Erstellt am: 20. 2. 2013 - 05:55 Uhr
Oh, Oscar!
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There will be no penis jokes, erklärt der diesjährige Oscar-Host Seth MacFarlane in einem Interview, nur um auf Twitter dann auszuführen, dass es keine cheap wiener jokes geben würde, sondern höchstens expensive wiener jokes. Nachdem die Golden Globes in den letzten Jahren mit Ricky Gervais und dieses Jahr mit Amy Poehler und Tina Fey ModeratorInnen hatten, die die Honigumsmaulschmiererei und Selbstbeweihräucherung der Award Shows mit treffsicherem und - im Fall von Gervais: bösem - Witz durchbrachen, schnappten sich die Produzenten der Academy Awards Seth MacFarlane. Ein Mann berühmt für das Dehnen und Ausloten der Schmerzgrenzen der Geschmacklosigkeit bzw des gross out Humors mit "Family Guy", "Ted" oder "Comedy Central Roast".
oscars
Die Tatsache, dass man hier für eine oft als altfaderisch bezeichnete Veranstaltung einen Host holt, der eher ein jüngeres Publikum anspricht, greift man gleich in den kurzen Oscar-Promo-Videos auf: Ask your kids.
Als Host der Emmys hat MacFarlane bereits bewiesen, dass selbst Mikrophonpannen ihm kein Bein stellen können - und wer sich an die Hilflosigkeit in den Gesichtern von Paul Rudd und Salma Hayek bei den Golden Globes erinnert, als der Teleprompter ausfällt, weiss, dass das elegante Umgehen mit technischen Problemen kein einfaches Unterfangen ist. MacFarlane hingegen tänzelt elegant wie Gene Kelly darüber hinweg und zeigt, dass eine kurze Kostprobe der Stimme, die er dem eigentümlichen Baby Stewie in "Family Guy" leiht, der beste Kitt zum Überbrücken für eine derartige Panne ist. Wenn nur ein Bruchteil der Bosheit, mit der er hier bei den Emmys die Kategorie "Best Reality Host" anmoderiert bei den Oscars am Sonntag erlaubt ist, kann man sich freuen.
Und MacFarlane hat immerhin bereits die Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen revolutioniert. Was bisher hauptsächlich Ablesen von einem Blatt Papier war, hatte dieses Jahr Witz. Wenn auch wegen seiner Anmerkung zu Michael Hanekes "Amour" - "I read 'Amour' was co-produced by Austria and Germany. The last time Austria and Germany co-produced something it was Hitler, but this was much better" kurz die Wogen hochgegangen sind und Andere wieder sich darüber empörten, dass MacFarlane zu diesem Anlass keine Krawatte getragen hat. "Press gave me shit for not wearing a tie to the nominations. I'm also busted for skipping lacrosse and mouthing off to the headmaster.", twittert der krawattenlose Host mit den strahlenden Zähnen.
abcnews
Während MacFarlane die nominierten Filme inzwischen als Twitter-Pointenbausteine verwendet ("My Zero Dark 30 torture scenario: put me in a tiny room with just a beet salad, Atlas Shrugged, wet socks, and a Wall Street Journal") ließ Neil Meron, Produzent der Oscarverleihung - ebenfalls via Twitter- ein wenig hinter die Kulissen blicken. Das wirft aber manchmal mehr Fragen auf, als es beantwortet. Wer hat diesen Teppich ausgesucht und was ist das für ein Gurt?
Seth Macfarlane
Wer singt, wer präsentiert?
Während sich die Sache mit dem Gurt bis zum Sonntag wohl nicht klären lassen wird, gilt Anderes als bereits in Stein und Teleprompter gemeißelt: Die Präsentatoren und auftretenden Musiker wurden in den letzten Wochen nach und nach bekannt gegeben. Die Hauptdarsteller von "Chicago" werden sich ebenso einfinden wie die "The Avengers"-Bande. Ein James Bond-Tribute ist geplant und nicht nur wird Adele den nominierten Song "Skyfall" singen (und sich wohl einen Oscar dafür abholen), nein auch Dame Shirley Bassey wird bei der 007-Würdigung dabei sein.
abcnews
Traditionellerweise finden sich auch die Gewinner in den Schauspiel-Kategorien aus dem Vorjahr wieder auf der Bühne des Dolby Theatre ein: Meryl Streep, Christopher Plummer, Jean Dujardin und Viola Davis werden Oscars überreichen, ebenso Ben Affleck, Sandra Bullock, Jessica Chastain, Salma Hayek, Joseph Gordon-Levitt, Nicole Kidman, Jennifer Lawrence, Liam Neeson, Channing Tatum, Charlize Theron, John Travolta und einige mehr. Ted, der mehr zotige als zottelige Teddybär aus MacFarlanes gleichnamigen Film wird auch einen Auftritt haben und den Titelsong aus Ted wird Norah Jones singen.
24. Februar ab Mitternacht: Der Live-Ticker zur Oscar-Verleihung. Mit euch.
Diskussionen um Geschichte und Folter
Abgesehen von den harmlosen MacFarlan'schen Schelmereien war the road to the Oscars bisher hauptsächlich begleitet von umfassenden und ernsten Diskussionen zu den Filmen, die sich auch allesamt einspieltechnisch - im Gegensatz zu Oscar-Kandidaten der vergangenen Jahre - recht wacker schlagen. Ein Thema, das sich in Kritiken dieses Jahr durchzieht ist die Balance zwischen Fakten und Fiktion im Fall jener Filme, die sich mit amerikanischer Geschichte und Politik auseinandersetzen: "Lincoln", "Argo" und "Zero Dark Thirty". Am umstrittensten ist sicherlich Kathryn Bigelows Thriller über die Suche nach Osama Bin Laden. "Zero Dark Thirty" wurde zunächst von konservativen Politikern als ein Propagandafilm für Barack Obama gefürchtet, dann vor allem von linker Seite angegriffen, weil der Film die Anwendung von Folter unterstützen würde. Drehbuchautor Mark Boal, der auch bereits Bigelows "The Hurt Locker" geschrieben hat, nennt "Zero Dark Thirty" diplomatisch einen politischen Rorschachtest.
UPI
Auch Steven Spielbergs "Lincoln" wurde begleitet von zahllosen Auseinandersetzungen mit historischer Authentizität. Von dem Auslassen der Rolle der schwarzen Bevölkerung im Kampf um die Abschaffung der Sklaverei bis hin zur Darstellung, dass Abgeordnete aus Connecticut gegen die Abschaffung der Sklaverei gestimmt hatten. Das verstimmte vor allem den demokratischen Abgeordneten Joe Courtney, (der im Wahlkampf übrigens von Ben Affleck unterstützt wurde), der sich wünscht, dass das für die DVD-Fassung geändert wird. Steven Spielberg freut sich aber sicher auch über diese Nachricht, denn das heißt zumindest, dass Courtney während "Lincoln" nicht eingeschlafen ist.
Einschlafen im Kino
Wie nämlich ein unverhältnismäßig oft übernommener Artikel der Associated Press feststellt, ist "Lincoln" - wie einige andere Oscar-Kandidaten auch - ein Film, bei dem zahlreiche Kinobesucher einschlafen. Wir wird es dann erst den Mitgliedern der Academy of Motion Picture Arts and Science gehen, die häufig die Filme bloß zuhause auf DVD anschauen? Denen wird, wenn die dann beim x-ten Zusammensitzen der honorigen Herren im Öllampenlicht, mantraartig die Worte "amendment", "the South" und "House of Representatives" wiederholt werden, auch entgehen, was ein paar I-Tüpferlreiter mit guten Augen empört hat: Man kann in ein paar Szenen die Ohrlöcher von Daniel Day-Lewis sehen.
EPA
Ausgehend von diesem Anachronismus, den glaube ich nur Leute sehen werden, die in ihrer Freizeit gern Nadeln in Heuhaufen suchen, um sich dann zu beschweren, dass sie sich gestochen haben, hat sich aber eine interessante Beobachtung ergeben: Die Schwierigkeit Filme, die in vergangenen Zeiten spielen mit Leuten zu besetzen, die alle über durchtrainierte Körper, symmetrische Gesichtszüge und stahlend gebleichte Los Angeles Zähne verfügen. Der Tip von Casting Director Nina Gold: Über den Hollywood-Tellerrand schauen: English Teeth are famously bad.
Skandale? Kaum.
Weil sich also abgesehen von Daniel Day Lewis Löchern in den Ohren wenig Skandale im Vorfeld der Oscars gefunden haben, musste man welche erfinden. Einen Streit zwischen Schauspielerinnen zum Beispiel. Dass Jessica Chastain Jennifer Lawrence hassen würde, titelte Show Biz Spy, und dass sie über die folgenden Zeilen aus dem Eröffnungs-Monolog bei "Saturday Night Live" empört sei: "Jessica Chastain? More like Jessica Chast-ain't winning an Oscar on my watch.". Alles erfunden, klärt Chastain via Facebook auf. Wo ist also Joaquin Phoenix, der die ganze Hollywood-Preisverleiherei stets als bullshit bezeichnet, wenn man einen Skandal braucht? Nicht beim Friseur, wie die Bilduntertitler hier feststellen. Auch nur für eine halbe Aufregung sorgt der Spot, in dem Phoenix für PETA agiert und einen Ertrinkenden mimt. Für ABC aber ist der Spot- laut PETA - zu verstörend und wird in den Werbepausen der Oscar-Verleihung nicht gezeigt.
PETA
Quvenzhané Wallis wusste bis vor ein paar Monaten nicht, was der Oscar ist und hat beschlossen, ihn "the golden man" zu nennen. Die 9jährige Darstellerin aus Benh Zeitlins "Beasts of the Southern Wild" war erwartungsgemäß ein Highlight jeglicher Oscarvorberichterattung. Nicht nur, weil sie auf ihre Nominierung als beste Hauptdarstellerin mit Beast it! reagierte, oder mit kindlicher Ernsthaftigkeit die ewig gleichen und dämlichen Fragen der Journalisten beantwortete: "Hushpuppy is not me, because she does not wear her pants pretty much and she has more animals".
polyfilm
Mode- und Filmjournalisten fanden Gefallen an Wallis' unzähligen Handttaschen in Hundeform und an ihrer Aussage, sie werde zu den Academy Awards kein langes Kleid anziehen, denn sie wolle ja nicht hinfallen und sich lächerlich machen. Im Weißen Haus war Wallis auch schon, denn Barack Obama mag ja zum Screening von "Lincoln" einladen, Michelle Obama aber hat ihr Herz an "Beasts of the Southern Wild" verloren und zu einem Screening des Films mit anschließender Diskussion ins Weiße Haus gebeten.
Ebenfalls der Liebling der Medienherzen ist Jennifer Lawrence, die das Tamtam um ihre Person genau in den richtigen Momenten nicht ernstnimmt: Wenn JLaw ihre Finger am Roten Teppich in eine "Mani Cam" halten muss zum Beispiel und die Finger dann stampfen lässt wie Godzilla. Oder, wenn bei den SAG Awards ihre Eltern interviewt werden und sie daneben steht und fast im Erdboden versinkt.
Waltz with me
Der Mann mit den besten Karten in Sachen unterhaltsamer, abwechslungsreicher und sympathischer Medienpräsenz am Weg zu den Oscars war aber sicherlich Christoph Waltz. Nicht nur gabs bei Late Night Host Jimmy Kimmel passend zum Valentinstag ein Video mit Verführungstipps. Am 16. Februar war Waltz Host von "Saturday Night Live" und brillierte in religiöser Montur: Als Papst mit Finanzierungsfragen und als "Djesus Uncrossed".
Und inmitten all der werbetrommelnden Talkshowauftritte, die Schauspieler und Regisseure während des Oscar-Rummels absolvieren, erweist sich wie immer Zach Galifianakis als Fels in der Brandung der Awkwardness. Die Oscar-Ausgaben von "Between Two Ferns" macht alles wieder gut.
funnyordie
Argofuckyourself!
Es ist eines der spannendsten Oscar-Rennen, an das ich mich erinnern kann. "Argo", das als die Nominierungen bekannt gegeben wurden als eher chancenlos in der "Best Picture" Kategorie betrachtet wurde, da Ben Affleck nicht als "Best Director" nominiert wurde, mauserte sich zum Liebling der Award Season und räumte ab. Emanuelle Riva wird inzwischen als ernste Konkurrenz für Jennifer Lawrence in der Kategorie "Best Actress in a Leading Role" gesehen und wer nimmt bei den besten männlichen Nebendarstellern den Goldjungen mit nach Hause? Christoph Waltz, Robert de Niro oder doch Tommy Lee Jones?
Was bleibt also noch zu tun bis Sonntag?
1. Ins Kino gehen. Die nominierten Filme "Lincoln", "Zero Dark Thirty", "Les Miserables", "Life of Pi", "Silver Linings Playbook", "Argo", "Beasts of the Southern Wild", "Amour", "Django Unchained" laufen noch in den Kinos. Du hast keine Zeit mehr fürs Kino? Dann wirf zumindest einen Blick auf diese animated gifs.
2. Academy-Mitglied spielen und die FM4 Oscar-Wette ausfüllen.
3. Am Sonntag, den 24. Februar ein Nachmittagsschläfchen einlegen und dann ab Mitternacht hoffentlich hier den Live-Ticker zur Oscar-Verleihung mitkommentieren, sich mitfreuen, -ärgern, -jubeln. Das kann man zB auch aus dem Wiener Gartenbaukino machen, das sich wieder ordentlich oscartechnisch aufbrezelt: Nicht nur die Oscarverleihung wird übertragen, bereits ab 12 Uhr Mittags (High Noon!) gibt es einige der nominierten Filme zu sehen. Also: Beast it!