Erstellt am: 23. 4. 2013 - 08:42 Uhr
Words & Music: MusikerInnen, die Bücher schreiben
"Chapter One we didn´t really get along. Chapter Two I think I fell in love with you. You said, you´d stand by me in the middle of Chapter Three. But you were up to your old tricks in Chapters Four, Five And Six." - Elvis Costello, "Everyday I Write The Book", 1984.
Ein Buch hat Musikgroßmeister Elvis Costello zwar nie geschrieben, sich "nur" darüber in einem Song Gedanken gemacht. Alles was dieser Mann so an Worten im Kopf hat, landet in seinen Songs.
"Don´t tell me you don´t know the difference between a lover and a fighter, with my pen and my electric typewriter."
Nick Cave: "Der Tod Des Bunny Munro" ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch in der Übersetzung von Stefanie Jacobs erschienen.
Nick Cave: "Und die Eselin sah den Engel" ist im Piper Verlag in der Übersetzung von Werner Schmitz erschienen.
Ob Nick Cave noch eine Schreibmaschine zuhause hat? Bei ihm ist es jedenfalls so: Die Musik bleibt weiterhin das Hauptstandbein. Sein Roman "The Death Of Bunny Munro" machte den Australier vor wenigen Jahren aber endgültig auch zum Schriftsteller. Die knüppelharte Poesie des Herrn Cave ist herzergreifend, wenn er von einem alternden Kosmetikverkäufer, dessen kleinem Sohn und dessen toter Frau schreibt. Den Roman gibt es auch in deutscher Übersetzung. Bereits Anfang der 1990er Jahre gab Nick Cave jedoch sein Romandebüt: "The Ass Saw The Angel", in deutscher Übersetzung "Und die Eselin sah den Engel". Der Inhalt dieses Kultbuches: Mord, Selbstmord, Inzest, Alkoholmissbrauch etc.
Piper, btb Randomhouse, Kiepenheuer & Witsch
Leonard Cohen: "Beautiful Losers" und "Das Lieblingsspiel" aus dem Englischen von Gregor Hens sind im btb Random House Verlag erschienen.
Nicht so heftig wie bei Nick Cave, aber dennoch intensiv geht es in den Büchern des großen Kanadiers Leonard Cohen zu. Er hat ohnehin immer mehr geredet in seinen Liedern als gesungen, könnte man sagen. Nun ja, dass Cohen also auch Bücher schreibt, scheint nicht so verwunderlich. In der Tat war Leonard Cohen erst Schriftsteller, bevor er als Musiker bekannt wurde. "Das Lieblingsspiel", sein 1963er Debütroman über einen jungen Mann aus Montreal, der in New York ein Mädchen trifft, ist autobiografisch angehaucht und gilt heute als Klassiker. Drei Jahre nach "The Favourite Game" erschien der nächste Cohen-Roman, "Beautiful Losers". Außerdem gibt es Gedichtbände von Cohen.
Punk-Poesie
Als Punk-Poetin wird Patti Smith gern bezeichnet. Mit "Just Kids" schrieb sie vor zwei Jahren eine Art Liebesbrief an die Kunst und das Leben. "Just Kids" ist die Autobiografie der Patti Smith, beginnend mit ihrer Kindheit in New Jersey, ihrem Weggehen nach New York City und wie sie dort Robert Mapplethorpe traf. Mapplethorpe, der als Fotokünstler bekannt wurde, starb 1989 infolge von Aids. Damit endet auch "Just Kids".
Kiwi
Glückstage in der Hölle
Wenn MusikerInnen Bücher schreiben, dann oft über sich selbst. Autobiografien, die meist zusammen mit einem Profi-Writer entstehen, etwa zuletzt bei Beth Ditto der Fall, oder auch Anthony Kiedis von den Red Hot Chili Peppers hat sein Leben nicht alleine niedergeschrieben. Ohne Profi-Hilfe hat hingegen Mark Oliver Everett von der US-Band Eels vor wenigen Jahren sein Leben literarisch aufgearbeitet. "Things The Grandchildren Should Know" nennt er sein Buch. In der deutschen Übersetzung heißt das dann "Glückstage in der Hölle. Wie die Musik mein Leben rettete."
Mark Oliver Everett: "Glückstage in der Hölle" ist bei Kiepenheuer&Witsch erschienen und wurde von Hannes Meyer übersetzt.
Musik, so scheint es, war in der Tat der Lebensretter für Everett, der als Teenager erst seinen genialen Quantenphysiker-Vater tot am Boden des Wohnzimmers liegend fand, bevor sich seine Schwester - die ihm seine erste Gitarre geschenkt hatte - das Leben nahm und dann die Mutter an Krebs starb. Harter Stoff, nicht erfunden, sondern Teil der (Auto-)Biografie des Eels-Masterminds.
Wo sind aber nun die MusikerInnen, die Bücher schreiben, in denen nicht ihr Leben vorkommt?
Brit-Lit?
Die Britin Louise Wener - in den 90er Jahren mit ihrer Band Sleeper erfolgreich, wenn auch gern als Elastica-Epigonen verrissen - wandte sich nach der Band-Karriere dem Schreiben von Romanen zu. In "The Big Blind" geht es um eine junge Frau, die sich auf der Suche nach ihrem Vater, einen Poker-Spieler, macht. "Worldwide Adventures Of Love" handelt von zwei Mädchen in den 1970er Jahren, die sich zu einem einsamen Nachbarhaus hingezogen fühlen. "Goodnight Steve McQueen" ist vielleicht der (international) bekannteste Wener-Roman und ihn gibt es etwa auch in deutscher Übersetzung. Ganz ohne Autobiografie kommt die Ex-Musikerin aber auch nicht aus: "Different For Girls: A Girl´s Own True Life Adventures In Pop" und "Just For One Day: Adventures in Britpop" heißen diese Bücher von Louise Wener.
sleeper
Drummer turned Writer
Paul Harding: "Tinkers" ist im Luchterhand Literaturverlag erschienen und wurde von Silvia Morawetz übersetzt.
Der US-Amerikaner Paul Harding gewann mit seinem Roman "Tinkers" vor drei Jahren den Pulitzerpreis. "Tinkers" ist eine große amerikanische Geschichte. Paul Harding war in den 1990er Jahren der Schlagzeuger einer Band mit dem Namen Cold Water Flat. Das Trio aus Massachusetts, angeführt von Paul Janovitz, dem jüngeren Bruder von Buffalo-Tom-Sänger Bill Janovitz, veröffentlichte zwei Alben, davon das zweite bei einer großen Plattenfirma, ohne aber größeren Bekanntheitsgrad zu erlangen. Aus einem Indierock-Schlagzeuger wurde also schließlich ein Buchpreisträger.
Motel Life
Vlautin
Richmond Fontaine, die Band eines gewissen Willy Vlautin, ist, sagen wir mal, ganz nett. Gute Lyrics zu hübscher Americana-Musik. So richtig gut aber sind seine Romane. Der in Portland, Oregon, lebende Willy Vlautin schreibt berührende Geschichten von amerikanischen Außenseitern. In "Lean On Pete" etwa geht es um den 15-jährigen Charly, ein Waisenkind in Portland und seine Freundschaft zum ausrangierten Rennpferd Pete. Der Debütroman von Willy Vlautin, "The Motel Life" - zwei Brüder überfahren in der Spielerstadt Reno, Nevada, ein Kind - wurde inzwischen in Hollywood verfilmt.
"Even in a perfect world where everyone was equal, I´d still own the film rights and be working on the sequel", heißt es im Song "Everyday I Write The Book" von Elvis Costello. Bücher und Filme dazu. Ob Willy Vlautin einen guten Deal mit Hollywood machte? Next up: Bücher von MusikerInnen und Zeichnungen dazu: Courtney Love und ihr "Dirty Blonde: The Diaries Of Courtney Love". Courtney erinnert sich an ihre Vergangenheit. Sie ist aber vor allem eine talentierte Zeichnerin. Ihre Ballerinas sind wirklich gut. Courtney Love hätte Modezeichnerin werden können. Madonna hingegen zeichnet nicht selbst, eh klar, sie lässt zeichnen, in ihrem Kinderbuch "The English Roses".
earle
Steve Earle, den man in den 1990ern als Nashville-Outlaw gefeiert hat ("Guitar Town"), und den man als cowboy junkie in der Alternative-Rock-Szene romantisierte, ist später - nach überstandener Drogensucht - ebenfalls unter die Schriftsteller gegangen. Sein Roman "I´ll Never Get Out Of This World Alive" kann was. Musik kommt darin auch vor - Hank Williams als Geist, der einen Arzt verfolgt, in dessen Auto der große Sänger starb. Interessant. Eine deutsche Übersetzung von diesem Roman von Steve Earle gibt es auch.
Wer noch?
Die US-Songwriter Ryan Adams und Josh Ritter haben ebenfalls Bücher geschrieben. Ritters "Bright´s Passage" ist ein Roman über einen jungen US-Farmer-Sohn, der im Ersten Weltkrieg in Frankreich kämpft. Die Bücher von Ryan Adams heißen "Infinity Blues" und "Hello Sunshine". Wie aber kommen sie an? Ein Fan etwa schrieb Ryan Adams eine Nachricht: "Your music is perfection. Your poetry... is... just awkward."
Auch interessant: Der britische Musiker John Wesley Harding, der ebenfalls in den 1990er Jahren bekannt war, und seine beiden Romane "By George" und "Misfortune". Als erfolgreicher Schriftsteller nennt sich Harding aber Wesley Stace, wie er tatsächlich auch heißt.
Pete Wentz von den US-Emo-Stars Fall Out Boy schrieb ein Kinderbuch basierend auf Albträumen, die er als Kind hatte: "The Boy With The Thorn In His Side". Na dann, Gute Nacht, Kids! Onkel Pete wacht gut über euch.
P.S.:
David Byrne, der Säulenheilige des Art-Pop, mit oder ohne Talking Heads, fährt Rad: "Bicycle Diaries: Ein Fahrrad, neun Metropolen". Christiane Rösinger reist(e) ebenfalls, aber nicht per Rad, sondern per Auto: von Berlin nach Aserbaidschan, zum letzten Songcontest, und sie schreibt darüber. Früher schrieb die Ex-Lassie-Singers-Musikerin über "Das schöne Leben".
Kerstin Grether, deutsches Riot Grrl der ersten Stunde (Parole Trixie, Doctorella), schreibt von "Zuckerbabys" und einem "Zungenkuss". Sven Regener (Element Of Crime) schreibt natürlich auch ("Herr Lehmann"). Und für die unter uns, die auf eine gewisse Vollständigkeit Wert legen: Theo Hakola, ein in Paris lebender US-Musiker, bei dessen Band namens Passion Fodder Musiker spielten, die später bei 16 Horsepower und Woven Hand waren, hat in Frankreich ein Publikum und schreibt ebenfalls Bücher, auf Französisch. Voila.