen Zunge zum "th" demonstriert hat, ein komplett neues Gesicht gibt. Ein trauriges, konzentriertes, helmfreies Gesicht.
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Doch im Grunde ist Zemo nur ein MacGuffin, der die Schwachstellen der Avengers kennt und sie für seine Zwecke zu nutzen weiß. Dass die Superhelden hier nicht gemeinsam einen weiteren Superschurken dingfest machen, sondern mit sich selbst (sic!) zu kämpfen haben, macht den Reiz des Films aus. Den sinistren Grundton legt "Captain America: Civil War" nur beiseite, um zwei der wohl sympathischsten Superhelden einen kleinen Auftritt zu gönnen. Der neue Spiderman (Tom Holland) unterstützt putzig-bubenhaft Iron Man während Everybody's Darling Paul Rudd verschlafen-charmant für das TeamCap antritt. (..."think you for thanking of me"... bedankt sich AntMan bei Captain America und man kann dem Film nicht mehr widerstehen).
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"Captain America: Civil War" läuft bereits in den österreichischen Kinos
Und während Zach Snyder bereits die "Justice League" versammelt und auch noch zwei weitere "Avengers"-Filme auf uns zukommen und die X-Men schon eine Telefonkette starten, so könnte bei all dem superlativschwangeren Teamwork die Sehnsucht nach einem Superheld, der ein Dasein als einsamer Wolf führt, größer nicht sein. Bis das wieder auf der Leinwand zu finden ist, ist aber "Captain America: Civil War" sehenswert, vor allem wegen seiner Abweichungen vom allzu klassischen, generischen Superheldenfilm. Die zu befürchtende Genre-Entwicklungshemmung, also Arrested Development quasi, ist mit diesem Film nicht eingetreten. Es ist also, um im Arrested-Development-Jargon zu bleiben, kein huge tiny mistake sich das anzuschauen.