Erstellt am: 16. 9. 2015 - 07:00 Uhr
Wer hat Angst vor Stephen King?
„Da drin sind zwei weitere Romane über Jimmy Gold“ sagt er. „Wussten Sie das?“ „Du lügst.“ Rote Lippe richtet die Pistole immer noch auf Tina, aber sein Blick wird von den Notizbüchern angezogen“.
Stephen King
Es gibt einen Stephen King vor dem Unfall und einen Stephen King nach dem Unfall. 1999 wird Stephen King beim Spazierengehen von einem betrunkenen Kleinbus-Fahrer erfasst und schwer verletzt. Stephen King kämpft mit dem Tod und muss jetzt noch an den Spätfolgen leiden. Ab diesem Zeitpunkt ist deutlich ein nachdenklicher Ton in seinen unzähligen Romanen zu beobachten.
Die Rolle der Bestien erledigen seitdem statt den spielerisch ausgedachten Monstern und Dämonen immer öfter Menschen ohne über- und außerirdische Fähigkeiten. Und tauchen Monster auf, dann sind sie sehr einfach als Sinnbilder menschlicher Unvollkommenheit zu erkennen. Das war bei Stephen King zwar schon immer ein wichtiger Aspekt, aber ab 1999 unterstreicht er dieses Anliegen und inszeniert er weniger schrill, sondern ruhiger und stiller dafür endgültig und ausweglos. Seine literarischen Malfarben sind nicht mehr rot und gelb, sondern beige und schwarz.
Stephen King auf FM4
- "Nichts Neues in Maine"
- "Under the Dome" (Roman)
- "The Dark Tower"
- "11/22/63"
- "Joyland"
- "Under the Dome" (TV-Serie)
- Doctor Sleep
Mit dem zunehmenden Verzicht plakativer Monster hat er sein Werk auf ein höheres Niveau gehoben. Denn das Problem vieler Stephen King Romane ist genau das, wofür er berühmt ist: die Auflösung anhand tolldreister Ungeheuer. Denn die großartigen Teufel wie Pennywise der Clown oder die Vampire aus Salem sind eigentlich Seltenheit. Oft genug hatte man es mit sprechenden Autos oder diffuser Außerirdischen zu tun. Und deshalb sind die großen Klassiker von Stephen King seine amerikanischen Erzählungen, seine große Kunst kontroverse Charaktere zu porträtieren.
Finderlohn
Sein neues Buch Finderlohn ist so ein Porträt und ein knallharter Thriller. Finderlohn knüpft lose an den ähnlich guten Vorgängerroman „Mr. Mercedes“ aus dem letzten Jahr an und ist Band Zwei der sogenannten „Mr. Mercedes Trilogie“. „Finderlohn“ kann aber völlig unabhängig davon gelesen und verstanden werden.
Heyne Verlag
Wieder verhandelt King seine geliebten Themen Schriftstellerei und Obsession: Stephen King erzählt vom greisen Autor John Rothstein der eine ähnlich wichtige literarische Ikone wie etwa J.D. Salinger ist. Drei große Werke hat Rothstein in jungen Jahren veröffentlicht, die ihn reich und relevant gemacht haben. Seit Jahrzehnten lebt er allerdings zurückgezogen und halb vergessen auf einer abgelegenen Ranch.
Eines Tages wird er Opfer eines Überfalls. Aber die Täter haben wenig Interesse an seinem Geld. Sie wollen seine unveröffentlichten Texte, aber nicht aus ökonomischen Gründen. Der Überfall endet in einem Blutbad und die Räuber bekommen was sie wollen. Und trotzdem beginnt erst hier dieser souverän und atemlos erzählte Krimi indem sich Stephen King wieder mal als großer Chronist des amerikanischen Volks beweist.
Finderlohn von Stephen King ist in der Übersetzung von Bernhard Kleinschmidt im Heyne Verlag erschienen.