Erstellt am: 19. 6. 2013 - 09:41 Uhr
Oh Boy! Oh Oz! Oh Wanda!
Einen Sommer der Liebe wollen uns die österreichischen Sommerkinos bescheren. Michael Hanekes "Amour" ist ein bisschen die Sportfreunde Stiller der Sommerkino-Saison und in fast jedem Programm zu finden. Zum heimischen, freudigen "Wir sind Oscar"-Nachhall gehört aber noch einer und so reitet auch Christoph Waltz als Dr. King Schultz in "Django Unchained" auf zahlreichen Sommerkino-Leinwänden ein. Wie immer sind die Sommerkinos eine gute Gelegenheit verpasste Blockbuster nachzuholen (oder nochmal auf großer Leinwand zu sehen).
sony
sommerkino.at: Übersicht über österreichische Sommerkinos
Aber nicht wenige österreichische Sommerkinos setzen auf Spezialprogramme, auf Filme, die schon lang nicht mehr oder gar nie im Kino zu sehen waren oder Filme, auf die man längst vergessen oder von denen man noch nie gehört hat. Das frameout-Festival im Wiener Museumsquartier zeigt zum Beispiel einen Film über Peaches von Peaches; "Peaches does herself" ist vielleicht der erste Film, der sich "Electro-Rock-Oper" nennt. Opernhafte Ausnmaße in Sachen Bombast haben die Visuals-Exzesse der Chemical Brothers, "The Chemical Brothers: Don't Think" zeigt einen Auftritt des Duos bei einem Festival in Japan - ebenfalls im Rahmen des frameout zu sehen.
peaches
Das famose Espressofilm treibt einem immer die Schamesröte ins Gesicht, dass man den Kurzfilm meistens so links liegen lässt. Mein Highlight in einem eigentlich nur aus Highlights bestehendem Programm ist "Fast Films, Fast Women". Verschiedene Supercut-Happen, die sich den stilistischen Eigenheiten von Quentin Tarantino, Wes Anderson, Stanley Kubrick oder "Breaking Bad" widmen. Außerdem Vigil Widrichs "Fast Film", ein wilder, liebevoller und kleinteiliger Ritt durch die Filmgeschichte - an der Seite von von Cary Grant.
virgil widrich
Happiness
Todd Solondz, ein Regisseur, der aussieht, als wäre er eine Figur aus seinem Filmuniversum, macht es einem nicht leicht. Unzählige Filme schreiben sich auf die Fahnen, dass sie sich den Abgründen des Lebens in Suburbia widmen, aber das meiste ist harmlos und leicht konsumierbar im Vergleich zu "Happiness". Der weiße Mittelstand ist nicht sympathisch-verschroben, die Familien nicht quirky und charmant dysfunktional. In seinem Reigen um drei Schwestern inszeniert Solondz Verzweiflung und den Wunsch nach Glück. Und schafft es irgendwie, den teilweise kaum aushaltbaren Szenen über Pädophilie, obszönen Anrufen und unangenehmen Annäherungen schwarzen Humor unterzuheben.
empire online
- FM4 Favourites: "Happiness", 21. August 2013 im Volxkino macht Halt im Arena Sommerkino
Oh Boy
Hab ich selbst noch nicht gesehen, will ich aber unbedingt endlich sehen. Ziellose Endzwanziger, die sich durch Metropolen treiben lassen, gibts wie Sand am Meer im Kino, aber leider werden sie nicht alle von Tom Schilling gespielt. In Jan-Ole Gerstners Film ist das hippe Berlin schwarz-weiß und Niko stolpert durch die Nacht und über Mitmenschen. Außerdem eine gute Gelegenheit, Marc Hosemann mal wieder zu sehen, der in einem meiner ewigen Lieblingsfilme "Long Hello and Short Goodbye" mit dabei war.
x verleih
- "Oh Boy", 21. Juni Volxkino, 7. Juli, Poolbar Sommerkino und 28. August, Kino am Dach
The Wizard of Oz
Jede Möglichkeit, diese Explosion an Technicolor auf großer Leinwand zu sehen, sollte man wahrnehmen. Das Mädchen mit den großen Augen und den dicken Zöpfen fliegt mit einem Wirbelwind von Kansas nach Oz und hüpft dann mit einer Vogelscheuche, einem Löwen und einem Blechmann über die Yellow Brick Road, während die adretten munchkins ein Lied singen. Ein amerikanisches Märchen, eine Allegorie, ein Film, der die Popkultur nachhaltig beeinflusst hat. Wer von Oz nicht genug kriegen kann, hat im Rahmen der Sommerkinos auch die Möglichkeit Sam Raimis Prequel "Oz - The Great and Powerful" zu sehen und mit James Franco im Ballon dorthin zu fliegen.
mgm
- "The Wizard of Oz", 12. Juli 2013, Open Air Kino im Kesselhaus
- "Die fantastische Welt von Oz", 2. Juli, Kino im Schloss, 26. August, Mythos-Filmfestival
Take this Waltz
In einem flirrend heißen Sommer in Toronto befindet sich Michelle Williams zwischen zwei Männern. Ihrem Ehemann Lou und dem neuen Nachbarn. Regisseurin Sarah Polley orchestriert herzbrecherische Angelegenheiten abseits der Rom Com-Autobahn. "Take this Waltz" entwickelt einen Sog, wird zu einem Versuch, die Unruhe einer Frau und das Wunschbild namens "Liebe" auf die Leinwand zu hieven. Und nur für den Fall, dass jemand vergessen hätte, welch unglaublich grandiose Schauspielerin Michelle Williams ist, hier kann man sich wieder davon überzeugen.
polyfilm
- "Take This Waltz, 19. Juli 2013, Open Air Kino im Kesselhaus und 14. August 2013, Cinema Paradiso
Cat People
Von Verwandlungen, vom Animalischen und von Flüchen erzählt u. a. das Kino unter Sternen in seiner "Wolf Men"-Reihe. Manchmal hilft nur Keuschheit. Das denkt sich zumindest Irena (Simone Simon), die junge Frau fürchtet einen alten Fluch aus ihrer Heimat Serbien, laut dem sich liebende Frauen in Bestien verwandeln. Katzenmythos und weibliche Sexualität packt Regisseur Jacques Tourneur in einen Horrorfilm, nachdem man nicht weiß, ob man sich fürchten oder sich in psychoanalytischer Filmdeutung versuchen soll.
arthaus
- "Cat People", 14. Juli, Kino unter Sternen
Magic Mike
Steven Soderberghs Film ist nicht die Testosteron-Variante von "Coyote Ugly" und auch nicht der Film für alle, die immer schon mal die Chippendales sehen wollten. Ein Slacker fängt mehr durch Zufall als Ambition als Stripper zu arbeiten an und trifft dabei u. a. auf Mike, der eigentlich Möbel bauen will und mit dem abendlichen Tanz und der Auszieherei Startkapital verdient. Matthew Mcconaughey läuft als Stripschuppen-Chef Dallas zu schauspielerischen Höchstleistungen auf und ganz beiläufig liefert Soderbergh eine wichtige und interessante Abhandlung über den Blick des Kinos auf Männerkörper. Er erzählt eine klassische Geschichte (mit "A Star is born"-Ausgangslage) und dreht Geschlechterstereotypen um.
Concorde Filmverleih GmbH
- "Magic Mike", 19. August 2013, Cinema Paradiso
To be or not to be
Um das Leben von zahlreichen Widerstandskämpfern im von den Nazis besetzten Polen zu beschützen, muss der eitle Schauspieler Joseph Tura (Jack Benny) seine schwierigste Rolle antreten. Er gibt sich als hochrangiges Mitglied der Gestapo aus. War "to be or not to be" gerade noch einfach nur ein Shakespeare-Zitat, so wird es nun zur bitteren Wahrheit, es geht ums Überleben. 1942 inszeniert Komödien-Zampano Ernst Lubitsch die Komödie, in der Narzissmus ebenso auf die Schaufel genommen wird, wie die Nazis. In Deutschland kommt der Film erst 1960 in die Kinos, inzwischen gehört die einzigartige Mischung aus Sarkasmus und Satire zum Hollywood'schen Komödien-Kanon.
arthaus
- "To be or not to be", 25. Juli 2013, Kino wie noch nie, 13. August, Leslie Open, Graz
Match Point
Wer Lust auf Woody Allen hat, kann um "From Rome with Love", der in zahlreichen Sommerkino-Programmen lauert, getrost einen Bogen machen. Viel umwerfender und faszinierender ist Allens Geschichte um Glück und Zufall, die an Patricia Highsmith erinnert. Jonathan Rhys-Myers heiratet in eine ziemlich stinkreiche Familie ein und beginnt eine Affäre mit der Freundin seines Schwagers. Mit fast schon gehässiger Präzision hat Woody Allen ein Damoklesschwert montiert und lässt es über dem Film und seinen Protagonisten baumeln. Und dazu ertönen herrlich krachende Opern-Aufnahmen.
paramount
- "Match Point", 10. August, Kino wie noch nie
A Fish called Wanda
Kennt jeder, ich weiß. Aber Charles Crichtons Geschichte um einen Diamantenraub, bei dem jeder Beteiligte jeden Raub-Kompagnon übers Ohr hauen will, kann man nicht oft genug gesehen haben. Dieser Film altert so gut wie gar nicht und selbst wenn man mitsprechen kann, so kann mans eben nicht, weil man immer noch lachen muss. John Cleese' Übersteigerung aller Klischees über Briten mit der stiff upper lip war nie so grandios wie hier. Und angesichts Kevin Klines Spiel als Gangster Otto kann man nur bedauern, dass es nie mehr so fantastische Rollen für ihn gegeben hat. Zahllose Sätze aus "A fish called Wanda" kann man auch problemlos im Alltag unterbringen: "Ich glaube, Sie kommen aus Vulgarien".
mgm
- "A Fish called Wanda", 15. Juli, Kino am Dach