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Pia Reiser

Filmflimmern

3. 4. 2013 - 12:25

Die Walzerkönigin

Mit "Take this Waltz" orchestriert Regisseurin Sarah Polley herzensbrecherische Angelegenheiten. Michelle Willams glänzt in einem Film über Liebe und Rastlosigkeit.

You only like the beginning of things, analysiert Dr. Faye Miller in "Mad Men" Don Draper, als er sich von ihr trennt, um von nun an mit seiner Sekretärin Megan zusammen zu sein. Dieser Satz ist als Frage formuliert auch ein wenig der antreibende Takt des Herzensbrecher-Walzers, den Sarah Polleys "Take this Waltz" am Indiefilm-Parkett hinlegt. Michelle Williams spielt Margot, verheiratet mit einem Koch namens Lou (Seth Rogen), gemeinsam leben sie in einem Haus, das zwischen Villa Kunterbunt und Bohemian-angehauchten Einrichtungsträumen schwankt und in einem verschlafenen Viertel von Toronto steht.

Michelle Williams

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Dass das Gras auf der anderen Seite immer grüner ist, entdeckt Margot, nachdem sich eine Reisebekanntschaft und Flugzeug-Flirt als der Nachbar von Gegenüber herausstellt. Manchmal muss man bekanntlich erst wegfahren, um es zu Hause wieder richtig schön zu finden und manchmal, um danach den Nachbarn richtig schön zu finden. Das sportliche Objekt der Begierde namens Daniel bringt Margots Leben aus dem Gleichgewicht. "Take this Waltz" ist ein stellenweise fiebertraumartiges Protokoll einer Rastlosigkeit, Unsicherheit, einem Suchen und dem, wovor Margot eigentlich Angst hat: Beeing inbetween things. In einem Film, der im Gegensatz zu so vielen anderen "Indie"-Filmen ausstattungstechnisch nichts dem Zufall überlässt, ist allerdings auch das Haus, in dem Lou und Margot leben, mit seinem mehrfärbigen, nie zu Ende gebrachten Anstrich, in einem dazwischenen-Zustand. Ein Hinweis mehr dafür, dass Margot da eventuell raus will.

Jeden Tag Hühnchen

Während Regisseurin Sarah Polley die Figur der Margot ausformuliert, bleiben Lou und Daniel Platzhalter für Ideen. Charaktere, die sich nur über ihre Beziehung zu Margot definieren. Keiner der beiden Männer hat eine Szene ohne sie. Seth Rogen gibt - befreit vom Fluch der lustige Dicke zu sein - Margots Ehemann. Der freundliche Lou, der stets neue Hühnchen-Rezepte für sein neues Kochbuch ausprobiert steht stets in der Küche, außerhalb des Hauses sehen wir ihn kaum. Das Haus, wie Lou, sind Margots Hort der Sicherheit, der Gemütlichkeit, der Gewohnheit. Das Paar, das seit fünf Jahren verheiratet ist, hat zahllose Rituale, eingespielte Angewohnheiten, eine eigene Sprache. Mit dem Auftauchen Daniels reiht sich für Margot ein riesiges, unsichtbares Fragezeichen hinter all diese Gesten. Ist die Eingespieltheit Langeweile, die Vertrautheit nicht mehr als Routine?

Seth Rogen und Michelle Williams in "Take this Waltz"

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He is a really good cook - if you like chicken", erklärt Margot Daniel. So offensichtlich ausformulierte Metaphern für Monotonie hat "Take this Waltz" eigentlich gar nicht nötig. Denn der Film hat Michelle Williams und somit keinen Bedarf an erklärenden Sätzen. Wo in romantischen Komödien mit ähnlicher Ausgangslage die Frauen zwischen zwei Männern sich den Mund fusselig reden, um ihre Gefühlslage zu erklären, braucht "Take This Waltz" nur Williams' Gesicht. In einer Szene sieht sie aus dem Fenster ihres Hauses, wie Daniel auf die Straße tritt und springt auf, läuft drei Schritte, um dann inne zuhalten. Auf ihrem Gesicht spielt sich der sekundenschnelle Verlauf von herzensklopfender Vorfreude zu verstörter Hinterfragung des eigenen Tuns ab. Das macht ihr so schnell keiner nach. Ich hab vor Jahren in einem Interview mit David Duchovny gelesen, dass er Juliette Binoche dafür bewundert, dass sie in Filmen erröten kann, er würde das binoching nennen. Michelle Williams kann das auch.

Michelle Williams in "Take this Waltz"

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Drei Farben: Rot, Gelb, Blau

In einem flirrend heißen Sommer angesiedelt und mit einer spielerischen, jedoch bedeutungsaufgeladenen Rot-Gelb-Blau-Farbsymbolik durchkomponiert hat "Take This Waltz" Momente, die mehr einer Fantasie oder einem Traum ähneln. Angelernte Romantik-Fantasien von der eigenen glückdurchfluteten Silhouette im Sonnenuntergang, die man im Kopf dämlich findet, zu denen einen aber das verliebte Herz verleitet, finden darin ebenso Platz wie eine Sexszene ohne Sex. Wenn Daniel Margot in einem Lokal Schritt für Schritt erklärt, wie er mit ihr schlafen würde, so folgt das auf das routinierte, parallele Unterhosenausziehen im Ehebett von Lou und Margot. Der trainierte Körper Daniels, der um Geld zu verdienen ein Rickshaw durch die Straßen Torontos zieht steht im Gegensatz zum weichen Körper Seth Rogens. Als in einer Szene zwischen Lou und Margot nur seine Reaktion gezeigt wird, hab ich die Antwort auf die Frage, ob mich Seth Rogen, der mich schon so oft zum Lachen gebracht hat, auch zum Weinen bringen kann. Er kann. Rogen und Sarah Silverman - in einer kleinen Rolle als Lous Schwester - überraschen mit ihren Darstellungen, die sich so weit von dem befinden, was wir von ihnen gewohnt sind.

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"Take this Waltz" läuft bereits in den österreichischen Kinos

New things get old too

"Take this Waltz" entwickelt einen Sog, wird zu einem Versuch, die Unruhe einer Frau und das Wunschbild namens "Liebe" auf die Leinwand zu hieven. In einer der vielleicht schönsten Szenen, die - wie so viele andere Szenen auch - wiederholt bzw variiert wird - sitzt Margot in einem fahrenden Karussell. Die Fahrt in einem Kreis muss der Idealzustand für jemanden sein, der nicht inbetween things sein möchte. Die Karussellfahrt zu "Video killed the Radio star" wird zum Bild dafür, was Margot will. Alltagaushebelungsmomente, eine auf alle Sinne einwirkende, rauschhafte Fahrt.Glück breitet sich auf Michelle Williams' Gesicht aus und ein Song, der den Tod von etwas besingt und hauptsächlich dafür bekannt ist, die Musik der Geburtsstunde von etwas zu sein, das wir auch inzwischen haben den Bach runtergehen sehen (MTV), von dem ich dachte, er sei jeglicher Bedeutung bereits beraubt, blüht auf.

New things get old too, sagt Lous Schwester, die als erste vermutet, was in Margot vorgeht. Das Karussell - als Symbol für den bigger than life-Moment - aber altert nie. Schön ist so ein Ringelspiel und schöner als bei Sarah Polley war es noch nie.