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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

5. 6. 2014 - 08:57

Es geht ja doch

Eine Demo gegen Rechts ohne Gewalt nämlich. Über #noburschis, #festderfreiheit und die Verantwortung des Gewaltmonopols.

Was war diesmal anders? Ein paar Boulevardmedien haben schon die Schlacht um die Innere Stadt ausgerufen, das Polizeiaufgebot war riesig, Rechte und Linke sind sich ziemlich nahe gekommen - und trotzdem ist nichts passiert.

Die Fakten nach der #noburschis-Demo laut Polizei:
208 Identitäts- feststellungen, immerhin 6 Anzeigen wegen Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigung, 4 verwaltungsstrafrechtliche Anzeigen.

Michael Fiedler, Radio FM4

Vermummungsverwas?

Warum eigentlich? Was ist bei der Demonstration gegen den Akademikerball und zuletzt bei der Demo gegen die Identitären anders gelaufen? Auch diesmal galt - wie auf jeder Demo - das Vermummungsverbot, auch diesmal wurde die Demonstration von PolizistInnen in Kampfmontur begleitet, auch diesmal waren weite Teile der Innenstadt gesperrt - wenngleich die Polizei das nicht Sperrzone genannt hat.

Und damit sind wir schon mitten in einer möglichen Erklärung: Es ist halt eine Sache, präventiv alles zwischen Schwarzenbergplatz und Volksgarten abzusperren - und eine andere, nur einen möglichst schmalen Korridor abzusperren und flexibel Straßen zu blockieren, wo gerade eine Gefährdung zu befürchten ist. Dass sich 1500 PolizeibeamtInnen in dem Grätzel zwischen Albertina, Hofburg und Uni befanden, ist aus dem Demozug heraus gar nicht aufgefallen.

Polizei marschiert neben DemonstrantInnen

Simon Welebil / Radio FM4

Einer der Festgenommenen soll übrigens bei der Demo gegen den Akademikerball eine Polizistin verletzt und sich nun heftig gegen eine Identitätsfeststellung gewehrt haben.

Die Polizistinnen und Polizisten trugen zwar Schilder und Schlagstöcke, aber im Gegensatz zur Nacht des Akademikerballs und zur Identitären-Demo keine Helme, was gleich weniger nach streitlustigen Sturmtrupplern ausschaut. Sticheleien gegen die Polizei wurden von dieser ignoriert, die rechte Stimmung für Krawall wollte nicht aufkommen.

Nur als die Burschenschafter von ihrem Fest der Freiheit vom Palais Palffy hinter der Hofburg in den "Melker Stiftskeller", keine 150 Meter von der Gegendemonstration entfernt, gezogen sind, war kurz eine gewisse Nervosität auf Seiten der Polizei zu spüren. Die Burschenschafter gingen eingekesselt, in einigem Abstand gab es noch eine Vor- und Nachhut. Doch selbst da wurden jene GegendemonstrantInnen, die es irgendwie durch die Polizeisperren geschafft hatten, nicht von der Störung der Festtagsreden abgehalten:

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Kein schwarzer Block, der plötzlich zuschlägt und dabei auf unvorbereitete Beamtinnen und Beamte trifft. Keine eingeschlagenen Schaufenster, keine brennenden Mistkübel, keine verbeulten Polizeiautos. Möglicherweise weil das Auftreten der Exekutive nicht aggressiv war, sondern freundlich-zurückhaltend. Vielleicht, weil die offensive Zurschaustellung der Macht des Gewaltmonopols in Situationen wie diesen nicht förderlich ist.

Es scheint also, als hätte die Polizei nach zwei desaströsen Erfahrungen in diesem Jahr endlich Deeskalation gelernt. Es wäre schön, wenn sie damit nicht aus der Übung käme: Am Freitag beginnt der Prozess gegen Josef S., der seit der Anti-Akademikerball-Demo in Untersuchungshaft sitzt. Es werden Solidaritäts-Kundgebungen erwartet.