Erstellt am: 13. 12. 2013 - 15:19 Uhr
123 Seiten
Politik auf FM4
Alte Regierung gleich neue Regierung aber doch mit personellen Veränderungen.
Drei Fragen, wenig Antworten
Viel neues bekamen wir heute bei der ersten Pressekonferenz nicht zu hören.
Regierung schafft Wissenschafts-Ministerium ab
Erste Reaktionen: Entsetzen und Demo-Aufrufe. ÖH: "Wir sehen uns auf der Straße wieder."
123 Seiten
Ein Blick auf das Arbeitsprogramm der neuen Bundesregierung.
Wissenschaft ist nicht ministrabel?
Wirtschaft und Universitäten werden künftig nicht an einem Strang ziehen, sondern von einem Strang gezogen.
Rücksturz in die politische Steinzeit
Vizekanzler Spindelegger und ein Akt der Denk-Barberei. Und ein Vorschlag an den wütenden Herrn Töchterle.
Eigenartige Konstellation
Marina Delcheva vom biber und Alexander Pollak von SOS Mitmensch zu den Integrationsagenden, die jetzt im Außenministerium angesiedelt sind.
"Des is Grind"
Austropop-Huldigung an ein österreichisches Zentralmotiv: Es ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
Schon seit gestern geistern einige Details des neuen Regierungsprogramms durch die heimische Medienlandschaft, auch wenn der richtige Knaller dann gestern Abend vom neuen ÖVP-Team kam.
Neben höheren Steuern auf den Erwerb eines Neuwagens, Sekt oder Zigaretten stand da nämlich fest: Es wird künftig kein eigenes Ministerium für Wissenschaft mehr geben.
APA / Robert Jäger
Und damit gleich mitten ins Programm.
123 Seiten ist es stark und trägt die Überschrift „Erfolgreich. Österreich.“ Beim lesen dieses Textes muss man allerdings zweierlei berücksichtigen:
1. Das meiste in diesem Programm sind Rahmenbedingungen, also grobe Willenserklärungen, in denen sich die tatsächliche Gesetzgebung bis 2018 dann abspielen soll.
2. Alles was hier vereinbart wird steht natürlich unter Finanzierungsvorbehalt
Im Folgenden möchte ich auf ein paar ausgewählte Punkte in diesem Koalitionspapier, das uns Journalisten seit gestern Abend vorliegt, eingehen – eine vollständige Abarbeitung würde den Rahmen freilich sprengen. So werde ich die nichtsdestotrotz wichtigen Ressorts Energie, Umweltschutz, Verkehr, Frauenpolitik, Medien, Pflege, Gesundheit, Sicherheit, Landesverteidigung, Justiz und Finanzen hier nur sehr peripher streifen.
Beginnen möchte ich an dieser Stelle mit Agenden aus dem neu geschaffenen Ministerium für:
JUGEND und FAMILIE
Man will die „Verankerung eines jugendfreundlichen Klimas in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft“, schöne Worte für die junge Wählerschaft. Ansonsten spielen sich die Ankündigungen auch in diesem Bereich vor allem in entweder sehr offen gehalten Allgemeinplätzen oder eben in Details ab. So soll etwa ab der sechsten Schulstufe ein fixes Pflichtmodul namens „politische Bildung“ im Rahmen vom Unterrichtsfach Geschichte installiert werden.
Bei den jüngeren Kindern will man 350 Millionen Euro in Kindergärten stecken, geplant ist ein zweites Gratis-Kindergarten-Jahr für die 4-5jährigen. Als Querschnittsmaterie zur Integration soll es möglich werden Kinder mit mangelhaften Deutschkenntnissen, die das Angebot nicht in Anspruch nehmen, auch zu „ihrem Glück“ zu zwingen.
Die oft besprochene Erhöhung der Familienbeihilfe kommt nun doch, und zwar ab dem 1. Juli 2014. Neu ist dabei die Einführung eines sogenannten „Kindergeldkontos“, Bezugsdauer und Bezugshöhe sollen frei wählbar sein.
WISSENSCHAFT
War die längste Zeit ein eigenes Ministerium, kommt nun ins Wirtschaftsministerium – allerdings, so wird kolportiert, nicht mal räumlich an ein und denselben Ort. Auch hier dominieren vage Zielvorgaben, etwa, dass Österreich in den nächsten Jahren in die „Spitzengruppe Europas“ aufsteigen will. Bis 2020 sollen 2% des BIPs für den tertiären Bildungssektor aufgewendet werden, außerdem will man 50.000 Fachhochschulplätze bis 2018 schaffen.
Das Universitätsgesetz soll angepasst werden, das Medizinstudium reformiert – für die Forschung will man 300 Millionen in die Hand nehmen.
ARBEIT, BESCHÄFTIGUNG und SOZIALES
Das Ziel „Vollbeschäftigung“ scheint zwar recht ambitioniert, löst aber eben auch ein bisschen den Verdacht aus hier Zeuge einer Sonntagsrede zu werden.
Ein paar pikante Details:
Wiewohl die scheidende Finanzministerin vor nicht sehr langer Zeit beklagte, dass Österreich die „Headquarters davonlaufen“ und damit 70.000 Jobs verloren gingen (die umstrittene Fekter-Studie) – möchte man nun gezielt solche Firmenzentralen wieder ansiedeln. (Oft schwingt da die Sorge mit um welchen Preis solche Lockungen geschaffen werden, denn auch das Schlagwort „Investoren begünstigen“ findet sich im Programm). Quasi als integriert-sozialdemokratischen Ausgleich könnte man die „Stärkung der öffentlichen Nachfrage“ lesen.
Die Lohnnebenkosten sollen gesenkt werden, auch da wird man kaum eine Regierung finden, die das nicht will. Der sogenannte „Gender Pay-Gap“, der in Österreich besonders ausgeprägt scheint, will mit mehr Kinderbetreuung und ähnlich weichen Maßnahmen verbessert werden. Außerdem wird weiter in die Ausbildung investiert, alle unter 18-jährigen sollen künftig mehr als nur einen Pflichtschulabschluss haben – die Lehre soll aufgewertet werden.
Ebenfalls pikant: Bei unbefristeten Dienstverträgen sollen künftig 3-monatige Probezeiten (in denen jederzeit fristlos gekündigt werden kann) die Regel werden, auch von vereinzelten Flexibilisierungen bzw. Anhebung der Höchstarbeitszeiten ist die Rede.
All-In Verträge sollen transparenter werden, Armut soll vermehrt mit Sachleistungen bekämpft werden – das soll die Treffsicherheit erhöhen.
BILDUNG
Das Unterrichtsressort wandert zu Frauenministerin Heinisch-Hosek und glänzt ebenfalls mit vagen Andeutungen.
Ganz voran steht der „qualitative und quantitative“ Ausbau der Schulstufen 1-9 zur ganztägigen Form, verschränkt oder nicht. An jedem Standort mit mehr als einer Jahrgangsklasse soll es so ein Angebot geben. Ebenfalls prominent ist das Wort „Schulautonomie“ im neuen Regierungsprogramm vertreten. Was Hans Krankl freuen dürfte: Noch nie war die Forderung nach einer täglichen Turnstunde so explizit in einem Koalitionsübereinkommen.
INTEGRATION
Diese Materie wandert mit Sebastian Kurz ins Außenministerium, was etwa die Journalistin Corinna Milborn heute zum ironischen Bonmot „Hat ja auch irgendwas mit Ausländern zu tun“ veranlasste.
Die Rot-Weiß-Rot Karte soll reformiert und modernisiert werden, Asylwerbern soll der Weg von der Versorgung zur (Saison)Arbeit erleichtert werden – abgesehen davon steht das Ringen um die so dringend benötigten Zuwanderer hier unter dem Motto „Willkommenskultur“. Die dringend nötige Feststellung, dass Österreich sehr wohl ein Einwanderungsland ist, ging sich in gebotener Klarheit leider nicht aus.
PENSIONEN
Wie gestern bereits in den Nachrichtensendungen kolportiert wurde wird in diesem Bereich einiges neu geregelt – die Stichworte lauten Anhebung des faktischen Antrittsalters auf 60,1 Jahre und Anreize zur Weiterarbeit über das Mindest-Antrittsalter, über die „Teilpension“ oder über einen „Aufschub-Bonus“.
SONSTIGE NOTIZEN
In Zukunft sollen unter 19-jährige freien Eintritt in öffentliche Museen und ähnliches haben.
Mit einer Gesamtstrategie für geistiges Eigentum und Förderungen will man den prekären Lebenssituationen vieler Künstler gegensteuern.
Die Bankenabgabe soll bleiben und sich künftig nach der Bilanzsumme berechnen.
Es soll ein strenges Spekulationsverbot für öffentliche Haushalte geben.
Millionen werden neben der Forschung, den Schulen und den Kindergärten auch in Hochwasserschutz, Wohnbau und Pflege gesteckt.
Und was Nettes zum Schluss: Die Außenpolitik der Republik Österreich soll laut diesem 123seitigen Übereinkommen für eine „gerechtere und fairere Welt eintreten.“
Na dann – danke, lieber Werner und danke, lieber Michael!