Erstellt am: 16. 8. 2010 - 12:54 Uhr
Für frühe Vögel und späte Naschkatzen
FM4 Frequency-Highlights der Redaktion:
- Arthur Einöder macht sich einen Stundenplan
- Nina Hofer erntet Birnen
Gestern ist es spät geworden. Der Kopf dröhnt, die Beine schmerzen, der Hals ist rau, die Stimme fast weg. Durch den Rhythmus des Alltags blöderweise trotzdem früh aufgewacht. Ein Blick aus dem Zelt auf den im fahlen Licht liegenden Campingplatz und das leise Trommeln der Regentropfen lässt die innere Stimme laut werden. "Bleib doch einfach liegen. Die Anderen stecken auch noch in ihren Schlafsäcken fest. Und selbst wenn es schon nach zwei Uhr Nachmittag ist, du versäumst nichts...".
- Das FM4 Frequency Festival im Überblick
- FAQ und Anreisetipps
Spätestens bei diesem Satz sollte man diese allzu bekannte Festivalsituation kurz anhalten und sich klar machen, dass es diesmal keine Ausreden gibt, sich aus dem eigenen Zelt zu schälen. Ganz im Gegenteil. Das FM4 Frequency Festival 2010 bringt viele gute Gründe, um trotz gerädertem Körper und müdem Geist den Schlaf- und Campingplatz möglichst früh zu verlassen und trotzdem erst spät Nachts zurückzukehren.
Premiere im hellen Licht
Trotz des bekannten Ausspruchs "der frühe Vogel fängt den Wurm" war meine Verwunderung ähnlich groß, wie die von Fräulein Hofer, die sich hier über die Auftrittszeit von Peaches wunderte.
Mumford & Sons
Vielleicht mag es ja an ihrer Rollstuhl-Show liegen, die im Dunklen gefährlich werden könnte, aber dass auch das erste Österreichkonzert der Mumford & Sons am Donnerstag bereits um 15:20 Uhr stattfindet, erklärt sich mir nicht unbedingt. Obwohl, wenn man ihre energetische und zugleich minimalistische Bühnenshow im Kopf hat, bei denen die vier englischen Hipsters mit ihren Saiteninstrumenten ganz vorne am Rand der Bühne stehen und ihre Chorgesänge ins Publikum schreien, dann weiß man, dass der Funke selbst bei grellem Tageslicht überspringen kann. Nicht zuletzt sind ihre von Emotionen getriebenen Folkhymnen, die speedigen Banjo-Linien und choralartigen Refrains zum Mitsingen ein perfekter Anheizer für ein großes Festival. Und dass die "Söhne" um Sänger Marcus Mumford trotz ihrer Holzfällerhemden und alten, abgetragenen Kordjacken der Eltern auch über kulturelle Grenzen hinweg begeistern können, das zeigte ihre ausgedehnte und skurril wirkende Indien-Tour inklusive Jam-Sessions.
Dass vor dem Londoner Quartett der wundervolle Gentleman Konstantin Gropper mit seinen Get Well Soon spielt, während zeitgleich The Cribs auf einer anderen Bühne wüten, sei nur am Rand erwähnt.
Einmal Alaska, immer Alaska
Eine Premiere der anderen Art, allerdings zur gleichen Tageszeit am Freitag werden uns Portugal.The Man liefern. Auch wenn sie zwei Tage zuvor den Weekender-Club in Innsbruck bespielen, wird die Band aus Alaska am FM4 Frequency ihr brandneues Album 'American Ghetto' präsentieren.
Portugal.The Man
Der psychedelische Rocksound, die teils wilden Ausbrüche, das unglaublich präzise und natürlich wirkende Zusammenspiel überzeugte mich schon letztes Jahr beim South Side Festival und wenig später bei ihrer Club Show im Wiener WUK. Trotzdem bin ich sehr gespannt, wenn John Baldwin Gourley und seine Mannen uns ihr neues Songmaterial präsentieren, denn 'American Ghetto' hat sich soundtechnisch weit vom Vorgänger 'The Satanic Satanist' entfernt. Zwar wird noch immer alles selbst eingespielt und nichts "fremd-gesampled" und doch klingen die neuen Stücke "elektronischer". Nicht selten schleppt sich ein schwerer Old-School-Hip-Hop-Beat dahin, während Gourley in fast schon Beck-scher 'Loser'-Manier darüber singt, wie bei der großartigen Single 'The Dead Dog'.
Aus innerer Zerrissenheit aufgrund eines Prioritätendilemmas sei hier nur die Fußnote hinzugefügt, dass zeitgleich zu Portugal.The Man die Dänen The Asteroids Galaxy Tour auf der Bühne stehen werden.
Nachmittagsschlaf verboten
Als uns vor Kurzem die Klaxons erzählt haben, das Schönste auf einem Festival sei, mit seinen mates herumzuhängen, dann meinte er hoffentlich nicht am Nachmittag am Zeltplatz. Klar, in seinem bequemen Campingstuhl mit eingebautem Dosenhalter zu dösen und die laufenden Konzerte nur als Hintergrundgeräusch wahrzunehmen, das der Wind vom Gelände herüber trägt, hat schon seinen Reiz.
Delphic
Aber so verpasst man leider auch eine weitere Österreich-Premiere. Nachdem sie mit ihrem Debüt 'Acolyte' vollends überzeugen konnten, werden die "Mancunians" von Delphic nun ihr Können live unter Beweis stellen. Erwarten kann man sich elektronische Popsongs, die nicht selten den normalen Zeitrahmen sprengen und so zu - für Manchesterbands nicht unüblichen - hypnotischen Dance-Tracks mutieren. Immer genügend Gesang und Melodie dabei, um einen dranzuhalten, genug harsche Beats und treibende Loops, um richtig abtanzen zu können. Als Trio hat man es zwar schwer, die durch den Computergroove recht eingeschränkte Performance spannend zu gestalten, andererseits wird der Sound ein klarer und transparenter sein, mit dem sich Delphic auch live noch genügend spielen werden. Bleibt nur zu offen, dass am Freitag um 18:35 schon genügend tanzwütiges Publikum anwesend sein wird.
Ähnlich verhält es sich da mit den Landsmännern von Zoot Woman, die Tags darauf zur gleichen Uhrzeit ihre Ohrwürmer auf das Frequency Publikum loslassen werden. Sie kündigen ihren Gig schon als exclusive austrian summer festival appearance an und haben als kleines Vorab-Zuckerl schon mal ein Live-Video bereitgestellt.
Wer Zoot Womans großartiges Konzert vergangenen September im Wiener WUK versäumt hat, der sollte das jetzt unbedingt nachholen. Denn wie man auch an dieser Live-Performance sieht und hört, liefern Johnny Blake, Jasmin O'Meara an den Saiteninstrumenten und Adam Blake am Schlagzeug eine perfekte Show ab.
M&Ms in der Nacht
Was wäre ein Festival ohne der großen Namen, die uns die Nacht versüßen? Mein Augenmerk liegt dabei besonders auf der Downtempo-Legende und dem sich stetig wandelnden Produzenten-Duo 3D und Daddy G alias Massive Attack.
Daniel K. Gebhart
Selbst wenn es schon zwei Jahre her ist, hat sich das Open Air Konzert in der Wiener Arena mir so sehr ins Gehirn gebrannt, dass ich es auf emotionaler Ebene immer wieder sofort abrufen kann. Nicht nur die Songs, die allesamt aus dem langen Fundus der Jungs aus Bristol stammen, sondern auch die visuelle Show überwältigt einen. Vor allem, wenn man relativ unbedarft vor den riesigen Screens und mit Leuchtdioden gespickten Lichtzeilen steht. Haben Massive Attack 2004 noch die Zahlen der gefallenen Soldaten und die wirtschaftlichen Fakten des Irakkriegs über die Bildschirme flimmern lassen, so stellten sie bei ihrer 20 Jahre Jubiläumstour Zitate von Freiheitskämpfern denen von korrupten Staatsführern und Kriegsverbrechern gegenüber. 3D und Daddy G spielten sich schon immer damit, starke Gegensätze aufeinanderprallen zu lassen und verstärkten damit eigentlich nur das Prinzip jeder Boulevard Presse, die Kriegsopfer auf der einen und Celebreties auf der gegenüberliegenden Seite abdruckt.
Man darf also schon gespannt sein, was sich die Band für den Headlinerslot des zweiten FM4 Frequency-Tages hat einfallen lassen. Denn es gilt die durchaus nicht einfache Aufgabe zu bewältigen, das mit Gastsängerinnen und Gastsängern voll gestopfte letzte Album Heligoland auf die Bühne zu bringen.
Die zweiten nächtlichen Schokodrops liefern uns Muse, die ihr vielleicht bestes Album 'The Resistance' im Gepäck haben. Eva Umbauer hatte ja schon vor einem Jahr zwischen sanfter Meeresbrandung und tiefen Möwenflug die Gelegenheit, die damals noch geheimen, neuen Songs live zu hören. Mittlerweile ist 'The Resistance' in unzähligen Charts bis an die Spitze geklettert und die mit jedem Album stetig wachsende Fangemeinde füllt bereits Megakonzertsäle, wie man in dem passenden Video sieht. Kein Witz, bei den Publikumsaufnahmen wurden keine Montagen gemacht, die Massen gehen bei dem schnörkeligen und virtuosen Spiel der Engländer wirklich so ab.
Und wer um ca. 02:00 Uhr Nachts (Muse sind ja bekannt dafür, ihre Live-Sets gerne in epischem Ausmaß zu verlängern) noch immer fit und in Tanzlaune ist, der wird im Nightpark bis zum Morgengrauen bedient. Und das kann dann wie letztes Jahr schon mal bis 06:00 Uhr früh dauern.
Also am Besten jetzt gleich vorschlafen...