Erstellt am: 12. 3. 2013 - 11:09 Uhr
Oz the Great and Powerful
Die MGM Studios mussten 1939 gleich eine ganze Reihe von Regisseuren und Drehbuchautoren engagieren, um die damals 17-jährige Judy Garland als Dorothy vom schwarz-weißen Kansas in das knallbunte Zauberreich von Oz zu katapultieren. Da ahnte noch niemand, dass damit einer der langlebigsten und ergiebigsten Mythen der amerikanischen Popkultur entstehen würde. Basierend auf einer damals sehr erfolgreichen Kinderbuchserie von L. Frank Baum war der Film auch sowas wie der Prototyp des modernen Blockbusterkinos. Genau wie bei moderner Cineplex Filmware wurden Genre und Autorenzuschreibungen einem größeren Ganzen untergeordnet. Kinder-, Horror-, Musical-. Fantasy- und Comedyfilm: "The Wizard of Oz" war alles in einem und noch ein bisschen mehr. Für junge Mädchen und schwule Männer ("Friends of Dorothy"), Horrorfans und Filmtheoretiker war die Reise nach Emerald City zum großen Zauberer eine Projektionsfläche, die auch zig Jahre nach der Entstehung des Films für allerhand Referenzwerke, Neuinterpretationen und Fortsetzungen sorgte. Bizarr etwa das (auch schon von Disney produzierte) 80er-Jahre Sequel "Return to Oz" oder die Discofassung "The Wiz" mit Michael Jackson und Diana Ross. Die Muppets-Version mit R’n’B Sängerin Ashanti als Dorothy war leider auch eher ein Fehlschlag.
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Follow the computer-generated-3D yellow brick road
Wenn Disney jetzt Regisseur Sam Raimi engagiert, um ein Prequel namens "Oz the Great and Powerful"/"Die fantastische Welt von Oz" zu inszenieren, klingt das am Papier durchaus vielversprechend. Raimi hat immerhin auch schon Spiderman mehr als anständig in die CGI-Gegenwart geholt, mit der Evil Dead Reihe Horrorgeschichte geschrieben und zuletzt mit "Drag Me To Hell" gezeigt, dass er mit schrecklichen Hexen immer noch etwas anfangen kann. Das Motto des Prequels ist jedenfalls: Mehr ist mehr. Gleich drei Hexen in Gestalt von Mila Kunis, Rachel Weisz und Michelle Williams machen James Franco das Leben als Möchtegern-Zauberer und Trickster mehr oder weniger schwer. So schreiend bunt und dreidimensional hat man magische Blumenwiesen auch noch nicht gesehen.
Nur beim Singen hält sich "Oz the Great and Powerful" zurück. Leider. Denn neben all den tatsächlich tollen Schauwerten (schillernde Seifenblasen von innen gefilmt!) hat Sam Raimi den Oz-Mythos in erster Linie "entqueert". Statt camper Überhöhung mittels Tanz, Gesang und Kostüm werden vor allem Plot-Ungereimtheiten sichtbar, die man mit einem Song als Brücke gerne hinnehmen würde. Statt Musical also anachronistische Witzchen von den "lustigen Sidekicks". Dafür steckt dann der neue Zauberer von Oz doch zu sehr in den Konventionen des aktuellen Blockbusterkinos. Im Hollywood der 30er-Jahre hatten die Hexen des Ostens und Westens auch ohne Hilfe der Männer noch Handlungsspielraum. Heute müssen gleich drei aktuelle Hollywood-Schönheiten auf den noch schöneren James Franco sehnsüchtig warten, damit im smaragdgrünen Emerald City endlich etwas weitergeht.
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Immerhin James Franco
Eine der besseren Ideen des Film war die Besetzung des Zauberers von Oz mit James Franco. Der Mann, der mit seinem Alleskönnen (Schaut her! Ich bin Regisseur, Künstler, Autor, Schauspieler gleichzeitig!) auch schon leicht nervt, ist in dieser Rolle als Trickster wunderbar aufgehoben. Oz ist ein Betrüger, ein Ladies-Man, ein Schmalspur-Houdini, der mit seinem Assistenten (Zach Braff, JD aus Scrubs!) im schönen schwarz-weißen Intro zum Film im Tornado-geplagten Kansas beim Jahrmarkt arbeitet.
Francos leicht ironisches Lächeln sieht manchmal so aus, als würde er es selbst nicht ganz glauben, dass der glanzlose Greenscreen in dem er gegen unsichtbare CGI-Monster Scheingefecht führt, einmal zum computergenierten Zauberland werden wird. Julia Roberts, Michelle Pfeiffer oder Charlize Theron haben in den letzten Jahren gezeigt, wie man die eigene Starpersona mit der Rolle der bösen Hexe gleichzeitig unterläuft und bestätigt. Von diesen Ambivalenzen sind Rachel Weisz, Michelle Williams und Mila Kunis meilenweit entfernt. Das wirre Drehbuch hilft ihnen da nicht wirklich weiter. Dass die drei Hexen beinahe von einer CGI-Porzellanpuppe an die Wand gespielt werden, ist auch kein gutes Zeichen.
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"Oz the Great and Powerful" ist Zuckerwatte für die Augen, damit war zu rechnen. So wie der große Kinofantast Tim Burton aber ausgerechnet an "Alice in Wonderland" gescheitert ist, hat auch Sam Raimi seine Schwierigkeiten, dem altbekannten Stoff seine eigene Magie zu verleihen. Was bleibt vom visuellen Fest: Augenreiben nach überlangen 130 Minuten 3D Brille aufhaben, die Vorfreude auf ein angeblich gar nicht schlechtes Remake von The Evil Dead, das Sam Raimi gerade produziert hat und der Spaß an einem supercharmanten Mila Kunis Interview zum Film. Wenn man das gesehen hat, verzeiht man ihr auch ihre Version der Wicked Witch of the West.