Erstellt am: 23. 1. 2014 - 16:49 Uhr
Polizeistadt Wien
Vermummungsverbot in halb Wien, Platzverbot vom Heldenplatz bis zum Schwarzenbergplatz, kein Einlass für Journalisten – so streng waren sicherheitspolizeiliche Maßnahmen rund um eine Veranstaltung in Österreich noch nie. Der Anlass: Angekündigte Demonstrationen gegen den „Akademiker-Ball“ (früher: WKR-Ball), den die FPÖ für die schlagenden Burschenschaften ausrichtet.
Die Aktionsplattform „Jetzt Zeichen Setzen“ ist eine von mehreren Gruppierungen, die morgen auf dem Heldenplatz gegen den Ball demonstrieren wollte. Heute hat sie ihre Protestaktion jedoch abgesagt - der von der Polizei vorgeschlagene Ersatzort sei zu klein und zu weit weg von der Hofburg. Stattdessen empfiehlt „Jetzt Zeichen setzen“, sich einem der anderen Demonstrationszüge - etwa auf der Ringstraße - anzuschließen.
Der Rechtsanwalt Georg Bürstmayer, spezialisiert auf Verfassungsrecht sowie Grund- und Menschenrechte, hält das umfassende Platzverbot rund um die Hofburg bis hin zum Schwarzenbergplatz für deutlich überzogen. Problematisch sei vor allem, dass die Wiener Polizei für einen Ort, an dem eine Kundgebung bereits angemeldet war, nachträglich ein Platzverbot erlassen hat. „Nun untersagt sie die Kundgebung mit der Begründung, dass dort wo ein Platzverbot erlassen wurde, Kundgebungen grundsätzlich nicht stattfinden dürfen. Das Problem dabei ist, dass die Wiener Polizei mit dieser Methode die Möglichkeit hätte, das verfassungsmäßig gewährleistete Versammlungsrecht komplett auszuhebeln.“
APA
Die Polizei hat Platzverbot nicht nur Demo-Teilnehmern erteilt, sondern auch der Presse. Journalisten dürfen nur innerhalb eines Zeitfensters von 30 Minuten und in Begleitung der Polizei auf den Heldenplatz gehen. Auch das ist für Georg Bürstmayer nicht verfassungskonform: „Hier reden wir von einer massiven Beschränkung der Pressefreiheit, für die überhaupt kein Grund ersichtlich ist – außer, dass es vielleicht für die Wiener Polizei bequemer ist, den Zugang zur Hofburg zu regeln. Bequemlichkeit darf im Umgang mit Grundrechten aber kein Argument sein.“
Der Verfassungsgerichtshof hebe derart überschießende Verordnungen und Regelungen regelmäßig auf. Problematisch sei jedoch, dass es in Österreich keinen vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine so offensichtlich rechtswidrige Polizeimaßnahme gäbe. „Jeder, der sich beschweren will, kann das zwar tun – kriegt eine Entscheidung aber erst Monate bis Jahre nach der Demonstration.“ In Deutschland hingegen könnte man mit einem Eilverfahren beim Verwaltungsgericht in weniger als 24 Stunden eine Aufhebung der Maßnahme erwirken.
dpa/Fredrik von Erichsen
Nicht so schnell lässt sich in Österreich wohl auch das Vermummungsverbot bekämpfen: Es gilt morgen nicht nur auf der Demo, wie es das Versammlungsgesetz ohnehin immer vorsieht, sondern auch in den Wiener Gemeindebezirken 1 bis 9. Ein Verstoß kann 500 Euro Geldstrafe oder 2 Wochen Gefängnis nach sich ziehen. Georg Bürstmayr sieht auch hier die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht gegeben. „Ich halte es angesichts dieser umfangreichen Fläche für deutlich überzogen und kann mir kaum vorstellen, dass das verfassungsrechtlichen Standards entspricht. Es ist nicht einzusehen, warum man – noch dazu bei Temperaturen um null Grad – den Menschen in halb Wien verbietet, Mützen und Schals zu tragen, und warum man jeden einzelnen Polizisten verpflichtet, wenn er irgendwo jemanden mit Mütze und Schal sieht, einzuschreiten.“
Ob die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen zu einem ruhigen Verlauf der Demonstrationen führen, wird sich morgen zeigen. Erfahrungsgemäß sind strenge Verbote und Kontrollen oft selbst der Grund für Eskalation.