Erstellt am: 4. 2. 2014 - 12:31 Uhr
Aufmarschzonen
Update
Dieser Überblick wurde zuletzt um Details zu einigen "Aufmarschzonen" erweitert
Eines haben die Demonstrationen gegen den Akademikerball auf alle Fälle bewirkt: die Veranstaltung zieht immer weniger BesucherInnen an. Auch an anderen symbolträchtigen Orten scheint das Kräftemessen von Rechten, Rechts-offenen und Rechtsextremen mit ihren antifaschistischen GegnerInnen eher zuungunsten der Rechten auszugehen. Die öffentlichen und symbolträchtigen Zusammenkünfte finden immer seltener ungestört statt. Allerdings gibt es in ganz Österreich immer noch regelmäßige Treffen, die stark in der Kritik stehen – und welche, die immer noch vom offiziellen Österreich hofiert werden. Eine Auswahl.
Jeden Mittwoch: Der Siegfriedskopf
In der Zwischenkriegszeit wurde der Siegfriedskopf von der antidemokratischen und antisemitischen "Deutschen Studentenschaft" in der Aula der Uni Wien aufgestellt. Der Kopf des Nibelungen Siegfried ist in den Worten des Zeitgeschichtlers Friedrich Stadler "Ausdruck eines undemokratischen, ethnozentrischen Geistes, der in die Phase des Austrofaschismus und Nationalsozialismus mündete".
APA/BARBARA GINDL
Bis vor einigen Jahren war der Siegfriedskopf wöchentlicher Treffpunkt für Burschenschafter, die hier Präsenz an der Uni zeigen wollten. Seit den Neunziger Jahren gab es dabei immer wieder Protestaktionen linker Studierender. Einmal wurde dem Siegfried auch die Nasenspitze amputiert. Die Uni Wien hat die Aula vor einigen Jahren neu gestaltet und im Zuge dessen den Siegfriedskopf wissenschaftlich aufgearbeitet und in einer Glaseinfassung künstlerisch neu gefasst im Arkadenhof abgestellt. Seitdem treffen sich die Burschen vor dem Unitor und pilgern dann gemeinsam in's hintere Eck des Arkadenhofs.
Fasching: der Linzer Burschenbundball
Der kleine Bruder des Wiener Akademikerballs findet heuer am 8. Februar im Palais Kaufmännischer Verein in Linz statt. Auch hier treffen sich deutschnationale, schlagende und rechtsextreme Studentenverbindungen zum Feiern und Vernetzen, und auch hier haben sich GegendemonstrantInnen angesagt.
Anders als in Wien und ungeachtet eines Protestbriefs von Prominenten und Holocaustüberlebenden ist der Ball der Linzer Burschen allerdings noch voll ins offizielle Leben von Politik und Universität integriert: den Ehrenschutz übernehmen der Landeshauptmann und ein Vertreter des Unirektors, Josef Pühringer selbst ist letztes Jahr nur deshalb nicht erscheinen, weil er zeitgleich am Ball der Oberösterreicher in Wien feierte. Die Uni Linz betont allerdings, dass Vizerektor Friedrich Roithmayr traditionell auf seiner Eröffnungsrede auf die demokratischen Errungenschaften Österreichs verweist.
20. April: Hitlers Geburtstag
Am 20. April soll, so geht ein urbaner Mythos, in manchem Wiener Caféhaus das Lieblingsmenü Adolf Hitlers auf der Speisekarte stehen. Abgesehen von solch makabren Kinkerlitzchen war an diesem Datum Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn lange Zeit das Ziel von Alt- und Neonazis sowie Hitlerfans aus der ganzen Welt.
Seit ungefähr zwanzig Jahren hat sich das Bild gewandelt, denn es findet jährlich um den 20. April eine antifaschistische Demonstration in Braunau statt. Dabei soll es zwar immer wieder zu Störaktionen der auch in Braunau starken Neonaziszene kommen, ein internationaler Treffpunkt für Ewiggestrige ist die Stadt an diesem Tag aber nicht mehr.
8. Mai: Heldengedenken
Jährlich am 8. Mai, dem Tag der Kapitulation des Hitlerregimes, feiert Europa das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung von Krieg und Naziterror. Manche Menschen sehen das allerdings anders: für sie ist der 8. Mai ein Tag der Niederlage. Mit welcher Seite sie sich damit identifizieren, bedarf wohl keiner näheren Analyse.
APA/HERBERT P. OCZERET
Für heuer haben deutschnationale Burschenschaften wie die "Olympia" laut profil einen Event in Wien angekündigt, der der bürgerlichen Revolution von 1848 – dem Gründungsmythos der Burschenschaften – huldigen soll. Er soll allerdings "definitiv nicht" am 8. Mai stattfinden.
Bis vor wenigen Jahren durften die Burschenschafter und Veteranenverbände gemeinsam mit anwesenden rechtsoffenen Politikern diese Identifikation auch am Heldenplatz und in der Krypta des Heldentores, dem offiziellen Gedenkplatz der Republik für die gefallenen österreichischen Soldaten, mit Fackeln, Links-Zwo-Drei-Vier und unter massivem Polizeischutz ausleben. Inzwischen ist ihnen der Zutritt zur Krypta verwehrt, seit letztem Jahr feiert die Republik am 8. Mai auf dem Heldenplatz gemeinsam mit dem Mauthausen-Komittee und den Wiener Symphonikern mit einem Fest der Freude die Befreiung vom Naziregime.
Mitte Mai: Ustaša-Treffen in Beiburg/Pliberk
Am Ende des Zweiten Weltkrieges retteten sich kroatische Kriegsflüchtlinge, unter ihnen faschistische Ustaša-Verbände und Soldaten der kroatischen Wehrmacht, vor den jugoslawischen Partisanen nach Kärnten in die Hände der West-Alliierten. Die übergaben die Kroaten gemäß internationalen Vereinbarungen in Bleiburg/Pliberk an die Partisanen, die wiederum einige Gefangene an Ort und Stelle und andere auf dem Weg in jugoslawische Lager niedermetzelten. Genaue Zahlen über die Opfer dieser Kriegsverbrechen gibt es bis heute nicht.
Das Gedenken an die Opfer des Massakers, zu dem jährlich tausende Kroaten aus ganz Europa zur Gedenkstätte nach Bleiburg/Pliberk anreisen, nutzen heute kroatische Nationalisten und Faschisten zur Verehrung des mit Nazideutschland kooperierenden Ustaša-Regimes. Auf österreichischem Boden tragen sie dabei unbehelligt faschistische Uniformen und Symbole, die in Kroatien und Slowenien längst verboten sind.
Mitte Mai: Fallschirmspringer-Gedenkfeier in Feldbach-Gniebing
Diverse Kameradschaftsverbände gedenken jährlich Mitte Mai des deutschen Überfalls auf Kreta 1941 und der Rückeroberung Feldbachs durch deutsche Fallschirmspringer kurz vor Kriegsende im April 1945. Burschenschafter und Neonazis aus dem ganzen deutschsprachigen Raum feiern mit.
Obwohl der deutsche Überfall auf Kreta mit grausamen Verbrechen der deutschen und österreichischen Soldaten einher ging, und obwohl sich das offizielle Österreich jahrzehntelang als Opfer Nazideutschlands definiert hat, feierte das Bundesheer in Feldbach mit – bis der damalige Verteidigungsminister Darabos dem im Jahr 2012 einen Riegel vorschob.
Mitte September: Ulrichsbergtreffen
Die Bedeutung des jährlichen "Heldengedenkens" am Kärntner Ulrichsberg hat sich stark gewandelt. Immer noch feiern hier Kriegsveteranen-Verbände jährlich im Frühherbst ihre Helden, die nicht selten auch Kriegsverbrecher und Mörder waren. Früher wurden sie hier vom offiziellen Österreich umgarnt: das Bundesheer schickte bis ins Jahr 2008 noch eine Abordnung inklusive Musikkapelle und kutschierte die betagten HeldInnen im Unimog auf den Gipfel. Jörg Haider nutzte in den Neunziger Jahren die Gelegenheit, um den ehemaligen Waffen-SS-Mitgliedern zu versichern, sie seien "anständige Menschen(...), die einen Charakter haben".
Die Ulrichsberggemeinschaft, die die Treffen organisiert, wird auch von der neuen Kärntner Landesregierung noch subventioniert, allerdings deutlich geringer als früher.
Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) dient das Ulrichsbergtreffen, das bis zum Jahr 2005 auch im deutschen Verfassungsschutzbericht aufscheint, als Vernetzungstreffen europäischer Rechtsextremer, Neo- und Altnazis.
APA/GERT EGGENBERGER
Internationale Gäste, so konstatieren übereinstimmend das DÖW und der deutsche Verfassungsschutz, die das Treffen weiter beobachten, lockt es aber nur mehr wenige an, auch die Veteranen und Altnazis werden biologisch bedingt weniger. Hatten sich einige Jahre zuvor noch 2.500 Menschen am Ulrichsberg eingefunden, so trafen sich im vergangenen Herbst nur noch ca. 300 Unentwegte – und nicht einmal mehr Gegendemonstranten. Zitat Ulrichsberg-Obmann Hermann Candussi zu den letzten Getreuen: "Wenn ihr nicht mehr kommt, wird diese Feier irgendwann zu Ende sein."
Allerheiligen: Gräberkult von rechts
Heldengedenken der politischen Rechten gibt's auch Anfang November auf Österreichs Friedhöfen. So pilgerten auch Gottfried Küssel und Felix Budin, die derzeit wegen Wiederbetätigung inhaftierten Aktivisten der österreichischen Neonaziszene, ebenso wie Wiener FPÖ-Politiker jährlich zum Wiener Zentralfriedhof, um am dortigen Ehrengrab des "Wehrmachts-Helden" Major Walter Nowotny Kränze niederzulegen. Das ehemalige Ehrengrab hat mittlerweile den Status eines normalen Soldatengrabs, die Pflege des Grabs übernimmt ein privater Verein.
Am Salzburger Kommunalfriedhof gab es bis vor ein paar Jahren jährlich eine Kranzniederlegung am dortigen Kriegerdenkmal. Absender: die Kameradschaft IV der ehemaligen Soldaten der Waffen-SS. Proteste, Gegenveranstaltungen und künstlerische Aktionen, wie das Abschneiden der Bänder an den Kränzen, sorgten immer wieder für Anzeigen und Verbote – für die AntifaschistInnen, nicht etwa für die Veteranen. Inzwischen ist die Kameradschaft IV wegen Mitgliederschwund aufgelöst.