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Arthur Einöder

POP: Partys, Obsessionen, Politik. Ich fürchte mich vor dem Weltuntergang, möchte aber zumindest daran beteiligt sein.

12. 8. 2010 - 12:02

Die Highlights am FM4 Frequency Festival

Mein Stundenplan für nächstes Wochenende.

Frequency-Highlights der FM4-RedaktuerInnen:

Nina Hofer will Pferde, einen Rollstuhl und einen Besuch beim Hilton.

Hast du schon einen Stundenplan?

Also nicht fürs kommende Semster an der Uni oder an der Schule. Sondern fürs FM4 Frequency Festival? Via Plingg und Frequency.at lässt sich sowas recht bequem machen und in Facebook einbinden und so.

Für mich gibts gleich ein paar Sachen, die ich auf gar keinen Fall verpassen will. Weil ich mit dem Festival nämlich dieses Jahr ein riesen Glück habe und sehr viel von dem, was mich gerade so interessiert, auch den Weg nach Österreich findet.

Klaxons

Klaxons

Klaxons: Freitag, 19:50, Race Stage

Die Klaxons zum Beispiel. Die haben mich vor drei Jahren aus einem großen Loch rausgezogen. Damals hat mich neue Musik nur mehr genervt, und ich hab beschlossen, lieber esoterische Bücher über den Weltuntergang zu lesen und Eurodance zu hören. Die Klaxons auch. Dass mich dann das Album mit seinen Crowley- und Pynchon-Texten, campen Stimmen und billigem Gefiepse entsprechend gefreut hat, brauch ich glaub ich nicht extra zu erwähnen.

Inzwischen ist es um die Klaxons ruhig geworden, was vor allem mit einem totgeglaubten Phänomen zu tun haben scheint: Einem allmächtigen Plattenfirmenboss, der mit Zigarre in einem fetten Ledersessel sitzt und via Daumen-Hoch oder Daumen-Runter über die Karriere von Bands und das Schicksal der Fans entscheidet. Na gut, vielleicht übertreibe ich, und das hat alles mit total durchdachten Marketingkonzepten, wirtschaftlicher Synergie und effizientem Ressourcenmanagement zu tun. Jedenfalls hatten die Klaxons ein Album fertig, das sie nicht veröffentlichen durften, weil das den Zuständigen zu pinkfloydig war. Stattdessen wurden sie mit dem Produzenten von Korn in ein Kammerl gesperrt und gezwungen, das Album neu aufzunehmen.

Weil man aber bei den Klaxons nie weiß, was wahr ist, was ein sich-verselbstständigt-habender Insidergag namens Pop und was einfach nur Bullshit, war vielleicht alles auch ganz anders.

Jedenfalls kommt in der Woche nach dem Frequency endlich das zweite Klaxons-Album, das am Cover eine Lolcat in orangem Raumfahreranzug hat. Die Errungenschaften der von den Klaxons erfundenen Zukunftsmusik-Gaga-Intifada scheinen also noch nicht verloren zu sein. Und auf die neuen Songs bin ich so richtig richtig richtig gespannt. Klaxons plus Korn plus Pink Floyd plus Texte über unerklärbare Naturphänomene, anyone?

Mustard Pimp

http://www.myspace.com/mustardpimp

Mustard Pimp: Freitag, 24 Uhr, Red Bull Electro Tank Stage

Wenn also die Klaxons meine Lieblingsband der Nullerjahre waren, dann sind Mustard Pimp mein liebster DJ-Act. Ich weiß schon: Boys Noize oder die Crookers sind berühmter und fetzen auch anständig. Das Rad hat von denen allerdings auch keiner neu erfunden. Wie immer kommt es darauf an, wer welche Zutaten in welcher Dosis zusammensetzt, und wieviel Überraschungsfaktor in der Rezeptur drinsteckt, damit es dir nicht langweilig wird.

Und langweilig werden mir Mustard Pimp so schnell nicht. Keine Ahnung, wie oft ihr Télésiege als legales Aufputschmittel vorm finalen Das-Haus-Verlassen am Freitagabend herhalten hat müssen. Keine Ahnung, wie oft ich mir eines ihrer Hercules- Mixtapes angehört hab, und jedes Mal an einer anderen Stelle vor lauter musikalischem Irrsinn bewundernd den Kopf geschüttelt habe.

In ihren Tracks spielen übersteuerte Computerspielesounds die Rolle der rosa Glasur am Punschkrapferl. Und wie verschieden die Sets den Auftrag Party auslegen, zeigen ja nicht zuletzt die schon erwähnten Hercules-Tapes. Nicht weniger als 12 Mixes haben Mustard Pimp da veröffentlicht, von denen stilistisch jeder für sich komplett anders klingt. Benannt sind die Mixes nach den zwölf Herkules-Taten. Der Erymanthische Eber wird mittels Electro der frühen Nullerjahre eingefangen, dem Riesen Geryon wird die Rinderherde mit prolligem Nineties-Acid-Sound gefladert, und der Nemëische Löwe lässt sich prima mit Pop ködern. In den Livesets treten dann Noise und Experiment zugunsten von Durchtanzbarkeit eher in den Hintergrund, werden aber auch nicht ganz vergessen. I Like sagt der Facebookfreund zu sowas.

Tocotronic

Tocotronic

Tocotronic: Freitag, 23:05, Green Stage

Das ist die Festivallogik. Regel Nummer 1: Es sind immer zwei Dinge, die du gern sehen möchtest, gleichzeitig. Wenn die Acts nicht gleichzeitig spielen, dann überschneiden sie sich zumindest.

Einmal mehr wird das mit Tocotronic und den eben erwähnten Mustard Pimp bestätigt. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, bin ich geneigt zu schreiben. Beziehungsweise wie Daypark und Nightpark. Dazwischen liegt nicht nur die Mariazeller Bundesstraße, sondern auch ein gut dreißigminütiger Fußmarsch (oder halt eine Busfahrt). Mir persönlich ist das zum Glück ein bissi egal, weil ich nämlich Tocotronic erst vor ein paar Wochen am Melt!-Festival in Deutschland gesehen habe. Und die Festival-Show unterscheidet sich dann doch recht deutlich von den Sets, die sie zuletzt hier gespielt haben.

Da hatte nämlich sogar das aktuelle Schall und Wahn-Album Pause. Stattdessen: Best Of Tocotronic. Inklusive Drüben auf dem Hügel.

Mit Tocotronic ist das bei mir so wie mit einem Freund aus der Unterstufe, den du lang nicht gesehen hast. Total viele gemeinsame, schöne Erinnerungen, aber in letzter Zeit habt ihr euch ein wenig auseinandergelebt. Klar, wenn ihn jemand blöd anmachen würde, würdest du ihn immer noch mit Klauen und Zähnen verteidigen. Aber wenn man sichs recht überlegt, definiert sich eure Freundschaft mehr über die Vergangenheit als über die Gegenwart.

Trotzdem: live zum ersten Mal das Lied zu hören, das du immer mit fünfzehn aufgedreht hast, als deine Eltern mal nicht zu Hause waren; und jetzt, zehn Jahre später, läuft plötzlich ein Film vor deinen Augen ab. Ein Wahnsinn, was sich seitdem alles geändert hat, denkst du dir, schaust dir deine Freunde rund um dich an und lächelst; führst dir vor Augen, dass du dir ein Ticket für ein teures Festival leisten kannst und hoffentlich soweit gesund bist; du denkst dir, dass all die Sorgen damals mit fünfzehn umsonst waren, und all die Probleme auf einmal nur niedlich erscheinen; und du freust dich, dass es die Band von damals, als deine Eltern mal nicht zu Hause waren, immer noch gibt.

James Murphy, LCD Soundsystem

DFA

LCD Soundsystem: Freitag, 21:20, Race Stage

Murphy's Law ist bei Festivals ein wenig anders zu verstehen als im echten Leben. Murphy's Law auf Festivals heißt: egal, wie super alle Bands und das Umfeld sind - irgendjemand wird immer meckern.

Dass LCD Soundsystem auf dem FM4 Frequency spielt, find ich extrem scharf. Ich mein, allzu viele Festivals, noch dazu in Europa, beehrt James Murphy nicht. Und Raritäten haben ja immer einen besonderen Reiz - vielleicht würden straßenkredible HipHopper ihre Ohrclips mit Bauxit statt mit Platin versehen, wenn es seltener wäre?

Jedenfalls kommt das LCD Soundsystem; eine Tatsache, die auch sonst noch ein paar gute Gründe für Applaus bietet. Der möglicherweise stilprägendste Act, was das Verschmelzen von Rocksong mit Clubmusik angeht, hat schon sehr viele Songs gemacht, von denen ich mir vorstellen kann, dass sie live unfassbar klingen und aussehen.

Gleichzeitig vor der Bühne ekstatisch durchzucken und unterkühlt mit dem Kopf nicken, mit dem Fuß wippen und dezent yeah hauchen - das funktioniert eben nur bei ganzen wenigen Acts. Und da ist es schon beinahe egal, ob du dich mit Wildfremden direkt neben dem Bühnenlautspreccher lautstark als North American Scum zu erkennen gibst, oder ob du das Geschehen aus der Dixieklowarteschlange nur aus der Distanz verfolgst, und bei der Textzeile Drunk Girls Take An Hour To Pee freundlich aber doch den Mittelfinger Richtung Bühne erhebst.

Major Lazer

Major Lazer

(Ebenfalls da, sehr super und ohne Worte: Major Lazer. Donnerstag, 23:30, UAF Floor.)