Erstellt am: 14. 1. 2013 - 10:35 Uhr
Golden Globes
Würdigung auf vulture.com: Die lange Freundschaft zwischen Tina Fey und Amy Poehler
Ich hatte vergessen, wie hell es bei den Golden Globes ist. Nicht nur die Bühne, sondern auch der Zuschauerraum. Während man bei den Oscars versucht, die vermeintlich makellosen Leinwand-Teints und straffen Körper in möglichst schmeichelhaftes Licht zu tauchen, setzen die Golden Globes auf Baustrahler-Atmosphäre. Schwabbelnde Oberarme, gelbliche Zähne, sich Haarspray widersetzende Haarsträhnen. Aber man sieht auch viel Schönes: Die wunderbare Julianne Moore mit einem Weltklasse-Beehive, die supere Lena Dunham, Jon Hamms Seitenscheitel, Robert Downey Jr, der Mel Gibsons Wangen abschmust und Champagnerflaschen, so weit das Auge reicht.
PAUL DRINKWATER / NBC / HO
Der Eröffnungsdialog sitzt, alles andere wäre bei den Moderatorinnen Amy Poehler und Tina Fey auch ein Wunder. Ricky Gervais could not be here tonight because he is no longer technically in show business," erwähnt man den Host der letzten beiden Golden Globe Verleihungen. Amy Poehler verwechselt die Veranstalter der Show, die Hollywood Foreign Press Association (HFPA) mit HPV und man gräbt nochmal in den Wunden der Oscarverleihung 2011: "Anne Hathaway, you gave a stunning performance in Les Misérables. I haven't seen you so totally alone and abandoned like that since you were onstage with James Franco at the Oscars."
Meine Lieblingsformulierung folgt dann mehr als zwei Stunden später, sie könnte auch von Poehlers Figur Leslie Knope aus "Parks and Recreation" stammen: Here's the man who makes young George Clooney look like garbage, here's middle aged George Clooney. Auf Clooneys Schoß wird Poehler später sitzen, während sich Tina Fey an Jennifer Lopez klammert: In der Kategorie "Best Actress in a Television Series (Comedy)" sind beide nominiert und inszenieren sich in Posen, die sich über das Preisverleihungs-Brimborium lustig machen. (Den Preis in dieser Kategore bekommt dann Lena Dunham). Die schönsten Momente sind aber vielleicht die, wo Fey und Poehler - verkleidet - im Publikum sitzen. Mit herrlichen Pseudonymen und für noch herrlichere, imaginäre Filme nominiert.
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Schwarzenegger und Haneke
Zwischen den Pointen werden Preise im Höchsttempo vergeben. Österreichische Medien können die Jubelkampagne "Wir sind Filmpreis" jetzt mit den Golden Globes fortsetzen, die gemähten Wiesen "Best Foreign Film" und "Best Actor in a supporting Role" werden abgegrast: Christoph Waltz bekommt für seine Rolle als Dr. King Schultz in "Django Unchained" einen Golden Globe und Michael Haneke wird für "Amour" ausgezeichnet (übergeben wird dieser Preis von Silvester Stallone und Arnold Schwarzenegger, die sich streiten, wer besser Englisch spricht, das verwirrt den Haneke so sehr, dass er sich gleich bei der "Hollywood Foreign Language Press bedankt).
Ebenfalls keine große Überraschung sind die Schauspielerinnen-Kategorien: Anne Hathaway ("Les Miserables"), Jessica Chastain ("Zero Dark Thirty") und Jennifer Lawrence ("Silver Linings Playbook") werden ausgezeichnet. Die schönste und untränigste Rede hält Jennifer Lawrence, sie schlägt einen Bogen von "I beat Meryl (Streep)" zu einem Danke an Harvey Weinstein thank you for killing whoever you had to kill for bringing me up here. Daniel Day-Lewis holt sich einen Golden Globe für "Lincoln" ab, auch das war vorherzusehen.
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Die Golden Globes zeichnen aber nicht nur Filme, sondern auch Arbeiten fürs Fernsehen aus. Only at the Golden Globes do the beautiful people of film rub shoulders with the rat face people of television, erklärt Amy Poehler. "Homeland" wird als Best Drama ausgezeichnet, Claire Danes und Damian Lewis bekommen ebenso einen Preis. Mit überschäumender Freude und dem Fehlen jeglicher Fähigkeit mit hohen Schuhen zu gehen, holt sich die supere und strahlende Lena Dunham gleich zwei Preise für die klasse HBO Serie "Girls". Dunham wird als beste Schauspielerin in der Kategorie "Comedy or Musical" ausgezeichnet und "Girls" gewinnt auch noch "Best TV Series, Comedy or Musical".
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"Girls" wirkt so einfach, dass man leicht drüber hinwegsehen könnte, wie ausgezeichnet gemacht es ist. Man ertappt sich dabei, Lena Dunhams Körper ungewohnt zu finden. Und dann muss man sich selbst zurechtweisen, dass nicht Dunhams Körper seltsam ist, sondern die Absenz von normalen Körpern im Fernsehen. "Girls" erzählt in einer eigenen - nämlich Dunhams Sprache - von Körpern, von Herzen, von Hirnen, von Sex, von Freundschaften. Wer nicht über "Girls" reden kann, ohne gleich Lena Dunham zur Stimme ihrer Generation zu machen oder einen Vergleich mit "Sex and the City" anzustellen, soll gleich nochmal die erste Staffel anschauen. Als sie sich in ihrer Dankesrede bei Schauspieler Adam Driver bedankt, fängt die Kamera stattdessen Dunhams Begleitung ein. Da muss wohl auch noch wer "Girls" nachholen.
Dunhams Freude und Enthusiasmus und Wortgewandtheit sind Glanzpunkt der Golden Globes. Und die braucht man zwischendrin. Denn Amy Poehler und Tina Fey sind grandiose Komödiantinnen und tolle Hosts, nur vergisst man bei der anfänglichen Freude ja immer darauf, dass die Hosts nur ca drei Slots in einer dreistündigen Award Show haben. Und der Rest ist eine Troy McLure-artige Stimme aus dem Off, Teleprompter ablesend. Und klatschen.
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(Animated) Gif it to me!
Die Golden Gobes 2013 als Gifs bei movieline.com und perezhilton.com
Klatscht man eigentlich für sich selbst, wenn die Nominierungen vorgelesen werden? Bei den Oscars tendentiell nicht, bei den Globes gibts kein Halten in Sachen Eigen-High-Five. Nur Nicole Kidman und Jessica Lange halten inne, wenn ihre Namen fallen, ebenso Benedict Cumberbatch, aber der ist ja auch ein Sir.
Der braucht aber auch Sir-Attitüde, um auszuhalten, dass er nicht nur nicht für das exzellente "Sherlock" einen Golden Globe bekommen hat, sondern auch noch gegen Kevin Costner verloren hat, der für seine Rolle in "Hatfields & McCoys" ausgezeichnet wurde. Auf den kleinen Schrecken kippt der Brite einen Drink, down the hatch, Cumberbatch. Weit weniger Sir-haft geht der haararme Rabauke Jason Statham als Präsentator mit Kuverts um, offensichtlich ist dieses hier, das erste, das er je in seinem Leben öffnen muss. Quentin Tarantinos Haar schimmert leicht aubergine, ebenso das von Robert Downey Jr. Paul Rudd und Salma Hayek haben eine Teleprompterpanne und sind keine Meister der Improvisation. Adele high-5t Daniel Craig als der Titelsong zu "Skyfall" ausgezeichnet wird und während Taylor Swift einen Schnofel zieht, erzählt Adele, sie habe hier sehr viel Spaß, sie sei mit einer Freundin hier und we are pissing ourselves laughing.
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Eine andere Körperflüssigkeit - Tränen that is - wird dominieren, wenn Jodie Foster mit dem Cecil B. De Mille Award für ihr Lebenswerk ausgezeichnet ist. Es ist an sich absurd, 50jährige mit einem derartigen Preis auszuzeichnen, weil darin auch ein bisschen mitschwingt, dass entweder der Zenit schon überschritten ist oder gar schon ein Bein im Grab steht. Bei Jodie Foster aber, die seit 47 Jahren in der Filmwelt arbeitet, kann man dann schon mal innehalten und ihr einen Preis für ihr bisheriges Leben geben. Halt auf halber Strecke.
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Jodie Foster hütet ihr Privatleben wie nur wenig Hollywood-Schauspieler. Umso überraschender also, als sie mit ihrer Rede plötzlich an einen Punkt gelangt, der wie der Prolog zu einem Coming Out klingt. Ist es aber nicht. I am ….. single, sagt Foster. Und weiter "I hope you guys weren't hoping this would be a big coming out speech tonight, because I already did my coming out about a thousand years ago, back in the stone age. In those very quaint days when a fragile young girl would open up to trusted friends and family, co-workers, and then gradually, proudly to everyone who knew her, to everyone she actually met. But now apparently, I'm told that every celebrity is expected to honor the details of their private life with a press conference, a fragrance, and a prime time reality show". Foster dankt Cydney Bernard, "My ex-partner in love but righteous soul sister in life, my most beloved BFF of 20 years, Cydney Bernard. I am so proud of our modern family."
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Kate Hudson wischt - wimperntuschenverinnungsbesorgt - mit einer Serviette an ihren Augen rum, Anne Hathaway hat glasige Augen, ebenso Naomi Watts. Und Foster sagt den vielleicht schönsten Satz der Golden Globes 2013: "You guys might be surprised, but I am not Honey Boo Boo Child". Sie packt ein halbes Coming Out, ihre Verwunderung darüber, warum es sowas wie ein Coming Out geben soll, einen Abriss über den Umgang mit Privatsphäre in eine Rede, die von nun an in allen "Best Award Speeches"-Listen Eingang finden wird, hier kann man sie nachlesen. To the next 50 years, sagt eine strahlende, energetische und unendlich sympathische Jodie Foster.
Keine Tränen, dafür Standing Ovations gabs für Bill Clinton (that was Hillary Clintons husband, so Poehler aufgeregt), der Steven Spielbergs "Lincoln" präsentiert. Das engagierte PR-Team versucht offenbar alle noch lebenden Präsidenten in den Promo-Marathon zu den Oscars einzubauen, Barack Obama hat auch bereits zu Screenings von "Lincoln" ins weiße Haus eingeladen.
"Lincoln" geht abgesehen von der Auszeichnung von Daniel Day-Lewis aber leer aus, als bester Regisseur wird Ben Affleck für "Argo" ausgezeichnet. Das Drama um eine ungewöhnliche Geiselrückholaktion holt sich auch noch den Preis als bester Film. Das überrascht Ben Affleck genauso wie all jene, die Wetten abgeschlossen hatten. Ein kleiner Trost für Affleck dafür, dass die Oscars ihn nicht als Regisseur nominiert haben (und somit auch die Chance auf "Best Picture" geringer ist).
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Da sind wir aber auch schon bei dem Quatsch, die Golden Globes stets in Relation zu den Oscars zu setzen oder sie gar als Oscar-Orakel zu verwenden. Das ist nicht nur insofern ein verzerrtes Bild, weil bei den Golden Globes Filme in zwei Kategorien nominiert werden. Man verleiht mit dieser Orakelei den Golden Globes auch zuviel Wichtigkeit. Denn das würde dann auch bedeuten, dass die Mitglieder der Acadamy of Motion Pictures Arts and Science sich für die Meinung der HFPA interessieren würden. Das ist eher nicht so, amerikanische Journalisten abseits der Hurra-Event-und-roter-Teppich-Rambazamba-Celebrity-Berichterstattung schreiben seit Jahren mit immer größerem Unwillen über die Golden Globes. In unschmeichelhaften Licht sitzen nicht nur die Besucher der Golden Globe Awards, in ebensolchem Licht präsentieren zahlreiche Medien immer wieder die Veranstaltung und die Veranstalter selbst.
Crazy Uncle
Sie seien der crazy uncle of the award season (Los Angeles Times) ist da noch relativ höflich formuliert, in der Huffington Post schreibt man genervt, they keep coming back unrelentingly like a crazed zombie und Fernsehproduzent Peter Tolan nennt die HFPA, die die Preise vergibt a bunch of whores . Teil der - nenne wir es mal - Skepsis der HFPA gegenüber rührt daher, dass sie erstens aus wenig Mitgliedern besteht, die zweitens nicht Teil der Filmindustrie sind. Wo ca. 6000 Menschen als Teil der AMPAS die Oscars wählen und in den verschiedensten Berufsgruppen der Filmwelt tätig sind, besteht die HFPA aus ca 90 Menschen. Die - das ist Aufnahmebedingung - in Kalifornien für Medien in der ganzen Welt arbeiten.
Die Mitgliederliste findet sich auf der offiziellen Website der Golden Globes und wer stichprobenartig Namen googelt - wie zB boshaft die Vanity Fair hier - wird staunen und kichern. Da findet man eine Dame, die von sich selbst sagt, dass sie die First Lady von Hollywood sei und einen russischen Bodybuilder dessen Buch "Big Encyclopedia of Fitness" offenbar ein Bestseller in Russland ist. If you live in your parents’ basement in Temecula and run a Malaysia-based Reese Witherspoon fan site on the side, you’re qualified., lautet die zugespitzte Qualifikations-Formulierung hier. Wenn man für "Le Monde" schreibt, dann nicht unbedingt. In Stephen Hess Buch "Through Their Eyes: Foreign Correspondents in the United States" wird angemerkt, dass Journalisten von Le Monde sich wiederholt erfolglos um eine Mitgliedschaft bemüht hätten. Hess zitiert ebenfalls Anita Weber, ein ehemaliges Mitglied der HFPA: "If it (the film) is good, I say so, If it's bad, I just forget about it, because I'm not going to bite the hand the feeds me."
Ist der Ruf erst runiniert …
Der oben bereits zitierte Peter Tolan nannte die HFPA genaugenommen nicht nur a bunch of whores, sondern a bunch of whores who can be bought. Beinahe legendär ist Pia Zadoras Golden Globe für ihre Rolle in "Butterfly" - weder über Zadora noch über den Film wurde jemals ein positives Wort geäußert - nachdem ihr Ehemann, Multimillonär Meshulam Riklis HFPA-Mitglieder nach Las Vegas bzw in seine Beverly Hills Villa eingeladen. Ein Filmverleih, der Sharon Stones Nominierung in "The Muse" stärken wollte, soll an alle Mitglieder eine 300-Dollar-Uhr geschickt haben. Auch wenn beide Vorfälle länger her sind, so stehen sie beispielhaft für den grundsätzlichen quid pro quo-Deal, der hinter den Golden Globes zu stecken scheint. 2001 klagt ein ehemaliger Presseagent der HFPA seinen früheren Arbeitgeber: "Many members abuse their positions and engage in unethical and potentially unlawful deals and arrangements which amount to a 'payola' scheme". Ricky Gervais, der 2011 und 2012 die Golden Globes hostet, packt die angebliche Bestechlichkeit in seinen Eröffnungsmonolog: "I’d like to crush the ridiculous rumour that the only reason The Tourist was nominated was so that the foreign press could hang out with Johnny Depp and Angelina Jolie. That was not the only reason; they also accepted bribes."
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Was bleibt also übrig
Ein Aufmerksamkeit erregendes Spektakel, das ein unglaubliches Medienecho hat. Aber von vielen Journalisten - und auch Schauspielern oder Regisseurn - werden die Golden Globes weder als relevanter Filmpreis wahr- noch die HFPA ernst genommen. Christian Bale weiß auch nicht genau, wer diese Leute eigentlich sind. “I never really knew who those guys were. I’d always leave the press junkets going, ‘Who are those oddball characters in that room?’. Und für Regisseur Rob Reiner hat die HFPA ohnehin nur ein Ziel: ein Foto von sich mit Berühmtheiten zu ergattern. “It’s one thing to have an organization writing articles all over the world. But that doesn’t seem to be the main thrust. The main thrust seems to be an elaborate scheme to have their pictures taken with you. Die Golden Globes sind a scam that would make Bernie Madoff blush, schreibt Peter Travers vom Rolling Stone und er ist nicht alleine mit dieser Meinung. Auf aintitcool.com findet sich eine Liste von wohlformulierten Abneigungstiraden gegen die Golden Globes.
Während wohl die Screen Actors Guild, Directors Guild und Producers Guild ein hohes Renomme innerhalb der Branche (aber weit weniger Aufmerksamkeit) haben, haben die Golden Globes auch eine völlig andere Funktion:
PAUL DRINKWATER / NBC / HO
Als eine der wenigen im Fernsehen übertragenen Preisverleihungen mit einer offenen Bar haben sie erstens eine weniger solemne Stimmung als die Oscars. Tina Fey und Amy Poehler haben einige Tage vor der Preisverleihung auch noch das "Golden Globes Drinking Game" vorgestellt. Wo sonst, kommen Präsentatoren mit dem vollen Glas auf die Bühne, wo sonst vergessen Präsentatorinnen dann auch schon mal, die Nominierten vorzulesen)?
Abgesehen davon sind die Golden Globes eine wichtige Station auf der von Promo gepflasterten Straße zu den Oscars. Eine Möglichkeit, Dankesreden zu üben. “It’s a party, and that’s it”, sagt Aida Takla-O'Reilly, Präsidentin der HFPA in der NYTimes. Eine Party ist es vielleicht für die, die tatsächlich dabei sind. Für uns vor den Fernsehern trifft es vielleicht diese Bezeichnung hier ganz gut: The clown car of movie awards.