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Pia Reiser

Filmflimmern

3. 10. 2013 - 10:45

Been there, dome that!

Ein Blick zurück auf die erste Staffel "Under the Dome". Von inkompetenten Polizisten, halben Kühen und spontanen Todesstrafen.

Stephen King hat mit seinen Romanen und Geschichten sehr viel dazu beigetragen, dass die amerikanische Kleinstadt zu einem Ort wurde, an dem sich jeder ohne Stadtplan zurechtfinden würde, auch wenn man noch nie in den USA war. Und in dieser Welt, die uns so vertraut erscheint, in diese scheinbar beschauliche Idylle voller weißer Gartenzäune, Kinder auf BMX-Rädern und großkopferten Bürgermeistern, ließ er Clowns wüten, den Teufel ein Geschäft eröffnen oder UFOS abstürzen. In Kombination mit dem (meistens) Ostküsten-Kleinstadt-Flair wuchs der von King erdachte Horror dann zur wahrer Größe.

CBS

Designed and directed by his red right hand: Barbie (Mike Vogel)

Kings Roman "Under the Dome" und die darauf (lose) basierende Serie verflicht ebenso das scheinbar Altbekannte - das Städtchen heißt hier Chester's Mill - mit dem unheilbringenden Unbekannten: Eine Art durchsichtige aber undurchdringliche Kuppel, die sich über die kleine Stadt gestülpt hat. Was passiert also, wenn man sich plötzlich unter einem Dome wiederfindet, dem man nicht entfliehen kann, der den Kontakt nach außen verunmöglicht? Und das ist ja noch nicht alles: Hinzu kommt, dass Stadtrat Big Jim Rennie (Dean Morris) gemeinsam mit dem Polizeichef einen Handel mit kriminellen Kräften eingegangen ist, der Pfarrer einen ordentlichen Hieb hat und irgendwann natürlich die Ressourcen knapp werden.

Fassen wir zusammen...

Hier folgt ein Blick zurück auf die erste Staffel von "Under the Dome", die von Stephen Spielberg produziert wurde und immerhin "Lost"-Produzent Brian K. Vaughan als Creator anführen kann; ein nicht spoilerfreier Blick zurück auf the good, the bad and the ugly.

The Good

  • Der Anfang

Spielt zwar selten eine wesentliche Rolle für den weiteren Verlauf, dennoch ist die Entscheidung, was man dem Publikum als erstes Bild, als erste Szene zeigt, von großer Bedeutung. Die "Under the Dome"-Macher haben sich entschieden, mit dem Schlüpfen eines Vogeljungen zu beginnen und anschließend Mama Vogel - in herrlich eingefärbten Bildern - wegfliegen zu lassen.

Vogel

CBS

Was man da noch nicht weiß, "Under the Dome" wird zur Eischlüpferei auch später nochmal zurückkehren, allerdings weitaus kryptischer. Metaphorisch aufgeladen geht's weiter: Der Muttervogel landet auf einem Baumstumpf, gleich daneben schaufelt jemand, den wir später als Dale "Barbie" Barbara (Mike Vogel) kennenlernen werden, ein Grab für jemanden, der aussieht wie Kyle MacLachlan nach einem wirklich schiefgegangenen Botox-Eingriff. Es ist auch gleich klar, dass der Grab-Schaufler kein Böser ist, sonst hätte er nicht so einen Bart und so eine Frisur, die schreien "I'm a good guy". Wird schon eine gute Erklärung dafür geben, wieso er eine Leiche im Wald vergräbt. Geburt und Tod in weniger als einer Minute, die gleichen Themen wird "Under the Dome" nie mehr so nah beinander, unaufgeregt und vor allem dialoglos inszenieren.

MIke Vogel

CBS

  • Die Kuh

Das Prestigeobjekt der Post Production. Als der Dome aus dem Nichts auftaucht, schneidet er Häuser, Autos und eben auch Kühe auseinander. Die - der Länge nach - zerteilte Kuh wird zum Sinnbild für die Kraft des geheimnisvollen Domes und das Bild, das sich einbrennt.

CBS

  • Die Teenager

Der Schandfleck vieler Serien, weil es schwer ist, gute Schauspieler im Teenager-Alter zu finden und weil Drehbuchautoren oft wohl einfach nur googlen, was Teenager grad gut finden und wie sie sprechen. Joe McAllister (der Bub aus Chester's Mill mit einer Schwäche für Naturwissenschaften) und Norrie (das rich kid aus Los Angeles, das von einem lesbischen Paar aufgezogen wird) sind immerhin die einzigen in dieser vermaledeiten Stadt, die sich länger als fünf Minuten Gedanken drüber machen, was um Himmels Willen dieser Dome ist und wo er herkommt. Außerdem stimmt die Balance zwischen Herumgeschmuse, Herumgealbere und Dome-Erkundungen.

CBS

Niemand hatte bis jetzt einen Con-Dome-Witz gemacht
  • Samantha Mathis

Wo warst du all die Jahre, Samatha Mathis? Das letzte Mal bewusst wahrgenommen hab ich sie in "Pump up the Volume", hier hebt sie das schauspielerische Niveau der ganzen Serie ordentlich in die Höhe. Mit Hipsterbrille und schicken Jeanshemden ist sie auch die einzige Figur, die sich anzuziehen weiß. Würde Chester's Mill sowas wie einen Street Style Blog haben, sie wäre die einzige, die man dort abgebildet finden würde. (Lobende Erwähnung hier an DJ Phil, der Radiomoderator der Stadt, der findet, nur weil Ausnahmesituation herrscht, ist das kein Grund, sich morgens nicht fancy anzuziehen).

Samantha Mathis

CBS

  • Das Übernatürliche

Ein heikles Thema. Jedes übernatürliche Element kann die Glaubwürdigkeit einer ganzen Serie zerstören. Ich hab den "Ich dreh hier mal und versetz die Insel"-Apparat aus "Lost" noch immer nicht ganz verwunden. Ich hab aber auch soviel "Charmed"-Folgen gesehen, dass mich so schnell nichts mehr entsetzen kann. Der Mini-Dome im Wald, das leuchtende Ei, die leuchtenden Handabdrücke, das Sternengefunkle, die kryptischen Sätze ... angesichts der vielen Drehbuchschwächen der Serie funktionieren die übernatürlichen Geschichtenteile aber eigentlich ganz gut.

CBS

Neulich am Electronic Beats Festival

The Bad

  • Joe als Audiokommentar

Die generelle Formulierungsfaulheit, die die meisten Dialoge unter dem Dome zu einer Qual machen, wird ab und zu nur dadurch übertroffen, das Teenager Joe alles ausformulieren muss, was wir gerade sehen, er ist der lebende Audiokommentar der Serie. "When the butterfly hits the dome, it makes some kind of spot", sagt Joe in unten abgebildeter Szene in bester Captain Obvious-Manier.

CBS

  • Die abwesenden Eltern

Die Eltern der Geschwister Joe und Angie sind außerhalb der Stadt, als Chester's Mill der Dome aufgesetzt wird. Anscheinend mit einer "Shit happens"-Attitüde ausgestattet, machen sie sich nicht die Mühe, sich mal dem Dome zu nähern, um nachzuschauen, ob das Haus noch steht und wies den Kindern geht. Sie tauchen nicht mal an dem - am vom Militär organisierten - Tag auf, wo Verwandte und Bekannte busweise an den Dome gekarrt werden, um zu winken, zu weinen und Botschaften auf Zettel zu schreiben.

  • Rusty

Von wegen auf Zettel schreiben! Rusty, der Feuerwehrmann und Verlobte von Polizistin Linda hat natürlich ein Tablet dabei, wenn er im Nachbarort bei einer Parade teilnimmt. Das ist erstens praktisch, denn so kann er in seiner krakeligen Schrift eines Fünfjährigen Fragen an seine Verlobte notieren und so erklärt sich auch, was das "Sponsored by Microsoft" im Abspann bedeutet.

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  • Das fehlende Insulin

Joe, der einzige, der versucht, was über den Dome rauszufinden und nicht dem Tagewerk nachgeht, wie der Rest der Stadt, findet raus, dass der Dome ein wenig flüssigkeitsdurchlässig ist. Das vergisst er allerdings, als es darum geht, dass der Stadt das Insulin ausgeht. Wärs nicht irgendwie möglich gewesen, Insulin von außen durch den Dome zu tropfen? Oder es zumindest zu probieren?

CBS

  • Angie im Bunker

Sexuell aktive junge Frauen haben es nicht leicht in Film und Fernsehen. Angies Tag geht bergab, nachdem sie Ferien-Gspusi Junior (der aussieht wie Andy Samberg mit braun gefärbten Haaren) sagt, dass sie nicht an einer Beziehung interessiert ist. Als wär die Sache mit dem Dome nicht übel genug, schleppt Junior sie in den familieneigenen Bunker und kettet sie dort an. (Er will sie beschützen, sagt er, aber Juniors Augen sagen auch, dass er nur ein paar Schritte von "Es reibt sich mit Lotion ein" entfernt ist). Mir wurde erzählt, dass es im Buch grausliger und blutiger zugeht, als in der Serie; mit dem Strang von Angie im Bunker weicht "Under the Dome" unangenehm von seiner restlichen Tonalität ab, die sehr darauf achtet, das Fernsehpublikum nicht zu verschrecken.

Britt Robertson

CBS

  • Bilder von Juniors Mutter

Es muss irgendwo in den USA ein siebenjähriges Kind geben, dass uns weniger greisliche Bilder beschert hätte, als sie, die uns Junior als die Gemälde seiner toten Mutter präsentiert.

CBS

CBS

The Ugly

  • Das faule Drehbuch

Wenn bei einer Serie gute Autoren am Werk sind, dann redet man über die Serie nicht wie über etwas Fiktionales, sondern wie über Geschehnisse aus dem Freundeskreis. (Hast du gesehen, was der Sawyer gemacht hat?) Ist die Geschichte gut geschrieben, denkt man zunächst nicht über technische Aspekte nach. Ist etwas mit weniger Raffinesse und Sorgfalt geschrieben, entsteht nie die grandiose Illusion, der Sog einer gut erzählten Geschichte. Die Figuren agieren dann nicht in einer Art und Weise, weil sich die Drehbuchautoren Motivationen und Hintergründe der Figur gut überlegt haben, sondern, sie tun Dinge, weil das Drehbuch es so will.

Zum Beispiel schaut Julia aus dem Fenster, sieht Junior mit einem Rucksack vorbeigehen und sagt "I wonder where Junior is headed." Und dann geht sie ihm nach. Die einzige Motivation dafür: Es hat sich ein Schreiber ausgedacht. "Under the Dome" hat unzählige von diesen faulen Momenten, die jeglicher Motivation (und manchmal Logik) entbehren. Ich finde wenig öder, als Filmkritiker, die stets Fiktionales mit dem echten Leben vergleichen. Das Problem von "Under The Dome" ist aber, dass es sich oft einfach nicht um Dinge charakterliche Kontinuität kümmert.

Alexander Koch in "Under the Dome"

CBS

Jemand geht die Straße entlang. Ja, geh ihm lieber mal nach.
  • Die Größe der Stadt

Es gab einen Moment in "Lost", in dem ich mich fragte, wie groß eigentlich die Insel sei und just in diesem Moment wurde diese Frage in der Folge erörtert. "Under the Dome" schert sich relativ wenig darum, was man sich als Zuseher denkt. Chester's Mill ist so groß, wie es die Drehbuchautoren grad brauchen. Eine ca 40 köpfige Statistengruppe ist stets zur Stelle, wenn Big Jim eine kleine Rede loswerden will. Die Szenen in der alten Zementfabrik, in der Superbösewichtin Max einen "Fight Club" aufzieht, lassen anhand des Andrangs wieder auf eine größere Stadt schließen. Wenn Linda (zu ihr gleich mehr) über Funk durchgibt, wo der Streifenwagen hinfahren soll, dann bestellt sie ihn zu "Ben Foster's house". Ben Foster ist ein Skater-Teenagekind, warum um Himmels Willen sollte jeder wissen, wo er wohnt? Es gibt übrigens vier Polizisten in "Chester's Mill" und ein Krankenhaus, aber irgendwie nur einen Arzt. (Und der liegt tot im Wald).

  • Linda

Wenn man in Chester's Mill zum launigen "Polizei/Depp dabei" anstimmt, dann singt man über Linda. Die Inkompetenz der Polizei in übrigen Serien und Film ist nichts im Vergleich zur Inkompetenz von Linda. Es beginnt mit Kleinigkeiten wie den Bewohnern zu untersagen, sich dem Dome zu nähern, nur um dann selbst mit ihrem Verlobten zu domeschmusen. Es steigert sich dazu, dass sie Junior, dessen Aggressions- und Gewaltpotential erstens einem Dreijährigen auffallen würde und sich wohl in einer Kleinstadt, in der jeder jeden kennt das wohl auch herumgesprochen hat, zu einem Polizisten macht.

Natürlich, zieh dem Wahnsinnigen einen Uniform an und gib ihm eine Waffe! In einem Moment von Klarheit erkennt Linda, dass Big Jim, der sich als Retter und Führer der Stadt aufspielt, ordentlich Dreck am Stecken hat und man ihm eigentlich nicht trauen sollte. Einige Szenen später allerdings ist das Schnee von gestern. Als Linda ihre Waffe zieht und dem davonlaufenden Barbie nachsieht, feuert sie erst dann Schüsse ab, als Big Jim "Shoot" schreit. Linda ist Chief Wiggum von Chester's Mill; nur ohne lustig zu sein.

Natalie Reyes in "Under the Dome"

CBS

Noch mehr stereotypes Verhalten in Serien: Der famose Comedian John Mulaney über "Law and Order"

  • Die doppelte Alice

It did something to my Baby, schreit die Schwangere mit dieser Chester's Mill üblichen Eloquenz, als die den Dome berüht hat, dann platzt die Fruchtblase. Weil kein Arzt weit und breit, muss sie das Baby in einem Wohnzimmer auf die Welt bringen - mit Hilfe von Alice, die zwar keine Ärztin, aber Psychiaterin ist. Nun wollen es die Gesetze der TV-Serie, dass Babies auf den Namen der helfenden Person getauft werden und so wird verkündet, dass das Baby ebenfalls Alice heißen soll. Die frischgebackene Mutter hätte die große Alice auch gleich in eine Löwengrube werfen können, denn uns weise Zuseher beschleicht das Gefühl, dass diese Stadt zu kein ist für zwei Alice und dass es an der Zeit ist, wiedermal den Lauf der Zeit allzu offensichtlich zu illustrieren. Große Alice stirbt, Baby Alice lebt. Das alles wär ohnehin schon schlimm genug, würde nicht Julia, ganz nach Art der Chester's Miller alles immer zusammenfassen zu wollen, philosophieren: "Strange, huh. Alice dies, Harriet has a baby. Same house. Same day. Circle of Life". Lebenslängliches "Lion King" Verbot für Julia.

Samantha Mathis

CBS

  • Hängt ihn höher!

Chester's Mill liegt (im Buch und es gibt nichts, was dagegegn spricht, dass dies auch für die Serie gilt) in Maine, einem Bundesstaat, der 1887 die Todesstafte abgeschafft hat. Nach ungefähr zwei Wochen unter dem Dome, schafft es Big Jim Rennie, die Gesetze außer Kraft zu setzen, die Todesstrafe wiedereinzuführen und sie gleich an Barbie zu exerzieren. Alle Anschuldigungen gegen ihn beruhen nur auf Aussagen von Big Jim. Nennt mich einen Hippie, nennt mich optimistisch, aber ich glaube, dass sich zumindest ein kleines Grüppchen formieren würde, das Protest gegen eine öffentliche Hinrichtung formulieren würde. Nicht so in Chester's Mill. Praktischerweise hat Big Jim eine Art Ikea-Anleitung für den Galgenbau zur Hand, die fleißigen Anrainer sind begnadete Hobbytischler, haben offenbar auch nichts zu tun und zimmern mirnichtsdirnichts einen Hinrichtungsplatz.

Aufgebauter Galgen, SZenenbild aus "Under the Dome"

CBS

Die zweite Staffel werd ich natürlich trotzdem anschauen, Stephen King wird gerüchteweise beim Auftakt zu Staffel zwei als Autor dabei sein.