Erstellt am: 28. 11. 2013 - 16:09 Uhr
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In Innsbruck will sich am Wochenende der rechte Flügel der Burschenschaften aus Österreich und Deutschland treffen. In der Messehalle - dem ursprünglich gebuchten Veranstaltungsort - wird das jetzt aber nichts, denn die Eigentümer, darunter die Stadt Innsbruck und das Land Tirol, haben den Vertrag einfach aufgelöst.
Der Grund: Der Dachverband Deutsche Burschenschaft hat in den vergangenen Jahren einen immer rechteren Weg eingeschlagen - unter der Führung von Burschenschaften aus Österreich. Der Rechtsextremismus- und Burschenschaftsexperte Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes im Interview:
Am Wochenende soll, nach 2009, wieder ein Treffen des Dachverbandes Deutscher Burschenschaft in Innsbruck stattfinden. Was macht denn diese Stadt für Burschenschaften aus ganz Deutschland und Österreich so wichtig?
Innsbruck hat gewissermaßen einen symbolischen Wert. Stichwort: Andreas Hofer, Kampf gegen Napoleon, Verlust Südtirols. Und auf der anderen Seite entspricht die Wahl des Ortes für diese Verbandstagung der mittlerweile erlangten Stärke der österreichischen Burschenschaften oder - wie sie sich oft auch selbst nennen - der Ostmärker. Die Deutsche Burschenschaft hat seit 2008 fast ein Drittel ihrer Mitgliedsbünde verloren. Das war das Ergebnis eines Rechtsrucks unter der Ägide der österreichischen Verbindungen. Dass nun wieder ein Ort in Österreich, und insbesondere Innsbruck, ausgewählt wird, symbolisiert auch diese Stärke, die die Österreicher mittlerweile im Dachverband haben.
War es für Sie eine Überraschung, dass sich das Land Tirol und die Stadt Innsbruck so klar gegen diese Veranstaltung gestellt haben?
Ja! Und es ist insofern überraschend, als die Hauptakteurin, die Innsbrucker Bürgermeisterin, ja nicht gerade eine Linke ist. Vielleicht nur zum Vergleich: Letztes Wochenende hatten wir in Wien im Rathauskeller, also in den Räumen der Stadt - die sind zwar verpachtet, aber dennoch - den Kommers des Wiener Korporationsrings, der von der Olympia und der Teutonia, also genau diesen problematischen Verbindungen die sich jetzt auch in Innsbruck treffen, dominiert wird. Die rot-grüne Stadtregierung fand keinen Weg, die Burschenschafter rauszukriegen. Ganz anders jetzt im konservativ regierten Innsbruck.
dpa
Jetzt ist es für den Laien ein bisschen schwierig, zwischen einer rechtsextremen Burschenschaft und einer anderen schlagenden Burschenschaft zu unterscheiden. Die stehen in der öffentlichen Meinung alle einfach irgendwie rechts. Wie unterscheiden sich denn die gemäßigten Burschenschaften von den rechtsextremen?
Das erste wäre einmal das Verhältnis zum Nationalsozialismus, zur eigenen Vergangenheit. Wie positioniert man sich dazu. Und da gibt es eine ganze Palette: Von deutlicher Verurteilung und Distanzierung bis hin zur Relativierung und Apologie, bis hin zur Gutheißung. Jetzt weniger des Nationalsozialismus als ganzes, aber doch Gutheißung der Werke und der Taten der Alten Herren, die, wie zum Beispiel bei der Brixia der Victor Thurnher, SS-Sturmbannführer und Arzt im KZ Sachsenhausen waren, oder wie bei der Suevia, Gerhard Lausegger, ein Pogrom-Mörder. Der hat in der Pogrom-Nacht in Innsbruck den Vorsitzenden der Kultusgemeinde erschlagen. Er war in diesem Rollkommando, flieht 1945 nach Argentinien, und bleibt der Suevia über den Tod hinaus verbunden. Der findet sich bis heute am Denkmal der Suevia am Innsbrucker Westfriedhof.
Dann gibt es natürlich auch das aktuelle Verhältnis zum Neonazismus. Also: Wie geht man mit Neonazis in den eigenen Reihen um? Lädt man Neonazis wie David Irving zum Beispiel ein? Der hätte schon 1989 bei der Brixia reden sollen. Knapp vorher wurde dann der Haftbefehl ausgestellt und man hat ihn noch schnell nach Bayern verfrachtet und die Veranstaltung hinter der Grenze gemacht. 2005 wurde Irving dann bei der Olympia verhaftet. Eine Verbindung, die einen Neonazi, und noch dazu so einen prominenten Holocaust-Leugner wie David Irving, einlädt, muss sich natürlich gefallen lassen, als rechtsextrem bezeichnet zu werden. Das ist genau die Funktion, die - nicht jede Burschenschaft, aber doch einige, und vor allen Dingen in Österreich - erfüllen: Sie bilden ein Scharnier zwischen dem legalen, parteiförmigen Rechtsextremismus der Marke FPÖ und dem mlitanten, illegalen Rechtsextremismus, dem Neonazismus.
Und dann gibt es natürlich auch eine Bestimmung über ihre Ideologien, sofern die öffentlich gemacht werden. Da denke ich nicht an die Homepages, weil die haben überall quasi den gleichen Text, das ist ein reiner Legitimationsdiskurs. Da muss man schon auch versuchen, an Stiftungs- oder Kommersreden oder ähnliches zu kommen, um dann den Rechtsextremismus in jedem, oder jedem zweiten Satz nachzuweisen.
Als rechtsextrem bezeichnen wir vor allem drei Verbindungen: Olympia Wien, Teutonia Wien und Brixia Innsbruck. Das ist aber ein Urteil, das insofern vielleicht nicht ganz gerecht ist, als es durchaus auch andere Verbindungen gibt, die - sozusagen mutmaßlich - genauso rechtsextrem sind wie die drei, wo wir aber einfach zu wenig Material haben. Wenn man so ein Urteil fällt, muss man schon auch etwas in der Hand haben. Und es gibt einfach auch Verbindungen die kleiner sind, die nicht so laut sind, die besser aufpassen, dass niemand mitliest. Das ist dann ein bisschen unfair, dass die dann deshalb aus dem Schneider sind, aber im Großen und Ganzen plädiere ich schon immer auch dafür, nicht einfach wie mit dem Holzhammer auf alle deutschnationalen, auf alle schlagenden Burschenschaften draufzuhaun. Die sind nicht alle rechtsextrem.
Das Burschenschafts- treffen soll nun an einem geheimen Ort stattfinden. Eine Gegendemonstration startet am Samstag Nachmittag in der Innsbrucker Innenstadt.
Die Veranstaltung in der Messehalle in Innsbruck ist jetzt abgesagt, der Vertrag ist gekündigt. Angeblich haben die Burschenschafter auch schon ein neues Quartier. Aber was passiert denn da eigentlich morgen und übermorgen?
Es gibt diese Verbandstagung der deutschen Burschenschafter. Das muss man sich vorstellen wie bei jeder Organisation: Da gibt es Berichte, da wird diskutiert, da werden Pläne geschmiedet, da wird über die jüngere Vergangenheit und über die Zukunft geredet. Man tauscht sich einfach aus. Und dann gibt es noch den politischen Teil, wo man - auch wenn man selektiv mit Öffentlichkeit umgeht - durchaus auch eine Außenwirkung demonstrieren will. Also so etwas wie ein Symposium, in diesem Fall eben zur Jugendarbeitslosigkeit in der EU und solchen Themen. Gerade bei solchen halb-öffentlichen Veranstaltungen werden die wirklich heiklen Themen, wie zum Beispiel das Verbotsgesetz und der Umgang mit der Vergangenheit, momentan eher vermieden. Man hat in letzter Zeit einfach auch schon genug schlechte Presse gehabt. Und ganz am Ende gibt es dann das allgemeine kollektive Besäufnis. So endet jedes burschenschaftliche Ereignis: im kollektiven Alkoholmissbrauch.