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Markus Zachbauer

Bildung und Einbildung, die Herrscher der Welt. Lifelong Learning in der FM4 Internet-Redaktion.

13. 12. 2013 - 15:27

Wissenschaft ist nicht ministrabel?

Wirtschaft und Universitäten werden künftig nicht an einem Strang ziehen, sondern von einem Strang gezogen. Und wer da im Zweifel die Richtung vorgibt, kann man sich leicht ausmalen.

Dass Karlheinz Töchterle und Claudia Schmied der nächsten Regierung nicht mehr angehören werden ist keine große Überraschung (außer anscheinend für den Ex-Minister selbst). Beide konnten ihre Hauptanliegen (Gesamtschule bzw. Studiengebühren) nicht durchsetzen, und das ist für RessortchefInnen nun einmal ein unhaltbarer Zustand.

Karlheinz Töchterle und Claudia Schmied

APA/ROLAND SCHLAGER

Allerdings hatte kaum jemand damit gerechnet, dass mit den beiden Spitzenfiguren der Österreichischen Bildungpolitik auch gleich ein ganzes Ministerium die innenpolitische Bühne in seiner bisherigen Form verlässt. Das Wissenschaftsressort wandert mit seinen Agenden zur Wirtschaft, und auch das Bildungsministerium wird umgebaut: Gabriele Heinisch-Hosek ist künftig nicht nur für Frauenpolitik zuständig, sondern auch für Unterricht.

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Wissenschaft ist nicht ministrabel?
Wirtschaft und Universitäten werden künftig nicht an einem Strang ziehen, sondern von einem Strang gezogen.

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Jetzt ist es natürlich durchaus üblich, Ressorts zusammenzulegen und unter einem gemeinsamen Dach zu verwalten, und im Sinne der Sparsamkeit auch sinnvoll. Und fairerweise muss man sagen: Formal wandern die "Frauen" ins Unterrichtsministerium. Gefühlt übernimmt allerdings auch dort die bisherige Frauenministerin (die schon bisher auch für den öffentlichen Dienst und damit die Lehrer zuständig war) jetzt gleich die ganzen Schulen mit.

Während der Abgang Claudia Schmieds allerdings recht sang- und klanglos über die Bühne geht und weder irgendjemand ernsthaft um die Zukunft der Unterrichts- noch um die der Frauen-Agenden fürchtet, ist der Aufschrei bei der Zusammenlegung von Wissenschaft und Wirtschaft groß. Sie wird nicht als Umordnung, sondern als Einsparung wahrgenommen, die Rektorenkonferenz fordert sogar den Bundespräsidenten auf, keine Regierung anzugeloben, der kein eigenständiger Wissenschaftsminister angehört.

Der Bereich "Wissenschaft" wurde in den 70er-Jahren vom Unterricht getrennt, erlebte 1996-2000 eine kurze Liaison mit dem Bereich "Verkehr", und danach bis 2007 eine vorübergehende Wiedervereinigung mit den Schulen in einem Bildungsministerium. So nah an die Wirtschaft wie jetzt wurden die Hochschulen allerdings noch nie gerückt. Und während andere Kombinationen auch als Nebeneinander gesehen werden können, ahnt man in dieser neuen Kombination, dass das eben kein "Doppelministerium" sein wird, sondern eine inhaltliche Verschmelzung. Was bedeutet: Wirtschaft und Universitäten werden künftig nicht an einem Strang ziehen, sondern von einem Strang gezogen. Und wer da im Zweifel die Richtung vorgibt, kann man sich leicht ausmalen.

Außenminister mit Integrationsambitionen

Eine andere völlig neue Ressort-Kombiation wird interessanterweise vom Alter ihres künftigen Chefs überstrahlt. Dass der künftige Außenminister Sebastian Kurz seine Integrations-Agenden aus dem Innenministerium (wo man sie noch vor wenigen Jahren für vom Thema Innere Sicherheit untrennbar hielt) ins Außenministerium mitnimmt, geht bei der hellen Aufregung um seine Person fast unter: Zu jung wäre er für dieses Amt und ohne die nötige Erfahrung und Ausbildung im diplomatischen Dienst. Neu sind die ganzen Späße und Aufreger um seine Person nicht, das musste er sich alles schon bei seinem Amtsantritt als Integrationsstaatssekretär anhören, und hat dann doch irgendwie eine beeindruckende Amtszeit hingelegt.

Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz

FM4 / Alex Wagner

Dem Hoffnungsträger der ÖVP werden hier alle Weichen auf "Große Karriere" gestellt. Die Schuhe mögen groß sein, wenn er in diesem Ressort aber keine großen Fehler macht, dann stehen ihm wohl schon bei der nächsten Nationalratswahl viele Türen offen. Mangelnde Erfahrung könnte man ihm dann nicht mehr vorwerfen, das Kriterium "Alter" als Kritikpunkt ist ohnehin höchstumstritten und das Außenministerium auch eines, in dem man mit ein bisschen Geschick durchaus gute Figur machen kann. Wie es mit den Integrations-Themen in seinem Ministerium weitergeht, bleibt natürlich abzuwarten.

Justizminister mit Akteneinsicht, Familienministerin mit Menschenkenntnis

Dass nach Bekanntwerden der künftigen Ressort-Verteilung vor allem über die VP-Posten geredet wird, liegt auch daran, dass sich die Volkspartei gleich mehrere neue und überraschende Gesichter in die MinisterInnen-Riege geholt hat. Sophie Karmasin ist zwar den meisten auch von der politischen Bühne bekannt, allerdings vor allem als Markt-, Meinungs- und Motivforscherin. Sie wird künftig für die Bereiche Jugend und Familie zuständig sein. Zumindest sollte sie ziemlich genau wissen, wo der gesellschaftliche Schuh drückt, das Geld zuhause ist, und was "die Menschen auf der Straße" so beschäftigt. Das passt fachlich also vielleicht sogar besser zusammen als man auf den ersten Blick glauben mag. Bewährungsprobe aber natürlich noch ausstehend.

Kritischer beäugen wird man da wohl schon von Anfang an den neuen Justizminister. Dass Beatrix Karl in diesem Amt abgelöst werden würde, war abzusehen, den Wiener Rechtsanwalt Wolfgang Brandstetter hatte aber niemand auf der Rechnung. Allerdings genießt auch er einen gewissen Wissensvorsprung, hatte er doch als Verteidiger sowohl mit dem Telekom-Prozess, dem Hypo-Prozess und der Inseraten-Affäre des Bundeskanzlers zu tun. Dass der neue Justizminister hier also bereits sehr gut in einige der vielen politisch relevanten Gerichtssachen der letzten Jahre eingearbeitet ist, macht ihm den Job aber nicht unbedingt leichter. Schon seine Vorvorgängerin hatte im Amt mit ihrem Vorleben als Richterin im BAWAG-Prozess zu kämpfen. Der neue Justizminister wird sich hier beim Umgang seines Ministerium mit politisch brisanten Fällen wohl sehr, sehr genau auf die Finger schaun lassen müssen.

Der Regierungs-Check in FM4 Connected

Wir beschäftigen uns heute, Freitag, noch ausführlich mit der neuen Regierung und ihren Vorhaben und planen dafür folgende Geschichten für die Sendung FM4 Connected (15-19 Uhr):

  • Das Regierungsprogramm im Check: Robert Zikmund hat sich durch die 123 Seiten des Arbeitsprogramms für die neue Bundesregierung gelesen. Für fm4.orf.at und FM4 analysiert er: Was sind die großen Brocken, welche Reformen stehen an, welche Richtung schlägt das Land ein?
  • Wissenschaft und Wirtschaft: Großes Erstaunen bei Forschung und Lehre, bei Studierenden und Lehrenden: Warum gehört die Wisssenschaft jetzt plötzlich zur Wirtschaft? Michael Fiedler fängt Meinungen und Positionen dazu ein.
  • Bye Bye Integrationsstaatssekretär: Trotz allen Unkenrufen: Eigentlich war es ja eine gute Idee, einen Integrationsstaatssekretär für Fragen der Migration und des Zusammenlebens zu haben. Scheint aber so, dass es nicht mehr als ein Gag für Sebastian Kurz‘ Karriereleiter war. Denn wie soll der frisch gebackene Außenminister jetzt auch noch die wichtigen Integrationsagenda schupfen? Irmi Wutscher berichtet.
  • SPÖ und ÖVP: Herausgekommen ist der Große Kompromiss bei der Großen Koalition. Weder SPÖ noch ÖVP haben ihren Stempel aufs Arbeitspapier gedrückt. Wie gehen die beiden Parteien intern mit dem Kompromiss um? Michael Fiedler fasst zusammen.