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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

23. 3. 2016 - 12:26

Leider super

Stockdüster, brachial, opernhaft: "Batman v Superman: Dawn Of Justice" erweist sich als bestes Comic-Kino-Epos seit Langem.

Da ist sie wieder: Die Gänsehaut, wenn Kino versucht, sämtliche Naturgesetze auszuhebeln. Die Freude über spärliche, aber bestens platzierte Oneliner, die zur Essenz aller legendären Actionfilme gehören. Vor allem wagt sich "Batman v Superman: Dawn Of Justice" aber erneut an das ganz große Pathos heran, wie man es aus dem klassischen Hollywood der Technicolor-Western und Historienschinken kennt. Zwar gebrochen durch den desolaten Spirit, der zu unserer von Kriegen und Terror und Verschwörungstheorien geprägten Gegenwart gehört. Aber dennoch, dieser Film durchschreitet die Kitschzone, den Bereich, wo opernhafter Schwulst und übersteigerte Comic-Gefühle regieren, mit stolz geschwellter, aufgepumpter Brust und aufrechtem Haupt.

Batman vs. Superman

Warner

Dabei hatte man zuletzt deutlich das Gefühl, dass Heldenerzählungen im Kino ordentlich in der Krise stecken oder vielleicht sogar an einem Endpunkt angekommen sind. Wenn der meinerseits heftig kritisierte Erfolgsfilm "Deadpool" irgendetwas signalisierte, dann: Keiner glaubt in der Popkultur mehr an solche Figuren, auch wenn sich etliche Wähler in der Realität beklemmenderweise nach einem "starken Mann" sehnen. "Deadpool" lacht sich selbst über den seit den Nullerjahren so populären Antihelden-Typus schief, setzt auf puren Zynismus und ätzende, hochgradig selbstreferentielle Ironie.

Andere Blockbuster, die noch der sagenhaften Kraft solcher Charaktere vertrauen - und damit dem Kino selbst, als Mythenmaschine und Katharsis-Quelle - ziehen sich auf feministisch angehauchte Weise aus der Affaire. Sie setzen auf weibliche Heroen, forcieren wie in der "Hunger-Games"-Saga junge Frauen in der Rolle als Kämpferinnen und Retterinnen der Menschheit. Auch "Star Wars", das zentrale Popcorn-Märchen der Gegenwart, knüpft in seiner aktuellsten Variante bekanntlich an diese äußerst erfrischende Tendenz an.

Die Space-Opera-Reihe, einst von George Lucas ganz eng an die archetypische Heldenreise von Joseph Campbell angelehnt, präsentiert mit der toughen Rey ein Idol für junge KinobesucherInnen, die entgegen sämtlicher Widerstände ihren Weg mutig beschreitet. Alte, ausrangierte Helden wie Han Solo dagegen werden, bei allem Respekt, auch als Symbolbild für die Baby-Boomer-Generation dargestellt, inklusive dazugehörigem massiven Egoismus und schweren Versäumnissen bei den eigenen Kindern.

Batman vs. Superman

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Heroes just for one day

Ich muss so ausführlich abschweifen, bevor ich näher auf "Batman v Superman: Dawn Of Justice" eingehe. Denn Zack Snyder, der Regisseur des bombastischsten Comicepos in diesem Frühjahr, macht in diesem Film etwas, was im Zeitalter von Zynismus-Orgien wie "Deadpool", aber auch bewusst niedlichen und parodistischen Streifen wie "Ant-Man", fast schon radikal wirkt. Er nimmt das Thema des männlichen Helden, und sämtliche Konflikte, die sich daraus ergeben, wieder ernst. Todernst sogar.

Weil alles ein wenig kompliziert ist und in dem Tal, in dem die klassischen Helden ruhen, auch ein Sozialistenhasser wie John Wayne begraben ist, Werbekampagnen-Leiter des Militärs oder rechtskonservative Demagogen sich ihre Inspirationen holen: Diese extreme Ernsthaftigkeit macht Zack Snyder natürlich auch dubios. Und schließlich haben wir es mit dem Regisseur des martialischen Schlachten-Spektakels "300" zu tun, einem Leni-Riefenstahl-Fanboy-Film, der versuchte deren faschistische Ästhetik als käsiges Computerspiel nachzustellen.

Dass Snyders Auseinandersetzung mit dem Heldenkult tiefer geht als eine hässliche CGI-Version der dumpfesten Antike bewies er dann allerdings mit anderen Filmen. Mit "Watchmen" wagte er sich, pingelig am rabenschwarzen Comic-Vorbild orientiert, an das Schlüsselwerk des großen Bildergeschichten-Vordenkers Alan Moore. Sozusagen als Antithese zu dieser heftigsten denkbaren Dekonstruktion von Superhelden als egozentrische, feige, gewaltlüsterne Menschenverächter (allerdings im Gegensatz zu "Deadpool" auf einer philosophisch atemberaubenden Ebene) näherte er sich dann der kostümierten Lichtgestalt schlechthin: Superman.

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Befeindete Konkurrenten im Latexkostüm

Vergisst man die letzte dreiviertel Stunde von "Man Of Steel", diesen endlos ermüdenden Zerstörungsshowdown, der scheinbar zum Subgenre gehören muss, gelingt darin ausgerechnet dem Hollywood-Hooligan Zack Snyder etwas erstaunliches: Der Sohn Kryptons, eine grundsätzlich biedere und viel zu brave Gestalt, bekommt neue Facetten. Dieser Edel- und Übermensch aus dem All wirkt plötzlich innerlich zerrissen und quält sich mit existentialistischen Selbstzweifeln, erst am Schluss blitzt das Lächeln auf, das man vom charmanten Christopher Reeve aus den Old-School-Verfilmungen kennt.

Sein verschmitztes Grinsen vergeht Kal El alias Clark Kent (weiterhin ideal besetzt: Henry Cavill) gleich am Anfang von "Batman v Superman". Die Welt, im speziellen Metropolis, ringt mit den Nachwirkungen des erwähnten Nonstop-Fights am Ende von "Man Of Steel", der die halbe Stadt in Schutt und Asche gelegt hat. So dringlich wie kein Comic-Blockbuster zuvor zeigt uns dieser Film, was ein urbanes Duell der Superwesen tatsächlich anrichtet. Tausende Tote, Behinderte, zerstörte Familien bleiben zurück, Zack Synder platziert überdeutliche, gespenstische 9/11-Anspielungen, schenkt der Tragik aber ehrlichen Raum.

Spätestens als eine Untersuchungskommission der Regierung, angeführt von der souveränen Holly Hunter, sich mit dem Collateral Damage der Katastrophe befasst und den Kryptonier als Weltenretter in Frage stellt, ist Supermans Image empfindlich beschädigt. Im nicht allzu fernen Gotham zweifelt auch Milliardär Bruce Wayne an der Rolle des außerirdischen Beschützers. Ben Affleck, dass sei allen berechtigten Zweiflern gesagt, erarbeitet sich überzeugend den Batman-Part, schafft es, sich als alternder, brutal abgeklärter und beinahe ausgebrannter Rächer von der manischen Darstellung Christian Bales zu emanzipieren.

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Überraschendes Drehbuch, funkelnde Nebenrollen, bewährter Soundtrack

Als der Druck gegen Superman immer stärker wird, die Medien ihn (als überdeutliche Anspielung auf Flüchtlings-Hetze) als fremde Gefahr brandmarken, kristallisiert sich ein Nutznießer in der allgemeinen Katerstimmung heraus. Der superreiche Lex Luthor (den Jesse Eisenberg zirka exakt so spielt, wie man sich eine hektische Jesse-Eisenberg-Hommage an den psychotischen Mega-Ganoven vorstellt) zieht zum eigenen Vorteil die Fäden im öffentlichen Diskurs. Auch Batman mutiert immer mehr zum Hasser seines übermenschlichen, kostümierten Konkurrenten. Und Superman ist der dunkle Vigilant, der das Gesetz missachtet, ein Dorn im Auge. Ein unvermeidliches Duell kündigt sich an.

Natürlich können sich nicht nur Menschen, die im DC-Comic-Universum halbwegs firm sind, viele Handlungswendungen halbwegs ausrechnen. Trotzdem ist das Drehbuch von Chris Terrio und dem einschlägigen Spezialisten David S. Goyer erstmal die größte Überraschung von "Batman v Superman: Dawn of Justice". Mit einer unerwarteten Eloquenz, stellenweise sogar Eleganz (wir reden immer noch von einem Film von Kraftlackel Zack Snyder) entspinnt sich die Geschichte rund um die Konfrontation der beiden Ikonen. Geschickt federn die Autoren vor allem die Gefahr ab, dass der Film unter der personellen Last kollabieren könnte.

Sicher, manchmal laufen gewisse Stränge etwas ins Leere, verpuffen vor allem einige der unerwartet cleveren politischen und popphilosophischen Spuren im Nichts. Aber wie hier Wonder Woman als zentrale DC-Figur eingeführt wird (man möchte jeden Auftritt von Gal Gadot beklatschen), wie die Gründung der Justice League herandämmert, das ist schon große Pulp-Kunst. Es gibt, bis zur erahnten berechenbaren Materialschlacht, die erneut das letzte Filmdrittel vereinnahmt, so viele kleine, funkelnde Momente, dass ich mich auf die baldige Zweitsichtung freue. Jeremy Irons als Butler Alfred und Lawrence Fishburne als Zeitungschef Perry White holen maximales aus kleinen Rollen heraus, Kevin Costner hat einen epischen Cameo, der alles über Amerika und seine neurotische Geschichte, seine Helden und Antihelden, in wenigen Sätzen zusammenfasst.

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Der wahre Gewinner, man gestatte mir den billigen Reim, heißt aber wie immer Hans Zimmer. Zusammen mit dem holländischen Ex-Big-Beat-DJ Junkie XL rockt der Großmeister der aufgeblasenen Soundtrack-Wucht den IMAX-Kinosaal, betört mit oft nur ganz minimalen Tonfolgen und fährt dann wieder die Trompeten von Jericho und gewaltige Subbässe auf. Es ist der perverseste Gedanke, den ich seit langer Zeit habe, aber mitten in "Batman v Superman: Dawn of Justice" wünsche ich mir ein gigantomanische Bayreuth-Aufführung dieses Films. Zack Snyder, du zwiespältiger, reaktionärer, wahnwitziger Blockbuster-Poseur: Du hast mich gekriegt. Du hast mich gerührt. Und ich habe es verdammt genossen.