Erstellt am: 5. 5. 2013 - 12:13 Uhr
Von guter und böser Ironie
Ich glaube, wir sind uns da einig: Neunmalkluge, besserwisserische Ironie gehört endgültig abgefrühstückt. Wer auf einer Party einmal an eine Runde übercleverer Ironiker geraten ist, die nichts und niemanden ernstnehmen oder gar im Kino unfreiwillig zwischen wissenden Lachern zum Sitzen gekommen ist, weiß auf traumatisierte Weise, wovon ich rede.
Ätzende Ironie ist ein Begleitübel der (Post-)Postmoderne, das besonders auch im Comedybereich zu gröberen Verwesungen geführt hat, zum Teil den akademischen Diskurs versaute und aus äußerlich liebenswürdig erscheinenden Indiekids aus gutem Hause ganz schöne verbale Krätzen gemacht hat.
Dabei hat der famose Jarvis Cocker doch bereits anno 1998 die Untugend des überlegenen, distanzierten Spöttelns zu Grabe getragen. "Irony is over, bye bye" heißt es im Pulp-Meisterwerk "This Is Hardcore", als Reaktion auf die überstilisierte Coolness der damaligen Zeit.
Ausgerechnet meine Wenigkeit, als Erzfeind all jener Musiker, Künstler und Regisseure, die ihre Emotionen hinter einen feigen Panzer aus hämischem Grinsen verstecken, muss nun aber eine Lanze für eine bestimmte Form der Ironie brechen. Für manche Menschen - und zwar genau jene, die eben nicht aufgeräumt und überlegen in sich ruhen - wird die Ironie nämlich manchmal zum letzten Strohhalm. Zur Verteidigungswaffe vor einer brutalen, martialischen schlechten Welt. Zum Rückzugsgebiet, um nicht völlig zu verbittern.
Ich muss dabei sofort an den speziellen Zynismus denken, der durch die besten Romane von Heinz Strunk oder Rocko Schamoni geistert, durch Bücher von Chuck Palahniuk oder Comics von Warren Ellis. Diesen bösen Witz, der nichts verschont, am wenigsten den Autor selbst. Und mir kommt ein gewisser Tony Stark in den Sinn und auch Robert Downey Jr, dessen grandioser Darsteller.
Paolo Pellegrin, Magnum
König der säurehaltigen Monologe
Im Universum aktueller (Leinwand-)Superhelden ist Tony Stark, der als Iron-Man zu den führenden Weltenrettern zählt, ein Unikat. Batman: das latexgewordene Leidenspathos. Spider-Man: Der schüchterne Peter Parker steht für die netzschwingende Liebenswürdigkeit in Person. Captain America: Ein blauäugiger Soldat, der nie über sein fragwürdiges Kostüm lachen würde. Thor: Naivität und geballte Körperlichkeit in Personalunion.
Weitere Kinorezensionen
Tony Stark dagegen hat eine Vergangenheit als ultrazynischer Waffenfabrikant, eiskalter Industrieller und hämischer Womanizer hinter sich, in der er mit säurehaltigen Monologen ganze Existenzen vernichten konnte. Zumindest für die Dauer einer Cocktailparty.
In "Iron Man", "Iron Man 2" und "The Avengers" konnten wir verfolgen, wie aus dem Hartkern-Ironiker ein halbwegs mitfühlender, politisch bewusster Mensch wird, der plötzlich hinter seine Fassade blicken lässt. Ganz verändert hat sich Tony Stark aber nicht. Das wäre nicht nur mehr als unglaubwürdig, es würde auch die Filmreihe, die um ihn kreist, entsetzlich langweilig machen.
Tony Starks Form der Ironie bleibt uns erfrischenderweise erhalten. Der Mann repräsentiert zum einen das Erwachsene in einem infantilen Bubenreich (siehe auch die abgeklärte Figur von Han Solo im "Star Wars"-Kosmos), wenn er etwa seine Marvel-Nerdkollegen in Spandexhosen auf die Schaufel nimmt. Starks Figur knüpft zum anderen aber auch an eine zentrale Tradition des Actionkinos an.
Es geht um den Gegensatz zwischen lässiger Action und dumpfer Auslöschungsaction. Der Alltime-Martial-Arts-Gott Bruce Lee brachte das in seinen Seventies-Filmen bereits auf den Punkt. Mit kurzen Momenten der Komik und Blödelei, aber auch schnoddrigen Sätzen pendelte der kleine Drache die blutige Härte seiner Erfolgsstreifen aus. Bruce Lee wurde zum charmanten Guru der Leinwandlässigkeit, während sein einstiger Film-Gegenspieler Chuck Norris alles Grobklotzige, Hölzerne und Stumpfe verkörperte.
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Das Comeback des Action-Gurus
In den 80er Jahren wussten die besten und führenden Action-Regisseure, Darsteller und Drehbuchautoren dann: Da wo die totale Überzeichnung schon von Anfang an Teil der Inszenierung ist (siehe auch: Heavy Metal oder Splatter-Comics), kann richtig eingesetzte Ironie vor der völligen Dumpfgurkigkeit retten. Der Allround-Entertainer Arnold Schwarzenegger forcierte das damals zunehmend, der Sympathieträger Bruce Willis ohnehin. Stephen Seagal eher nicht.
Einer, der zu diesem Thema eine ganze Menge zu sagen hat, weil er schreibend, schauspielernd und später auch hinter der Kamera agierte, ist Shane Black. Der mittlerweile 51-jährige Amerikaner gilt als Schlüsselfigur in Sachen Hollywood-Action. Bereits mit 23 Jahren verkaufte Black sein erstes Drehbuch. Der Film "Lethal Weapon" (Zwei Stahlharte Profis, 1987) wurde zu einem Meilenstein in Sachen lässiges Testosteron-Kino.
Black schrieb aber nicht nur die Vorlagen für die erfolgreichen Fortsetzungen, in denen Mel Gibson als Borderline-Bulle wieder ordentlich durchdrehen durfte. Mit den Drehbüchern von "Last Boy Scout" (1991) und "Last Action Hero" (1993) prägte er auch die Karrieren von Willis und Schwarzenegger und kreierte eine Art Meta-Action-Kino, Lichtjahre entfernt von den reaktionären Rambo-Rachefeldzügen dieser Ära.
Anfang der Nuller Jahre, als Shane Black gerade einen Durchhänger hat, trifft er zufällig in einem Geschäft in L.A auf einen gewissen Robert Downey. Die beiden connecten schnell über gemeinsame Vorlieben und planen ein gemeinsames Projekt. "Kiss Kiss Bang Bang" heißt dann Blacks entsprechendes Regiedebüt, eine Actionkomödie, in der der damals noch von der Drogensucht verstrahlte Robert Downey großartig bissige Oneliner in den Mund gelegt bekommt.
Viele Jahre später, als das "Iron Man"-Franchise zu stagnieren und in aufgeblasenen Materialschlachten zu versinken droht, erinnert sich der Superstar an seinen Kumpel Shane. Und er schlägt den Actionguru für den Regiestuhl vor. Eine weise Entscheidung.
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Pop, Politik und persönliche Erschütterungen
"Iron Man 3" stellt nun die Frage: Was macht ein Superheld, nachdem er mit seinen Kumpels zusammen die Erde vor der Vernichtung gerettet hat? Auf keinen Fall relaxen. Tony Stark kämpft nach seinem Abenteuer mit den Avengers und einer Konfrontation mit einer fremden Dimension mit Schlaflosigkeit und Panikattacken.
Mitten in der Krise, als seine Beziehung zu Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) ebenso zu bröckeln beginnt wie seine Gesundheit, greift ein neuer Feind an. Der diabolische Mandarin (Ben Kingsley) hat es auf Stark abgesehen. Schritt für Schritt legt der wie eine Karikatur auf Osama Bin Laden wirkende Terrorist (in den Comics noch ein klassischer Kalter-Kriegs-Bösewicht) das Leben des Multimilliardärs in Schutt und Asche.
Shane Black macht es möglich. Nach eher missglückten Versuchen der letzten Zeit, das Actionkino der 80er zu reanimieren, knüpft "Iron Man 3" tatsächlich an die besten Filme dieser Epoche an. Besonders im Mittelteil des Films. Wenn Tony Stark da ganz ohne seine Iron-Man-Rüstung und ohne Hilfe von Außen in einer verschneiten US-Kleinstadt strandet, in Redneck-Bars trinkt und auf einen kleinen Nerdbuben trifft, flackert ein liebevoller Retroflair auf.
Natürlich steuert der Plot auf einen unvermeidlichen Showdown zu, dessen überzogener und in die Länge gezogener Bombast viel von der aufgebauten Stimmung ruiniert. Davor geht es im neuen Marvel-Blockbuster aber um mehr als bloß computeranimierte Action. Die brillante Besetzung, von Guy Pearce über Rebecca Hall bis zu Ben Kingsley und dem erneut göttlichen Robert Downey, darf sich in sarkastischen Dialogfeuerwerken austoben.
"Iron Man 3" mag kein Meisterwerk des Comickinos sein, aber eine Superhelden-Satire, in der Pop, Politik und persönliche Erschütterungen lässig verschmelzen, und das ist Shane Black auf jeden Fall gelungen.
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