Erstellt am: 24. 1. 2014 - 15:03 Uhr
Dieselben Vorgänge, dasselbe Klientel
- Polizeistadt Wien: Der Menschenrechtsanwalt Georg Bürstmayr hält die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen anlässlich des Akademikerballs für unverhältnismäßig und verfassungswidrig. (Christoph Weiss)
Wo Burschenschaften versuchen, eigenständig politisch aufzutreten und wirksam zu werden, sind sie in der Zweiten Republik weitgehend bedeutungslos geblieben. Sie haben sich sehr schwer getan, über die eigenen Kreise hinaus zu wirken. Wenig überraschend ist das das zentrale Ergebnis der Dissertation des Politikwissenschaftlers Bernhard Weidinger über akademische Burschenschaften und österreichische Politik nach 1945.
Wenn man aber ihr Engagement als Funktionäre in der FPÖ in die Beobachtung miteinbezieht, kommt man zu einem anderen Schluss. Über die Rolle in der Partei haben es Burschenschaften und Burschenschaftler geschafft, eine gewisse Relevanz zu bewahren.
Ihre politische Zielsetzung orientiert sich an einem völkischen Nationalismus: Österreich sollte möglichst deutsch bleiben, die Mehrheitsbevölkerung sich als kulturell deutsch verstehen.
APA/FAYER
Die Ballveranstaltungen der Verbindungen haben historisch die Rolle eingenommen, einen Platz für die Burschenschaften in der österreichischen Gesellschaft zu reklamieren, der möglichst symbolisch und repräsentativ sein sollte. Die Hofburg ist demnach der prestigeträchtigste Veranstaltungsort für diesen Ball.
Seit einigen Jahren wollen Teile der Zivilgesellschaft den Burschenschaften diesen Platz aber nicht mehr zugestehen und es gibt Demonstrationen gegen den WKR-Ball in der Hofburg. Die Betriebsgesellschaft der Hofburg hat darauf reagiert und wollte dem WKR ihre Räumlichkeiten ab 2012 nicht mehr zur Verfügung stellen.
Das bedeutete aber nicht das Aus für burschenschaftliche Tanzveranstaltungen in der Hofburg. Statt dem WKR-Ball findet nun der Akademikerball zur gewohnten Jahreszeit in der Hofburg statt. Bernhard Weidinger verfolgt die Veranstaltung schon seit Jahren.
Der WKR-Ball war in den letzten Jahren immer ein Highlight des burschenschaftlichen Kalenders. Den WKR-Ball als solchen gibt es jetzt nicht mehr. Stattdessen gibt es den Akademikerball. Ist das jetzt die gleiche Veranstaltung?
Simon Welebil / FM4
Bernhard Weidinger: Es kann überhaupt kein Zweifel daran herrschen, dass es die gleiche Veranstaltung ist. Formal natürlich nicht, als Organisatorin tritt jetzt die Wiener FPÖ in Erscheinung. Ansonsten ist es natürlich so, dass im Wesentlichen dieselbe Klientel hingeht, dass dort im Wesentlichen dasselbe passiert, das auch die handelnden Personen weitgehend die gleichen sind. Der Vorsitzende des WKR-Ballausschusses, Udo Guggenbichler, Burschenschafter der Albia Wien, ist gleichzeitig - praktischerweise - Landtagsabgeordneter der FPÖ, ist in dieser Funktion einfach verblieben. Viele andere Mitglieder des Ballausschusses ebenfalls. Und auch wenn man die innere Kommunikation der Burschenschaften verfolgt, ist ganz eindeutig, dass man diese Veranstaltung, den Akademikerball, als Fortsetzung des WKR-Balls versteht. Es gibt beispielsweise von Guggenbichler die Aussage, dass der Akademikerball ein Ball von Korporierten für Korporierte ist. Es gibt von Herwig Götschober, einem weiteren Mitglied des Ballausschusses - ebenfalls FPÖ-Funktionär - die Aussage, dass die FPÖ letztlich mehr als die Organisatorin des Balls herhalte, als irgendwas anderes. Es gibt letztlich auch noch eine Aussage von Götschober, die er auf Facebook getätigt hat, wo er sagt, der 60. WKR-Ball - also letztes Jahr - findet im Rahmen des 1. Akademikerballs statt.
Was sagen jetzt Korporierte dazu, dass ihr Ball nicht mehr WKR-Ball heißt, dass es jetzt ein Akademikerball ist?
Weidinger: Also die Reaktionen auf diese Transformation waren in korporierten Kreisen durchaus gemischt. Es gab einerseits die Reaktion, dass man sich erfreut zeigte, dass man weiterhin die Möglichkeit haben wird, in diesem repräsentativen Gebäude einen Ball abzuhalten, nachdem es ja schon zwischenzeitlich so schien, als sei das nicht mehr möglich. Es gab auf der anderen Seite aber auch Irritationen darüber, dass das nun eine Parteiveranstaltung sein sollte. Vor allem in Deutschland hat das für Irritationen gesorgt, was auch dazu geführt hat, dass der Besuch von deutschen Korporierten im vergangenen Jahr ganz deutlich abgenommen hat. Die gesamte Teilnehmerzahl von angeblich über 3000 noch 2012/13 auf etwa 700 zurückgegangen ist, was natürlich auch ein ökonomisches Problem ist für den Ball.
Das heißt diese Nähe zur Partei, dieser Charakter einer Parteiveranstaltung, gefällt nicht allen Korporierten. Auch in Österreich gibt es darum Diskussionen. Ich würde sagen, das hat im Wesentlichen zwei Gründe. Einerseits gibt es eine ideengeschichtliche Traditionslinie im Korporiertenwesen, die einfach die Überparteilichkeit hochhält. Das geht noch zurück auf die Zeit, wo man sich zerstritten hat, etwa um Schönerer um 1900 herum, dann aber vielleicht auch auf die Zeit des Nationalsozialismus, wo man ja letztlich - zumindest, wenn man die Ergebnisse für das Korporiertenwesen anschaut - mit der mehr oder weniger geschlossenen Eingliederung in die Partei auch nicht die besten Erfahrungen gemacht hat.
Etwas anderes, was eine Rolle spielt, ist so ein gewisser sozialer Dünkel. Es gibt da auch ein Zitat von Götschober, der versucht, die Befürchtung zu entkräften, dass jetzt beim Akademikerball - weil es jetzt ein FPÖ-Ball sei - auch der "Gemeindebauprolet" dort auftanzen würde. Also einfach diese elitäre Selbstwahrnehmung, die in den Korporationen ja nach wie vor verbreitet ist und die mit der FPÖ, als auch mit ihrem Selbstverständnis als "Partei des kleinen Mannes" ein Problem hat.
In den letzten Jahren konnte man über den WKR-Ball immer hören, es sei ein "Vernetzungstreffen der europäischen Rechten". Ist das beim Akademikerball auch noch so?
Weidinger: Das ist definitiv so, und zwar deshalb, weil der Charakter des Balls als internationales Vernetzungstreffen der extremen Rechten ja im Wesentlichen auf die Verwobenheit von Korporationen mit der FPÖ zurückgeht. Also auch die Stargäste aus der internationalen extremen Rechten, von Le Pen bis hin zu Vanhecke und so weiter, diese Stars haben ja auch in der Vergangenheit diesen Ball nicht in erster Linie als Korporiertenball besucht, sondern aufgrund ihrer Verbindungen zur FPÖ, die sie wohl dorthin eingeladen hat, um ihnen auch diese repräsentativen Räumlichkeiten zu präsentieren. Und natürlich hat der Ball diese Aufgabe, einen Rahmen abzugeben für Vernetzungstreffen, nach wie vor erhalten.
Letzte Woche wurden Sitzungsprotokolle einer Burschenschaft geleakt, in denen man unter anderem lesen konnte, dass deren Ballvorverkauf recht schlecht läuft. Haben die heuer Besucherprobleme?
Weidinger: Mein erster Anhaltspunkt wäre auch das von Ihnen erwähnte Protokoll, ein Protokoll des Wiener Akademischen Turnvereins, wo eben erwähnt wird, dass der Kartenvorverkauf schleppend läuft. Der andere Anhaltspunkt wäre natürlich der Erfahrungswert aus dem Vorjahr, wo man gesehen hat, dass es vor allem beim Besuch aus Deutschland einen ganz starken Einbruch gegeben hat. Ich würde glauben, dass ein zusätzlicher Faktor auch die Erfahrungen der Ballbesucher und Ballbesucherinnen mit den Protesten gegen den Ball sind, wo es für viele Menschen tatsächlich sehr schwierig war und mit sehr unangenehmen Erfahrungen verbunden, den Weg zum Veranstaltungsort überhaupt zu finden.
All das lässt nicht darauf schließen, dass für heuer ein stärkerer Besuch zu erwarten ist. Ich würde davon ausgehen, dass die Erfahrungen, die man mit dem heurigen Ball machen wird, also die Frage, wie erfolgreich der heurige Ball auch in Hinblick auf den Besuch sein wird, den Ausschlag geben könnte, ob dieser Ball letztlich in der Hofburg eine Zukunft hat.
Das komplette Interview
Das komplette Interview mit Bernhard Weidinger über die politische Zielsetzung von Burschenschaften und den symbolischen Kampf um den Veranstaltungsort ihres Balles gibt's hier zum Nachhören.
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