Erstellt am: 14. 10. 2009 - 20:00 Uhr
Nick Cave: Der Tod des Bunny Munro
Mit dem Duett Where The Wild Roses Grow mit Kylie Minogue aus dem Jahr 1995 feierte Nick Cave einen Riesenerfolg, der ihn von der Subkultur-Ikone zu einem internationalen Hitparadenstürmer transformierte. Und obwohl Nick Cave seit dem Jahr 1995 in einer anderen kommerziellen Liga spielt, hat das sein Streben kaum verändert. Die Platte Murder Ballads mit der Nick Cave damals groß abräumte, war eine Sammlung zynischer Moritaten und schwarzhumoriger Balladen über Frauenmörder.
Dass Nick Cave die damals nur bedingt angesagten Popsängerin Kylie Minogue als Gast gewinnen konnte, war eine Sensation und eine kreativ befruchtende Verbindung für beide Seiten. Nun fast 15 Jahre später beschäftigt sich Nick Cave in einer seiner Arbeiten wieder mit Kylie Minogue. Wenn auch nur als Figur am Rande in seinem Roman Der Tod Des Bunny Munro. Trotzdem sieht sich Nick Cave am Ende seines neuen Buches dazu bemüßigt sich bei Kylie Minogue zu entschuldigen.
Bunny schlägt die Augen auf und tastet nach dem Handy, das im selben Moment zu vibrieren beginnt und zu dem supersexy Klingelton von Kylie Minogues „Spinning Around“ auf dem Bett herumrüttelt, und als er sich Kylies goldene Hotpants vorstellt, erwacht sein Schwanz wie durch ein Wunder wieder zum Leben, hart und stramm.
Kylie Minogue
Stecher, Handlungsreisender und Toter
Nun hat Nick Cave also seinen zweiten Roman veröffentlicht. Bereits 1989 erschien sein erstes Buch Und die Eselin sah den Engel. Ein überwältigendes Werk. So leichtfüßig, behände und trotzdem ernsthaft wurde selten mit den großen Kalibern Tod, Liebe, Hass, Lust und vor allem Erlösung und Vergebung umgegangen.. Um das Werk und Schaffen von Nick Cave vollends fassen zu können, ist es eigentlich essentiell 'Und die Eselin sah den Engel' gelesen zu haben.
Und Nick Cave hat seinen Fokus auch bei seinem neuesten Werk nicht verändert. Im neuen Roman 'Der Tod Des Bunny Munro' thematisiert er wieder, wie auch so konsequent in seinen Liedern, die alttestamentarischen Ausmaße von Schuld und Vergebung, von Lust und Sühne. Aber diesmal hat er die Kulissen verändert, Nick Cave will seine Predigt mit lustig-bunten Geschenkpapier einpacken und den schwarzen Kirchenrock ausziehen. Das gelingt, fühlt sich aber stellenweise seltsam an. Und nicht der vulgären Bilder wegen.
Dem Jungen tränen in dem grellen Menschenhasserlicht die Augen, er tupft sie mit der Serviette ab, setzt die Sonnenbrille wieder auf uns sagt: „Ich glaub, ich brauch bald einen Hund und einen weißen Stock, Dad.“
Bunny hört es nicht, denn seine Aufmerksamkeit gilt jetzt dem Nachbartisch, wo eine Frau mit einem Mädchen sitzt, das offenbar ihre Tochter ist. Das Mädchen tragt goldene Hipster-Hotpants und ein bauchfreies, zitronengelbes T-Shirt, auf dem ‚Yummy’ steht. Auf ihren Finger- und Zehennägel leuchtet fluoreszierender rosa Lack. Bunny kommt der Gedanke, dass die Kleine in ein paar Jahren ein echt heißer Feger sein wird, und er überlegt, ob er noch mal die Toilette aufsuchen soll, aber dann sagt die Mutter des Mädchens zu ihm „Es gefällt mir nicht, wie Sie meine Tochter ansehen“, und Bunny erwidert entgeistert: „Wofür halten Sie mich denn?!“, und dann sagt er: „Meine Güte! Wie alt ist sie eigentlich?“, und die Frau antwortet: „Drei.“
No Pussy Blues
So sieht also die Welt des Bunny Munro aus. Bunny Munro ist Handelsvertreter für mindere Kosmetikartikel, die er von Haus zu Haus verkauft. Bunny Munro ist ein widerwärtiger Egoist, ein verkommener Trunkenbold und Bunny Munro ist immer geil. Statt der Sonne sieht Bunny Munro eine Riesenvagina am Himmel stehen. Mit seinem antiquierten Charme und seinem halbseidenen Proleten-Posen kommt Bunny Munro auch tatsächlich recht häufig auf seine Kosten. Eines Tages radikalisiert sich allerdings seine triebhafte Welt, als sich seine Frau das Leben nimmt und er plötzlich mit einem augenkranken, hochintelligenten Sohn alleine da steht. Bunny bringt es noch so halbwegs auf die Reihe das Begräbnis für seine Frau zu organisieren, obwohl er während der Feierlichkeiten die meiste Zeit fehlt, weil er am Klo masturbiert, dann brechen alle Dämme.
Nick Cave
Bunny Munro geht mit seinem Sohn auf seine letzte Handlungsreise. Eine traumatische Irrfahrt aus Sex und Gewalt. Oder ein letzter unheiliger Kreuzzug, denn Bunny Munro weiß, dass er am Schluss sterben wird. Und auch sein Sohn Bunny Junior weiß das. Und während Bunny Junior seinem Vater beim Verrückt werden zusieht und Bunny Munro allmählich seine Kosmetikprodukte vergisst und nur mehr an Sex mit den Kundinnen denkt, kommen sich Vater und Sohn immer näher, wechseln am Schluss die Rollen und Bunny Munro stirbt schlussendlich erlöst in den Armen seines Sohnes.
Bunny hat ein frisches Hemd angezogen – mit breiten roten Streifen und weißem Kragen und weißen Ärmelaufschlägen als Kontrast -, und die seltsame netzförmige Narbe schlängelt sich auf seinem offenen Hemdkragen wie ein Eisblumenmuster. Er hat sich besonders viel Pomade ins Haar gekämmt und seine Schmachtlocke so frisiert, dass sie mit einer neuen, fast yogiartigen Gelassenheit auf seiner Stirn sitzt.
Bunny dreht sich zu dem Jungen um, zieht an seiner Zigarette, bläst einen Rauchschlot in den Raum und fragt: „Wirst du zurechtkommen, Bunny Boy?“ „Ich komme zurecht. Aber was ist mit dir?“, fragt Bunny Junior. Bunny zerdrückt die Colaflasche, wirft sie in die Spüle der winzigen Küchenecke und sagt: „Ja, ich bin bereit“, dann schlüpft er in sein Jacket, streckt die Arme aus und fragt: „Wie sehe ich aus?“ „Gut, Dad“, antwortet Bunny Junior. „Bereit siehst du aus.“
Kiepenheuer & Witsch
Einmal mehr variiert Nick Cave also seine ewige Geschichte um Sinnsuche. Und auch diesmal gelingt es dem Meister behände und geübt zu erzählen. Musikalisch hat sich Nick Cave ja vor ein paar Jahren mit seinem Bluespunk-Projekt Grinderman freigespielt. Da sang er den No Pussy Blues und trumpfte mit riesigem Zuhälterbart auf. Sein ironisches Freispielen treibt er mit „Der Tod des Bunny Munro“ jetzt noch ein Stückchen weiter. Er genießt es sich in Trash- und Fast Food-Zitaten zu suhlen. Etwas was er sich früher niemals so radikal erlaubt hätte. Und dennoch ist der neue Nick Cave-Roman etwas ambivalent. Als Geschichte für sich allein ist sie klug und raffiniert. Im Rahmen von Nick Caves gesamten Schaffen mutet der Roman allerdings manchmal wie ein ratloser Stillstand an.
Aber gut, mit dieser Problematik hat Nick Cave ja schon seit einiger Zeit zu kämpfen. Trotzdem ist „Der Tod des Bunny Munro“ ein feines Büchlein und allein für Cave’s seltsam brutal-subtilen Humor einen Blick wert.
Nick Cave: Der Tod Des Bunny Munro ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch in der Übersetzung von Stefanie Jacobs erschienen.
Den Roman gibt es auch als Hörbuch. Pikanterweise vom ehemaligen Kumpel Blixa Bargeld gelesen. Der trägt die Geschichte des Bunny Munro in nostalgischer ernster Hörspielmanier vor und gibt dem Roman damit einen erfreulichen zusätzlichen Kick. DHV der Hörverlag hat das Hörbuch veröffentlicht.