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Pia Reiser

Filmflimmern

29. 12. 2011 - 12:04

Yéyé und Bang Bang

Was vom Soundtrack übrig blieb: Songschätze, die das grandiose Filmmeer 2011 angespült hat. Zum Tränenkanaldurchputzen und Hinternwackeln.

Das Kino selbst hat mich zur Abspannsitzenbleiberin erzogen. Weil die Soundtrack-Credits immer erst ziemlich zum Ende, also knapp vor der Meldung, dass eh alles erfunden und für das Erfundene keine Tiere zu schaden gekommen sind, über die Leinwand rollten. Dann musste man schnell sein, in den dreispältigen Auflistungen den Song zu finden, der einem während des Films durchgebeutelt, zu Tränen gerührt oder eine Gänsehaut verursacht hat. Und weil old habits etwas mit Bruce Willis gemeinsam haben, nämlich die Angewohnheit des die hard, bleib ich immer noch sitzen bis zum Abspannende. Obwohl ich es doch einfach im Netz suchen könnte.

Lonely Hearts Club
Rewind 2011: In einem herausragenden Kinojahr taumelten einsame, verstörte Figuren durch Krisen und Katastrophen. Aufblitzende Hoffnungsschimmer inklusive. (Christian Fuchs)

Das sensationelle Filmjahr 2011 hat mir einige Musikstücke ins Ohr gespült, die sich festgekrallt haben, die ich mit mir seit Monaten rumschleppe, immer wieder höre, auswendig kann und ihrer nicht müde werde.

Der Teufel und die Beats

Mit der Jahrtausendwende verschwanden die Chemical Brothers von meinem Radar. Mit "Hanna" machten sie eine pompöse Rückkehr in meine Welt. Der Kinosaal wurde zum Club, ein Beat boxte in den Bauch, eine fast alberne Kinderliedmelodie durchbrach die Clubmusik, sowie auch "Hanna" mit gängigen Genregewohnheiten brach. Als ich den "Hanna"-Text schreibe, läuft das auf Repeat, ich sitze am Balkon mit Kopfhörern und beim fünften Mal Anhören, bin ich mir ziemlich sicher, dass Nachbars Katze, die mich wie immer aus dem Garten streng beobachtet, bei "Rock the Beats" mitspricht.

Saorise Ronan in "Hanna"

Sony Pictures

Take this Waltz

You look like you've been for breakfast at the Heartbreat Hotel. Arctic Monkey Alex Turner liefert den Soundtrack zu "Submarine", dem britischen quirky coming-of-age Kleinod.

Szenenbild aus dem Film "Submarine"

Red Hour Films

Yeye

Die von mir sehr verehrte Jacqueline Taieb kann man in die quietschbunte yeye-Schublade stecken. "La Fac de Lettres" ist eines der suprigen Stücke vom exzellenten Soundtrack des fantastischen Films "La Guerre est declaree", einer meiner Viennale-Lieblinge, der hoffentlich 2012 regulär in die Kinos kommt. Eignet sich hervorragend zum Tanzen durch die Wohnung und Auffrischen des Schulfranzösisch.

junger mann und junge Frau in einer Achterbahn, Szenenbild aus "Kriegserklärung"

viennale

Retrohipsterei

Xavier Dolan hat in Sachen Soundtrack die Stil- und Treffsicherheit eines Quentin Tarantino und Wes Anderson. In seiner fiebertraumartigen Hipsterfabel "Les Amours Imaginaires" lässt er Monia Chokri zu Dalidas "Bang Bang" in Slow Motion die Straßen auf und ab laufen. Weil man zu dem Lied tatsächlich am besten in Slow Motion geht, komm ich jetzt manchmal zu spät.

Xavier Dolan und Mona Chokri in "Les Amours Imaginaires"

waystonefilm

Mit Synthies durch die Nacht

Handclaps und ein fantastisch cheesy Dialogteil inklusive "you mean like forevereverforeverever": "Drive" macht alles richtig und hat natürlich auch den perfekt sitzenden Soundtrack zur Einsamkeit des Skorpionjackengosling. "Under your spell" gehört auf jedes Mixtape fürs Auto. Und alle, die durch die Nacht taumeln, werden diesen Song brauchen.

Ryan Gosling in "Drive"

viennale

Song als Trost

Ein Song, als wäre er für Etta James komponiert worden. "Never let me go" ist Trost in Musikform im gleichnamigen Film, ein Song, an den sich Carey Mulligan klammert. Warme Bläser und Affirmation als Kontrast zur kühlen Realität in Mark Romaneks grandiosem Film.

Junge Frau durch hohes Gras gehend, Szenenbild aus "Never let me go"

abcfilms

Erinnerungen

Ähnlich schmerzhaft ist "You and me" in "Blue Valentine", wenn Ryan Gosling im Motel den Song auflegt und das gesungene und versprochene "you and me baby" daran erinnern, wie es einmal war, unsterblich ineinander verliebt aneinanderzukauern.

Ryan Gosling und Michelle Williams in "Blue Valentine"

polyfilm

Gehauchter Optimismus

Catherine Deneuve singt mit ihrem Ex-Schwiegersohn Benjamin Biolay in "Potiche", dass das Leben schön ist, your argument is invalid.

Catherine Deneuve in "Potiche"

Tobis