Erstellt am: 27. 1. 2012 - 11:21 Uhr
Parallelgesellschaft mit Gesichtsnarben
Der viertmächtigste Mensch im Staate Österreich ist - nach dem Bundespräsidenten, erstem und zweitem Nationalratspräsidenten - der dritte Nationalratspräsident Martin Graf.
Graf ist Mitglied in dem Lebensbund Olympia, einer mensurfechtenden, deutschnationalen Burschenschaft, die das DÖW als rechtsextrem einstuft. Von hier gelangte Graf zum Ring Freiheitlicher Studenten. Von dort weiter in den Bezirksvorstand des 22. Wiener Gemeindebezirks und dann in den Nationalrat.
Braunblaue Flecken
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Extremismus im Herzen der Republik
Burschenschaften gelten nicht umsonst als Karrierenetzwerke. Die Beförderung individuellen Vorankommens unterliegt dem Zweck, eine gehorsame Funktionselite für die Schalthebel des Staates zu züchten. Männlich-patriarchale Dominanz; ein autoritärer Charakter, der befehlen und gehorchen kann; Sozialdarwinismus und ein mitunter rassistischer Glaube an das "deutsche Volk" prägen das geschlossene Weltbild, das die Zugehörigkeit zu dieser Funktionselite ausmacht.
Martin Graf war unter der schwarz-blauen Regierung an der Ausarbeitung des Universitätsgesetzes beteiligt. Damals wurden mit den Uniräten Aufsichtsgremien an den Universitäten installiert, in die alte Burschenschafter berufen wurden, wie zum Beispiel Martin Grafs Verbindungsbruder aus der Olympia Friedrich Stefan, der im Unirat der Universität Wien saß.
Ich habe mich gestern ins Juridikum und zur Hauptuni begeben, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie Burschenschaften an der Universität wahrgenommen werden.
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ORF Report
Eines der obskursten Rituale der Burschenschaften ist das für Außenstehende archaisch anmutende Mensurfechten. Für Burschenschafter geht es bei der Mensur darum, "den inneren Schweinehund" zu überwinden. Der Autor Hans Magenschab sieht dieses Initiationsritual im Zusammenhang mit einer spezifisch deutschen Erziehungskultur der Grausamkeit, zu der brutale Grimm-Märchen, die Struwelpeter-Geschichte und die späteren blutrünstigen Karl-May-Romane zählen.
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Die sadomasochistische Mutprobe kann einerseits mit der Geschichte der "männlichen Ehre" und zum anderen mit der Entwicklung des Waffen-Tragens erklärt werden. Nach der Einführung von Schusswaffen sind Schwertwaffen zu Fetischen von Männlichkeit und "Ritterlichkeit" geworden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Frauen für das Studium an Universitäten zugelassen wurden, diente die Mensur zur Abschottung gegen weibliche Einflüsse.
Archiv Corps Rhenania Heidelberg
Styria Verlag
Der Beginn des Burschenschafterwesens ist eng mit dem Sieg über Napoleon und dem erwachenden deutschen Nationalismus verbunden. Studenten hatten in preußischen Freiwilligen-Verbänden gekämpft und forderten ein Ende der Feudalherrschaft und die Bildung eines einigen deutschen Staates.
Die Revolution 1848 bezeichnet Hans Magenschab als "Burschenschafterrevolution". Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit wurden vom burschenschaftlich organisierten Bildungsbürgertum erkämpft. Die radikalsten demokratischen Burschenschafter flüchten nach der Niederschlagung der Revolution aus Europa. Im Ringen um die deutsche Einigung wird der Antisemitismus identitätsstiftend. Heutige Burschenschaften hätten mit den Freiheitsideen von 1848 gar nichts mehr zu tun, so Magenschab.
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Imagno/picturedesk.com
Wohin die späte Vereinigung der katholischen und protestantischen deutschsprachigen Länder geführt hat, ist aktenkundig: zum arischen Rassewahn in historischer Menschenvernichtungsdimension.
Dass deutschnationale Burschenschaften bis heute an extrem gestrigen Weltbildern laborieren, wird seit einigen Jahren jeweils Ende Jänner anhand des WKR-Balls thematisiert. Der vorläufige Erfolg der Proteste gegen den Ball in der Hofburg: Nächstes Jahr wird die Veranstaltung nicht mehr in den repräsentativen Prunkräumen stattfinden. Die Entscheidung der Kongresszentrum Hofburg GmbH könnte letztlich aber weniger von den Anti-WKR-Ball-Protesten, als vielmehr vom Bekanntwerden der Neonazi-Mordserie in Deutschland beeinflusst worden sein. Der terroristische "nationalsozialistische Untergrund" soll mutmaßlich Verbindungen zur Burschenschaft Normannia Jena gehabt haben. Mit dieser rechtsextremen Burschenschaft war bis vor kurzem noch die Olympia des dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf in der so genannten Burschenschaftlichen Gemeinschaft verbunden.
wien.orf.at: Holocaustgedenken auf dem Heldenplatz
Die Musikerin Clara Luzia (mit ihrem Lied Colours), die Band Kommando Elefant (mit Falsche Helden) und Christoph und Lollo (mit ihrem Lied Burschen) treten heute ab 18:30 am Heldenplatz bei einer Protestveranstaltung gegen den WKR-Ball auf.