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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

20. 6. 2009 - 13:45

Kommers 09 - Innsbruck in Aufruhr

800 Burschenschafter, 1.000 PolizistInnen, 2 Demos. Heute nachmittag in Innsbruck.

2009 gedenkt das offizielle Tirol den Schlachten am Bergisel, dem so genannten „Tiroler Volksaufstand“ unter Andreas Hofer im Jahr 1809. Unter die Gedenkveranstaltungen des Landes mischt sich von 19.-21. Juni auch ein Festkommers schlagender Burschenschaften.

Deutschnationale Ideologie

Kommerse sind streng geregelte Feiern von Studentenverbindungen mit Teilnehmern aus dem ganzen deutschen Sprachraum. Die große Aufmerksamkeit, die Kommerse generell erreichen, wird häufig dazu genutzt, die völkische Ideologie der Burschenschaften zu verbreiten und um zu provozieren. Veranstaltet wird der Festkommers von einem Komitee, dem die Burschenschaften Brixia und Suevia und die Sängerschaft Skalden angehören. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands stuft diese Verbindungen als rechtsextrem oder rechtsradikal ein, hinzu kommen die Corps Athesia und Gothia, die Landsmannschaft Tyrol und die akademische Turnverbindung, die alle dem deutschnationalen Lager zugerechnet werden können. Der Kommers steht unter dem Motto "200 Jahre Tiroler Freiheitskampf", die Burschenschaften sehen diesen "Freiheitskampf" als Kampf für die "Deutsche Kulturnation". Außerdem glorifizieren sie die "Südtirol-Terroristen" als Freiheitskämpfer
In Südtirol wurden von 1956-1988, um die Vereinigung Südtirols mit Österreich zu "erbomben", 361 terroristische Anschläge verübt, bei denen 21 Menschen starben und 57 verletzt wurden. Die Strukturen dafür, Sprengstoff und personelle Unterstützung wurden von Innsbruck und Wien aus zur Verfügung gestellt, unter anderem auch von Angehörigen der Burschenschaften Brixia und Olympia, deren prominentestes Mitglied der 3. Nationalratspräsident Martin Graf ist. Martin Graf hat auch den Ehrenvorsitz des Festkommerses 2009 übernommen.

Offizielle Distanzierung

Die Landesregierungen Nord- und Südtirols treten gemeinsam in ihrer Ablehnung des Festkommerses auf. Ihnen sind noch die negativen Schlagzeilen in Erinnerung, die beim Kommers 1994 die Medien beherrschten. Damals war ein 1.300-köpfiges Exekutivaufgebot mit Wasserwerfern, Hubschraubern und Kobra-Sondereinheiten bereit, um die Durchführung des Kommerses zu gewährleisten. Wurde im Vorfeld die Eskalation von Gewalt befürchtet, so war es im Nachhinein die Militarisierung, die Sorgen bereitete. Die Öffentlichkeitswirkung für Innsbruck und Tirol war in beiden Fällen negativ.

Plakate für Demo gegen Burschaschafterkommers

FM4/ Simon Welebil

Plakate der zwei Gegendemonstrationen

Zwei Gegenveranstaltungen

Dieses Mal wird die Polizeipräsenz eine ähnliche Dimension aufweisen, ausgerichtet ist sie für drei Kundgebungen: den Festkommers und zwei Gegendemonstrationen. Die eine Demo wird von der Plattform gegen Rechtsextremismus und Rassismus veranstaltet. Sie verortet sich politisch zwischen links und Mitte rechts. Ihr Protest richtet sich "gegen die antidemokratischen, rechtsextremen und rassistischen Umtriebe in Innsbruck", die von den Burschenschaften verkörpert werden. Die andere Demo wird von einer Plattform, die sich aus parteiunabhängigen Einzelpersonen, Personen aus dem feministischen Spektrum und der Autonomen Antifa Innsbruck zusammensetzt, organisiert und ist dezidiert links.

Die beiden Demos gegen den Kommers grenzen sich strikt voneinander ab. Während die erste Demo bei der der Antifa Eskalationen befürchtet, wollte die zweite nicht gemeinsam mit anderen Männerbünden, den katholischen Studentenverbindungen, in einer Demo marschieren und so deren konservatives Weltbild mittragen müssen (schlussendlich scheinen die katholischen Verbindungen nicht in der Liste der Organisationen auf, welche die erste Demo unterstützen).

Öffentlichen Raum streitig machen

Flyer Gegendemo Festkommers

FM4/ Simon Welebil

Das grundsätzliche Anliegen der beiden Demos ist das gleich: Den Burschenschaften den öffentlichen Raum streitig zu machen, deutschnationales Gedankengut anzugreifen und die Netzwerke der Macht, die in den Burschenschaften ihren Anfang nehmen, aufzuzeigen. Diese seien nämlich nicht nur harmlose Kultur- und Sozialvereine, sondern hätten durch ihr Lebensbundprinzip, ihre lebenslangen Mitgliedschaften, enormen Einfluss auf Wirtschaft und Politik. Bestes Beispiel ist hier Martin Graf, der Mitglieder seiner Burschenschaft Olympia zu seinen Mitarbeitern im Parlament machte (in die Schlagzeilen kamen diese durch ihre Bestellungen beim rechtsextremen Aufruhr-Versand).
Die Politik nimmt wiederum nicht so eine klare Position wie die DemonstrantInnen ein. Sie distanziert sich zwar vom Kommers, vermietet ihm aber öffentliche Veranstaltungsräume. Die Tiroler Landesrätin für Kultur und Bildung, Beate Palfrader, fürchtet, dass der Kommers ein Treffen von Ewiggestrigen werden könnte. Mit den Gegendemonstrationen kommt bei ihr aber auch keine Freude auf. Die würden die Sache nicht einfacher machen. Immerhin lassen sich der Kommers und seine Gegenveranstaltungen aber problemlos in das offizielle Motto des Landes zum Gedenkjahr einordnen: "Vergangenheit trifft Zukunft".

Programm für Samstag, 20. Juni 2009:

12:00 Kulturgasthaus Bierstindl,"Antifa-Straßenfest"
15:00 Landhausplatz Innsbruck, Demo der Plattform gegen Rechtsextremismus und Rassismus
17:00 Kulturgasthaus Bierstindl, "Antifa-Demo"
Gemeinsame Schlusskundgebung der beiden Demos vor der Bundesbahndirektion