Erstellt am: 31. 1. 2011 - 16:44 Uhr
Burschenschaften
Nachlese zur Demo hier.
Zyniker würden sagen, das Bild, das sich letzten Freitag in Wien gezeigt hat, entspricht der politischen Situation in Österreich: Während antifaschistische DemonstrantInnen im Polizeikessel eingesperrt sind, kommen Burschenschafter im Zentrum der österreichischen Politik, der Hofburg, zusammen, um zu feiern. Für die DemonstrantInnen ist der Widerstand gegen den Burschenschafter-Ball so wichtig, dass sie sich sogar über ein Demonstrationsverbot hinwegsetzen.
Doch warum ist dieser Widerstand so heftig, wer sind diese Burschenschafter, die in der Hofburg tanzen?
Burschenschaften würden "studentische Brauchtumspflege" betreiben, meint Andreas Peham, Rechtsextremismusforscher am Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW). Und Phillip Schrangl, Mitglied der Akademischen Burschenschaft Oberösterreichische Germanen in Wien erzählt mir, sie würden hauptsächlich diskutieren, lernen, für den studentischen Zweikampf pauken und auch einmal Bier trinken.
Doch Burschenschaften sind keine Freizeitvereine. Sie stellen innerhalb der deutschnationalen Studentenverbindungen, zu denen etwa auch Corps und Landsmannschaften gezählt werden, den politischsten Teil dar. Politischen Pluralismus gibt es in ihnen nicht einmal ansatzweise, ihr klarer politischer Auftrag ist deutschnational, in seiner gesteigerten, radikalisierten Form rechtsextrem und bei manchen Burschenschaften gibt es Verbindungen zum Neonazismus, wie Andreas Peham meint. Peham nennt hier die Burschenschaft Olympia, die 2005 unter anderem den Neonazi David Irving als Redner eingeladen hat.
PUBLIC DOMAIN
Die politische Einordnung von Burschenschaften sei allerdings nicht immer ganz leicht, da manche Burschenschaften wenig publizierten. Hier müsse die Mitgliedschaft bei Dachverbänden als Abgrenzungskriterium dienen. Keine einzige österreichische Burschenschaft ist etwa Mitglied beim Dachverband der "Neuen Deutschen Burschenschaft", die als gemäßigt gilt. Bei der "Burschenschaftlichen Gemeinschaft" hingegen, die vom DÖW als Ganzes rechtsextrem eingestuft wird, sind viele österreichische Burschenschaften dabei. Diejenigen, die da Mitglied seien, müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie sich im rechtsextremen Bereich bewegen, sagt Peham. Und auch wenn nicht alle Burschenschaften so weit rechts wie die Olympia stünden, sie verteidigten sich gegenseitig gegen Anschuldigungen und schotteten sich ab.
Tradition
"Ehre, Freiheit, Vaterland" wurde 1816 nicht nur zum Wahlspruch der Urburschenschaft in Jena, diese Losung wird auch heute noch von den meisten Burschenschaften im deutschsprachigen Raum hochgehalten. Tradition ist ein wichtiges Element bei Burschenschaften. Sie beziehen sich gerne auf die Jahre 1815 und 1848, das Gründungsjahr der Urburschenschaft und das bürgerliche Revolutionsjahr. Sie stellen sich in die Traditon der bürgerlich-demokratischen Revolution und sprechen gerne von Pressefreiheit und Demokratie, verschweigen aber, dass sich die Urburschenschaft gegen eine liberale Position gegründet hatte und auch, dass sie historisch in den meisten Fällen Partei gegen die Demokratie ergriffen hat.
Die völkische Ideologie, die von den Burschenschaften hochgehalten wird, bedeute, so erklärt Andreas Peham, dass der Einzelne nichts gelte, sondern sich dem Kollektiv, dem starren Kollektiv des "Völkischen", unterzuordnen habe. Der Einzelne solle seine Individualität auflösen und in der Gruppe aufgehen. In der Mensur und im kollektiven Besäufnis würde dies praktiziert. Mit der Grundlage von Demokratie, der Liberalität, der Vorstellung des Einzelnen in seiner Gleichheit von Würde und Rechten, sei dies nicht vereinbar. Das Völkische, das Primat der "natürlichen" Gruppe vor dem Individuum, sei der Kern des Rechtsextremismus.
Aufnahme
Dass sich Männer ohne rechte Gesinnung in eine Burschenschaft "verirren" würden, könne sich Peham höchstens bei Mittelschulverbindungen am Land vorstellen. Die pennalen Burschenschaften arbeiteten nämlich nur niederschwellig politisch. Bei ihnen gehe es mehr um Alkoholkonsum, Fußball schauen und Parties. Sie als "rechts" zu erkennen fiele hier oft schwer. In eine deutschnationale Studentenverbindung trete man allerdings nur gezielt ein. Meistens würde die Mitgliedschaft sogar vererbt. Ein großer Teil von Burschenschaftern ist schon in zweiter, dritter oder vierter Generation Mitglied. Und nicht jeder wird in eine Burschenschaft aufgenommen.
Zivildiener seien in Burschenschaften unerwünscht, meint Andreas Peham, genauso wie Migranten, Juden und sogar Angehörige mancher Studienrichtungen wie Theologie oder Politikwissenschaft. Der "Obergermane" Phillip Schrangl erzählt mir, dass man sich zum deutschen Volks- und Kulturkreis bekennen müsse, um überhaupt in eine Burschenschaft aufgenommen zu werden, nicht ohne seine österreichische Staatsangehörigkeit zu betonen. In einem Wiener Corps gebe es mittlerweile aber auch einen Korporierten mit Migrationshintergrund.
APA/Robert Parigger
Seilschaften
Eine Burschenschaft sei kein Verein, wo man einmal hingehe und dann wieder austrete, erklärt Schrangl weiter. Die Burschenschaft habe das Lebensbundprinzip. Man sei sein Leben lang Mitglied und kümmere sich um die anderen Mitglieder. Sich um die anderen Mitglieder kümmern bedeutet, dass die Alten Herren, die Mitglieder, die nicht mehr studieren, die Burschenschaft finanziell unterstützen und ihre Bundesbrüder fördern. Burschenschaften bilden, genauso wie auch katholische Studentenverbindungen, Seilschaften. Mitglieder in höheren Positionen unterstützen die jüngeren.
Auffällig in Österreich war das im Austrian-Research-Center Seibersdorf, wo viele Angehörige der Burschenschaft Olympia und der Grendlandsmannschaft Cimbria untergekommen sind.
Politik
Mehr Informationen zu Burschenschaften hier
Die politische Heimat der meisten Burschenschafter in Österreich ist die FPÖ. Nach den schwierigen Jahren für die FPÖ nach der Parteispaltung 2005 sehen sich die Burschenschafter als Retter und treueste Anhänger der FPÖ. Burschenschafter bilden das akademische Rückgrat der FPÖ und dominieren die Partei nicht nur personell (Martin Graf ist etwa Alter Herr der Burschenschaft Olympia und Heinz-Christian Strache bei der pennalen Burschenschaft Vandalia), sondern auch inhaltlich. Das ist auch in den Parteiprogrammen der FPÖ abzulesen. 1998 wurde unter Jörg Haider (Burschenschaft Silvania Wien), um die FPÖ fit für die Regierung zu machen, das Bekenntnis zum deutschen Volkstum aus dem Parteiprogramm gestrichen. Neun Jahre später kommt es als Grundsatz freiheitlicher Politik wieder zurück.
APA (Herbert P. Oczeret)