Erstellt am: 21. 6. 2013 - 19:35 Uhr
Von der Glitzer-Disco ins Doom-Reich
Wenn ich zurückdenke, dann ist da weißes, milchiges, weichgezeichnetes Licht. Und dann natürlich auch Farbexplosionen. Leuchtendes Blau, Rot und Gelb. Ich sehe ein freundlich glucksendes Baby vor meinem geistigen Auge und auch einen athletischen jungen Mann, dessen breites Grinsen noch durch ein Grübchen betont wird.
Sämtliche Erinnerungen meinerseits an "Superman - The Movie" sind von einer warmen Welle der Positivität begleitet, von Gefühlen der Euphorie und infantilem Glück. Regisseur Richard Donner schuf 1978 nicht nur den allerersten Comic-Blockbuster ever. Der damals teuerste Film aller Zeiten gilt auch als filmisches Monument einer Unschuld, von der wir heute im Kino nur mehr träumen können.
Ich rede jetzt nicht von jener schmalzigen Verlogenheit, die mit Hollywood paradetypisch assoziert wird und die das Abgründige und Finstere komplett verdrängt. Sondern von einer Art ungebrochenen Naivität, was das fantastische Genre betrifft. Man findet diesen Zugang auch in "The Wizard Of Oz" aus dem Jahr 1939, in vielen alten Originalfolgen der "Star-Trek"-Serie oder in japanischen Godzilla-Filmen.
Erschlagen von einer grimmigen Realität und dem Terror der Postmoderne ausgesetzt, ist es Filmemachern schon lange unmöglich, sich fantastischen Stoffen mit solch einer Engelsreinheit zu nähen. Es sei denn, sie heißen David Lynch oder greifen auf überzogene Ironie zurück.
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Unkorrumpierte gute Laune
Das milde ironische Schmunzeln gehört zwar auch zum ersten monumentalen Superman-Epos wie die schiefe Perücke des schrulligen Erzbösewichts Lex Luthor. Aber unabhängig davon schwelgt der Film in einer unbeirrbarren Arglosigkeit und glitzernden Schönheit, die perfekt zur Disco-Ära der ausgehenden Siebziger passt.
Richard Donner zeigt den Planeten Krypton, der kurz vor seiner Auslöschung steht, als strahlendes Kristallreich, auch die Anzüge der Bewohner blenden mit ihrem Funkeln die Augen und lassen an Bühnenkleidung von Boney M. denken. Kal-El, dessen einzig überlebender Bewohner, fliegt in einem grellen Trikont über die Leinwand, das wie pure Popart wirkt. Christopher Reeve, der Newcomer der in diesem Kostüm steckt, spielt den Stählernen so verschmitzt und gütig und von Freude erfüllt, dass die Kinderherzen damals gar nicht mehr zum Beben aufhören wollten.
Der Disco-Superman, den Donner kreierte und den sein Regienachfolger Richard Lester ("Superman II", 1980) weiter forcierte, funktionierte unabhängig von den Comicvorlagen und auch bisherigen TV-Adaptionen der Figur.
Während das unendlich Brave und Edelmütige des Kryptoniers in den Bildergeschichten ganz ordentlich nerven kann und oft ins Spießbürgerlich-Biedere umschlägt, verbreitet Christopher Reeve mit seinen ersten beiden Leinwand-Abenteuern (breiten wir über Teil Drei und Vier das rote Cape des Schweigens) einfach nur unkorrumpierte gute Laune. In die sich nach dem tragischen Tod des Schauspielers dann eine tiefe Wehmut mischte.
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Retro-Spektakel und Neuanfänge
Als Überfan Bryan Singer 2006, nach etlichen gescheiterten Anläufen, endlich versucht, den berühmtesten Superhelden wiederzubeleben, scheitert er damit beim breiten Publikum. Im Zeitalter der sinistren Comicverfilmungen voller neurotischer Antihelden wirkt "Superman Returns" wie ein putziger Versuch, den Spirit der liebenswürdigen Christopher-Reeve-Streifen nachzustellen.
Old-School-Anhängern wie meiner Wenigkeit reicht es dabei schon, wenn das gigantische Titelthema von John Williams in Dolby-Surround erklingt. Die Masse der Kinogeher schüttelt bei dem Retro-Spektakel aber nur gelangweilt die Schultern. Einmal geraubte Unschuld lässt sich eben nicht mehr reinstallieren.
Superman taucht erneut für viele Jahre in die Versenkung, die Anzahl der gescheiterten Adaptionen nach Bryan Singers Flop lässt die Verantwortlichen beim Warner Konzern schlecht schlafen.
Als dann erstmals der Name Zack Snyder in Zusammenhang mit dem Mann aus Stahl genannt wird, raubt es dagegen den Sympathisanten eines menschelnden, charmanten Superman den Schlummer. Der Spezialist für ultrastilisierte Brachialaction wie "300" oder "Suckerpunch" hat sich mit "Watchmen" freilich bereits einem der unverfilmbarsten Comic-Heiligtümer des Universums angenommen. Und das durchaus ambitioniert. Aber der nihilistische Stoff mit seinem heftigen Zynismus ist dem rabiaten Blickwinkel Snyders extrem entgegen gekommen.
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Welcome to the Darkness
Egal, denke ich mir, als die Lichter bei der Pressevorführung ausgehen, selbst wenn ich den verbissenen Spartanern in "300" alles Schlechte gewünscht habe und die dämlichem "Matrix"-Effekte mich auch in "Watchmen" oder "Sucker Punch" nervten, ich gebe Herrn Synder jetzt eine Chance. Du liebe Güte, es geht um Superman, einen Helden, der mir in den DC-Comics immer herzlich wurscht war, dessen filmisches Vermächtnis mir aber so viel bedeutet wie manchen von euch "Star Wars" oder "Lord Of The Rings".
Am Anfang stockte mir dann bei "Man Of Steel" wirklich der Atem. Seit "Avatar" habe ich solche Bilder nicht mehr in einem riesigen IMAX-Saal gesehen. Zack Synder bedient sich beim Science- Fiction-Kino der letzten hundert Jahre, von "Metropolis" und "Alien" bis eben zu James Camerons 3D-Urknall. Und erschafft einen Planeten Krypton, der dunkler wirkt als alles was man bisher aus Superman-Filmen kannte und der nicht weiter von Richard Donners glitzernder Vision entfernt sein könnte.
Wir erleben hautnah den Untergang einer Welt und die schmerzhafte Geburt eines kleinen Buben, der unsere Welt verändern wird. Großes Kino auch: Die Auftritte von Russell Crowe und Michael Shannon.
Ersterer setzt dem Halbgott Marlon Brando, der seinen Part des Jor-El damals zugegeben gleichgültig absolvierte, eine energische Präsenz entgegen, die an seine besten Rollen anknüpft. Zweiterer schüttelt als diabolischer General Zod eine vielschichtige Bösartigkeit aus dem Handgelenk, die lustvolles Vergnügen bereitet.
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Krawumms und Krach
Beeindruckend auch: Die Kindheit des außerirdischen Kal-El im Provinznest Smallville in Kansas. So wie der Film vorher frech die Sci-Fi-Historie plündert, flirtet er in diesen ländlichen Momenten fast mit der flirrenden Ästhetik eines Terrence Malick. Ausgerechnet Kevin Costner und die von mir immer geschätzte Diane Lane verleihen als Farmerehepaar Kent den erwartungsgemäßen Sätzen über Fremdheit und Erwachsenwerden eine Gänsehaut erregende Gravitas.
Aber mit der Idylle ist es schneller vorbei als erwartet. "Man Of Steel" erzählt die bekannte Geschichte nicht chronologisch, sondern verzichtet auf berechenbare Linearität. Aus Kal-El alias Clark Kent wird der Übermensch, der seit den dreißiger Jahren als Superman durch die Popkultur fliegt. Die Verwandlung passiert gerade noch rechtzeitig. Denn General Zod und seine Häscher erreichen durch einen Zufall die Erde und drohen dieser mit Vernichtung.
Die monströse Action, die den Film schon von seinen Eingangssequenzen an dominiert, uns nur zwischendurch umso wirksamere Verschnaufpausen gönnt, schaltet nun in den Nonstop-Modus um. Bei der Schlacht um das Heil der Menschheit, die das finale Drittel von "Man Of Steel" einnimmt, wird Zack Snyder seinem Ruf als digitaler Destruktions-Fetischist endgültig gerecht. Bis zur völligen Ermüdung ziehen sich die Augen- und Ohren betäubenden Gefechte zwischen Superman und seinen fiesen Landsleuten.
Der Showdown, der nicht aufhören will, kann diesen Film aber nicht nachhaltig beschädigen. "Man of Steel" lässt sich bei allem Krawumms und Krach nicht als das abtun, was man gerne einen seelenlosen Blockbuster nennt. Zu spürbar ist der Einfluß des Produzenten Christopher Nolan.
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Apokalypse in Metropolis
Der Spezialist für Doom & Gloom verfasste nicht nur mit seinem Spezi David Goyer das Drehbuch, sondern brachte auch seinen grandiosen Hofkomponisten Hans Zimmer mit. Dem Exildeutschen gelingt, nach bravourösen Scores für die "Dark-Knight"-Saga, "Inception" oder "Sherlock Holmes", das schier Unmögliche: Ein neues Superman-Thema, das den legendären Fanfaren von John Williams ebenbürtig ist und sich unvergesslich in die Gehörgänge fräst.
Dass der Superman-Soundtrack 2013 dunkel und melancholisch klingt, dass sich die majestätische Melodie erst aus einem Grollen von Molltönen und brummenden Subbässen arbeiten muss, sagt alles über diesen Film aus. "Man Of Steel" suhlt sich zwar bis zum durchtrainierten Hals des Protagonisten in Pathos, der befürchtete Leni-Riefenstahl-Faktor fehlt aber ebenso wie eine amerikanische Patriotismus-Breitseite.
Dieser Edel- und Übermensch aus dem All ist, wie alle Nolan-Charaktere, innerlich schwer zerrissen und quält sich mit Selbstzweifeln, gerne auch mit Vollbart und von melancholischen Grunge-Songs untermalt. Alles bleibt ausgewaschen, ausgebleicht und bewusst humorlos in diesem Film. In seinem Bemühen dem Ansatz der farbenfrohen Richard-Donner-Streifen eine apokalyptische Antithese entgegenzustellen, erschafft Zack Snyder auch etwas Konträres zu den hymnischen Republikaner-Werbespots eines Michael Bay.
Lässt der Regisseur inmitten all der Düsternis denn überhaupt noch Romantik zu? Auf diese Frage einer FM4-Kollegin nach der Vorführung antworte ich mit einem vorsichtigen Ja. Die Dynamik zwischen Superman und Lois Lane ist aber ebenso ungewohnt, Amy Adams spielt die rasende Reporterin tough und mit postfeministischem Selbstbewusstsein. Und Superman selbst? Sagen wir so: Henry Cavill ist kein neuer Christopher Reeve. Aber er fliegt überzeugend. Wer sich vom Kino gerne körperlich überrollen und durchschütteln lässt, kommt an "Man Of Steel" nicht vorbei.
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