Erstellt am: 10. 1. 2013 - 15:54 Uhr
Oscars 2013
Früher als sonst und vor allem vor der Verleihung der Golden Globes wurden heute die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben - und das gleich mit einer Neuerung. Nicht Academypräsident Tom Sherak verlas die Namen - unterstützt von einer Schauspielerin - sondern der Oscarhost himself, Seth MacFarlane, gemeinsam mit Emma Stone. (Das gabs das letzte Mal 1972, als Charlton Heston der Moderator der Oscar-Verleihung war, also nicht, dass Emma Stone dabei war, sondern dass der Moderator auch die Nominierungen bekannt gibt).
Lincoln: 12 Nominierungen
Das wenig Überraschende zuerst: Steven Spielbergs "Lincoln" geht mit 12 Nominierungen ins Rennen, gefolgt von Ang Lees "Life of Pi" mit 11 Nominierungen (aber keine in der Schauspiel-Kategorie), dahinter schon die erste Überraschung: "Silver Linings Playbook" und "Les Miserables" kommen auf gleichviel Nominierungen, nämlich je acht. Damit haben wohl auch die größten David O. Russell Fans nicht gerechnet. Auch, weil Komödien (auch wenn Russells Film alles andere als eine klassische Komödie ist) eher geschmäht werden bei den Oscars.
Senator Film
Juhu
Gibts auch immer noch: Die Razzies
Außerdem in der Kategorie "Juhu": "Beasts of the Southern Wild", der Indie-Liebling, wurde in den Königskategorien nominiert: Best Director und Best Picture, außerdem wurde die neunjährige Quvenzhane Wallis für ihre Darstellung der Hushpuppy nominiert. Somit hat die Kategorie "Best Actress" gleich zwei Superlative: Wallis ist die jüngste jemals Nominierte und Emanuelle Riva ("Amour") mit 85 Jahren die älteste jemals für einen Oscar nominierte Schauspielerin.
polyfilm
Preisregen für "Amour"
Michael Haneke setzt seinen Marsch durch die Preisverleihungen fort, "Amour" ist nicht nur nominiert in der Kategorie "Best Foreign Film". (Klatschen von den Presseleuten bei der Bekanntgabe der nominierten Filme in dieser Kategorie gibts nur bei "Kontiki", aber es ist ja auch noch sehr früh). Haneke ist außerdem als "Best Director" nominiert und "Amour" als "Best Picture" (The last time Austria and Germany produced something, it was Hitler. "Amour" is better", so MacFarlane heute). Gemeinsam mit Christoph Waltz' Nominierung als Best Supporting Actor in "Django Unchained" seh ich die österreichische "Wir sind Oscarhysterie" schon auf uns zukommen.
wega film
Politik und true stories
Bleiben wir bei "Best Picture": Abraham Lincoln, die Jagd nach Osama Bin Laden, die Geschichte einer unglaublichen CIA-Aktion in den 1970er Jahren. Politik und wahre Geschichten, amerikanische Selbstbetrachtungen dominieren die diesjährigen Oscars. "Lincoln", "Zero Dark Thirty" und "Argo" sind unter anderem nominiert in der Kategorie "Best Picture", Steven Spielberg erhielt für "Lincoln" auch eine Nominierung als "Best Director".
warner
"Argo" wäre ein perfekter Abräumer-Kandidat: Wahre Geschichte, ein bisschen Politik, starbesetzt und dann ist er auch noch ein bisschen ein Film übers Filmemachen, ein leicht nostalgischer Blick hinter die Kulissen des 70er Jahre Hollywood. Zusätzlich wäre ein Regie-Oscar für Ben Affleck auch wieder eine Geschichte wie Hollywood sie mag: Vom jungen Oscargewinner ("Good Will Hunting") zum verlachten Schauspieler ("Gigli"), von Beniffer zum geschätzten Regisseur. Wäre da nicht "Lincoln", wäre "Argo" der klare Favorit, nun ist "Argo" zwar als Best Picture nominiert, Affleck nicht aber als "Best Director" und die beiden Auszeichnungen gehen doch in den meisten Fällen an den gleichen Film.
Dass der Film über Abraham Lincoln und seine Durchsetzung des 13th amendment ein Preismagnet werden wird, war schon klar, als das erste Bild zu "Lincoln" veröffentlicht wurde. Große historische Persönlichkeit gespielt von Daniel Day-Lewis, einem Schauspieler und Mimiktransformer, dessen Name nur in Ehrfurcht ausgesprochen wird und das in einem Film vom optimistischen Pathosjongleur Steven Spielberg.
centfox
Mr President
Wär ich also Bradley Cooper, Joaquin Phoenix, Denzel Washington oder Hugh Jackman (allesamt nominiert als "Best Actor"), ich würd im Pyjama zur Oscarverleihung gehen, mein Name wird wohl nicht aufgerufen werden. Spielberg hat bereits begonnen weitere Nominierungen und Preise füe "Lincoln" einzusammeln und weil man - vor allem in der nun beginnenden campaign season interessant und originell bleiben muss - vor kurzem den Brief veröffentlicht, in dem Day-Lewis ablehnt, Lincoln zu spielen. Der potentiell dritte Oscar für Daniel Day-Lewis könnte also einer für eine Rolle sein, die er eigentlich nicht anehmen wollte. Das sind Geschichten, wie sie die Academy mag, die Artikel schreiben sich fast schon von selbst.
Die Sache mit der Folter
Kathryn Bigelows "Zero Dark Thirty" hat für die meisten Diskussionen gesorgt. Als "anatomy of the decade long hunt" bezeichnet Bigelow ihren Film, die Chronologie der Jagd auf Osama Bin Laden. Es sei aber keine Doku, betont Bigelow immer wieder, und auch Drehbuchautor Marc Boal hebt immer wieder hervor, "Zero Dark Thirty" nicht als Lektion in Geschichte zu begreifen. "Zero Dark Thirty" profitiert sicher auch ein wenig vom Erfolg der Serie "Homeland" (immerhin auch Barack Obamas Lieblingsserie, im Weißen Haus hat Obama bis jetzt aber nur zu einem "Lincoln"-Screening geladen).
constantin
Die Darstellung der Folter in "Zero Dark Thirty" wird wild diskutiert, bei der Premiere in Washington finden sich Protestanten ein, die den Film als "Pentagon sanctioned movie" bezeichnen. Dass die Darstellung von Folter nicht bedeutet, dass man sie gutheißt, muss Kathryn Bigelow wohl noch öfter im nächsten Monat erklären. Die argumentative Nazikeule wurde schon ausgepackt, Naomi Wolf zieht im "Guardian" einen Vergleich zu Leni Riefenstahl. Kann sein, dass all diese Diskussionen sie die Nominierung als "Best Director" gekostet haben.
Schauspielerinnen
Jessica Chastains Darstellung einer CIA Agentin in "Zero Dark Thirty" wird in den höchsten Tönen gelobt, in der "Best Actress"-Kategorie gilt aber Jennifer Lawrence in "Silver Linings Playbook" als Favoritin; sie war bereits vor zwei Jahren für "Winter's Bone" nominiert. Außerdem in dieser Kategorie nominiert: Naomi Watts in "The Impossible", Emanuelle Riva in "Amour" und Quvenzhane Wallis für "Beasts of the Southern Wild". Hier unterscheiden sich die Nominierten auch sehr von der gleichen Kategorie bei den Golden Globes, nur Chastain und Watts sind auch bei den Globes nominiert.
constantin
Ebenfalls schon als in den Oscarsockel gemeisselt gilt der Name Anne Hathaway in der Kategorie "Best Actress in a supporting Role". Hathaway singt und leidet als Fantine durch Tom Hoopers ("The King's Speech") traniges "Les Miserables". Schon alleine für die Tatsache, dass sich Hathaway die langen Haare für diese Rolle hat abschneiden lassen, war einigen Medien Jubelartikel wert. Lange Haare abschneiden ist in diesem Fall ähnlich wie krumme Nase ankleben und Gewicht zunehmen, der Mut zur "Hässlichkeit", die schauspielerische Hingabe, die man an einer äußerlichen Veränderung wahrnehmen kann, das lieben die Oscars. Überraschend hier die Nominierung von Jacki Weaver für "Silver Linings Playbook". Weniger überraschend die restlichen Nominierungen: Sally Field ("Lincoln"), Helen Hunt ("The Sessions") und Amy Adams ("The Master"). "You no longer have to pretend to be attracted to Harvey Weinstein", erklärt MacFarlane den nominierten Frauen.
universal
Für Paul Thomas Andersons "The Master" gabs immerhin drei Schauspiel-Nominierungen, neben Amy Adams und Joaquin Phoenix wurde Philip Seymour Hoffman als "Best Supporting Actor" nominiert, das einzige, worauf die US Kritiken sich einigen konnten, waren die exzellenten Darstellungen von Phoenix und Hoffmann. Ebenfalls überraschend: Robert de Niros Nominierung in "Silver Linings Playbook" (großes Woohooo der Journalisten, die bei der Bekanntgabe der Nominierungen anwesend sind), Alan Arkin ("Argo", nochmal großes Woohooo), Tommy Lee Jones ("Lincoln") und Christoph Waltz ("Django Unchained"). Die Django-Nominierung hätte meiner Ansicht ja an Samuel L. Jackson oder Leondardo di Caprio gehen sollen. Die hier nominierten Schauspieler wurden übrigens alle bereits schonmal mit einem Oscar ausgezeichnet. A breath of fresh air in that category unkt Seth MacFarlane.
Sony Pictures
Mini Leakskandal
Der winzige Leak-Skandal um die Oscars - letzte Woche war auf oscars.org zu lesen, dass Kostümbildnerin Sharen Davies für "Django Unchained" nominiert ist - ist nun insofern keiner mehr, da sie gar nicht nominiert ist. Urgemein. Der Preis sollte - posthum - an die grandiose Eiko Ishioka gehen, die für "Mirror Mirror" unglaubliche Kostüme gemacht hat. Unter anderem einen Zylinder mit Hasenohren.
emw
Abgesehen also von dem mini-leak gab es bis jetzt wenig Skandalöses rund um die Oscars, selbst Seth MacFarlane, der Host der Verleihung am 24. Februar, hält sich bis jetzt zurück und fragt nur via Twitter organisatorische Dinge nach: Hollywood, hurry up and decide which disease ribbon we’re gonna do for the Oscars ‘cause I gotta pick out which color contacts to wear. Morgan Spurlock hingegen äußerte auf Twitter seine Probleme mit dem Online-Abstimmungstool. Zum ersten Mal konnten die Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Science auch online ihre Stimmen abgeben. Die Probleme waren ganz unglamourös, man konnte sich nicht einloggen. "The password they sent didn't work for my log-in - and they couldn't email me a new log-in, only snail mail.", so Spurlock.
Vorfreude
Fazit: Überraschend viel Nominierungen für "Amour" und "Silver Linings Playbook", große Freude darüber, "Beasts of the Southern Wild" in den zwei Königskategorien "Best Picture" und "Best Director" zu finden. Große Freude, dass die Academy Awards Wes Andersons "Moonrise Kingdom" zumindest in der "Best Original Screenplay"-Kategorie nominiert haben. Mir fehlt Tarantino bei "Best Director", aber ich bin nach der gestrigen Pressevorführung im großen "Django Unchained"-Fieber. Mir fehlt auch der Hauch einer Anerkennung von "Magic Mike" (auch wenn damit nie zu rechnen war). Die Bekanntgabe der Nominierten mit Emma Stone und Seth MacFarlane war heute schon amüsanter als die letzten beiden Oscarverleihungen zusammen, ich freu mich sehr.
constantin
Am 24. Februar wird die Verleihung der Academy Awards in Los Angeles über die Bühne gehen; Anne Hathaway hat ihre Tipps an Seth MacFarlane bereits abgegeben und der hat auch schon für die erste Neuerung gesorgt. MacFarlane hat Filmstudenten gesucht, die bei der Verleihung die Statuetten auf die Bühne bringen und an die Präsentatoren und Laudatoren übergeben werden. Bis jetzt waren das immer Modeldamen in Ballroben. Das erste Promovideo ist knapp, einfach, aber vielversprechend: Seht selbst.
Vorsicht bei der Oscarwette
Bei allen Oscarwetten und Prophezeiungen immer im Kopf haben, wer hier abstimmt. Die Mitglieder der Academy sind zu 94% weiß, 77% sind männlich und 54% sind über 60 Jahre alt. Wem das zu wenig bildhaft ist, dem empfehliche ich an das zu denken, was mir seit letztem Jahr immer in den Sinn kommt, wenn ich an die Oscars denke: Meat Loaf stimmt für "War Horse", because it made me cry".
24. Februar: Der Live-Ticker zur Oscarnacht
Also, wir sehen uns dann in alter Manier und schicker Schale am 24. Februar zum Live-Ticker zur Oscar-Verleihung, clairegrube, madameclaudine, matthews, elchaos, ambre, sauvage, peggysue, myko, sloat, beastmaster, johnleehookerelectro, nungee, littlelionman, kleinerrollhügel, schweinsbratenliebhaber, cesarromero, simonside, antoinedionel, gerettet, motter, watchtowerman und wie ihr alle heißt, ich freu mich auf euch.
Und: Ohje, jetzt muss ich mir "Life of Pi" doch anschauen. Urghs.